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# taz.de -- Promianwalt über Medienrecht: „Den Freiheitsraum schützen“
> Der Jurist Ralf Höcker kämpft für die Privatsphäre von Prominenten wie
> Jörg Kachelmann – und wünscht sich höhere Schmerzensgelder für die
> Geschädigten.
Bild: „Wer sein Privatleben schon vorher öffentlich macht, der muss auch sp�…
sonntaz: Herr Höcker, Anwälte treten immer mehr als PR-Arbeiter auf und
werden selbst Gegenstand medialer Berichterstattung. Wie kommt das?
Ralf Höcker: Ein Anwalt ist Fürsprecher seiner Mandanten. Das war früher
nur im Gerichtssaal notwendig. Aber mittlerweile gibt es nicht nur den
juristischen Gerichtssaal, sondern auch den Gerichtssaal der
Öffentlichkeit. Fürsprecher werden hier besonders gebraucht.
Nehmen wir das Beispiel Jörg Kachelmann: Warum braucht jemand, der selbst
professionell mit den Medien umgehen kann, Unterstützung von
Medienanwälten?
Wenn ein Medienprofi Opfer von Berichterstattung wird, kennt er doch noch
lange nicht die presserechtlichen Grundsätze. Im Fall Kachelmann erwirkten
wir 92 einstweilige Verfügungen. Wir führten zahlreiche Hauptsache- und
Bestrafungsverfahren. Mittlerweile haben wir eine hohe dreistellige Zahl an
Akten wegen Rechtsverletzungen durch die Medien anlegen müssen. Die
rechtswidrige Berichterstattung haben wir jedenfalls zu einem großen Teil
unterbinden können.
Warum?
Es ging vor allem um Falschberichterstattung, um Vor- und
Nachverurteilungen und um die Verletzung seiner Intimsphäre – durch
Informationen, die über sein Sexualleben verbreitet wurden, durch die
Veröffentlichung von Korrespondenz zu Gesundheitsthemen und vieles mehr.
Einiges kam durch Zeuginnen zustande, die vom Burda Verlag hohe Geldsummen
erhalten hatten und schon vor dem Prozess intime Details ausplauderten, die
mit dem Fall nichts zu tun hatten.
Es fragt sich dennoch, mit welcher grundsätzlichen Berechtigung Prominente,
die mit den Medien umgehen und durch sie Karriere gemacht haben, eine
Beschränkung der Berichterstattung fordern, wenn ihnen die Inhalte nicht
passen …
Grundsätzlich geht es immer um den Konflikt zwischen der Pressefreiheit auf
der einen Seite und der Menschenwürde beziehungsweise dem
Persönlichkeitsrecht auf der anderen. Beide Seiten sind natürliche Feinde.
Es muss zwischen ihnen Waffengleichheit herrschen. Verteidiger der
Pressefreiheit gibt es schon genug. Wir wollen den Freiheitsraum unserer
Mandanten erhalten und schützen.
Wie schätzen Sie denn die Veröffentlichung der Affäre Horst Seehofers in
der Bunten ein? Immerhin ging es um den Spitzenpolitiker einer Partei, die
traditionelle Familienwerte propagiert.
Schönes Beispiel: Seehofer wird in seinem Persönlichkeitsrecht beschränkt,
wenn über seine Affäre berichtet wird. Es ist ein Eingriff. Aber ist er
gerechtfertigt? Das hängt vom Vorleben ab. Wer sein Privatleben schon
vorher öffentlich macht, der muss auch später unangenehme Berichterstattung
dulden. Man müsste also die Archive nach freiwilligen privaten
Selbstveröffentlichungen Seehofers durchsuchen, um zu wissen, was er sich
gefallen lassen muss.
Und im Fall von Alice Schwarzer? Sie haben die Berichterstattung
kritisiert.
Ich fühle mich zwar unwohl in der Rolle, Partei für Alice Schwarzer zu
ergreifen, denn sie hat versucht, mich im Rahmen des Kachelmann-Falls auf
einer persönlichen Ebene anzugreifen, und sie hat die Rechte meines
Mandanten in zum Teil abscheulichster Weise verletzt. Vieles davon habe ich
ihr gerichtlich verbieten lassen. Aber: Auch ihr Auftreten in der
Öffentlichkeit als moralische Instanz rechtfertigt nicht, über ihre
fehlende Steuerehrlichkeit zu berichten. Denn sie hat sich ja immerhin nie
öffentlich als Steuermoralistin aufgespielt. So wie es aussieht, war ihre
Selbstanzeige zudem strafbefreiend. Und ihre Steuerakte dürfte auf
strafbare Weise an die Medien durchgestochen worden sein.
Ob sie wirklich straffrei ausgeht, ist ja noch nicht klar. Unter welchen
Umständen dürfte man denn über einen „Fall Schwarzer“ berichten?
Wenn sie unter dem Verdacht stünde, eine Frau vergewaltigt zu haben – dann
wäre das sicher ein Thema.
Und was sagen Sie zu Schwarzers Medienschelte?
Die war blödsinnig. Sie musste ihr Geld in die Schweiz bringen, weil – wie
die Titanic satirisch geschrieben hat – „man schon einmal in Deutschland
Jagd auf superreiche dicke Medientanten gemacht hat“. Das ist doch
lachhaft. Sie hat versucht, sich auf absurde Weise moralisch zu
rechtfertigen. Damit hat sie erst ein berechtigtes Medieninteresse
geschaffen und die Berichte selbst legitimiert. So viel auch noch mal zu
Ihrer Frage von vorhin, weshalb selbst Medienprofis in der Krise
Medienberater brauchen: Weil sie es allein eben nicht können.
Wird dann falsche Berichterstattung angemessen geahndet?
Ich würde mir wünschen, dass bei Verstößen die Schmerzensgeldbeträge erhö…
werden. Im Moment ist es noch relativ ungefährlich, rechtswidrig zu
berichten. Bei Bild wurde eine Mutter von Zwillingen fälschlich als
„Samenräuberin“, die den Vater hereingelegt habe, diffamiert – in mehrer…
Folgen und mit Fotos. Die Kinder haben vom Springer-Verlag jeweils 5.000
Euro als Entschädigung erhalten – solche Summen haben keine abschreckende
Wirkung. (Update: Das Oberlandesgericht Köln hat die Verurteilung zu diesen
Geldentschädigungen inzwischen aufgehoben)
18 May 2014
## AUTOREN
Wilfried Urbe
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