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# taz.de -- Professor über Kachelmann-Prozess: "Alles ist relevant"
> Jörg Kachelmann bekommt Recht: Einige Medien haben zu detailliert über
> seinen Prozess berichtet. Das Urteil kann sich aber noch ändern, erklärt
> Volker Boehme-Neßler.
Bild: Moderator Jörg Kachelmann und die Medien: "Teile der Akte, die nicht von…
taz: Herr Boehme-Neßler, das Oberlandesgericht Köln hat beschlossen, dass
die von der Presse veröffentlichten Details zu dem Vergewaltigungsprozess
gegen Kachelmann in keinem Zusammenhang mit dem konkreten Tatvorwurf
stehen. Wenn diese Einzelheiten nicht relevant sind, warum wurden sie dann
überhaupt vor Gericht vorgetragen?
Volker Boehme-Neßler: Ich bezweifle, dass die Details nicht relevant waren,
und bin mir nicht sicher, ob das Oberlandesgericht das richtig gewertet
hat. Grundsätzlich gehört in der Hauptverhandlung alles auf den Tisch und
alles ist relevant. Aus diesem Gesamtbild ergibt sich dann das Urteil. Bei
Sexualstraftaten kann es auch um die Frage gehen, welche Sexualpraktiken
jemand ausübt, das kann eine Rolle spielen im Zusammenhang mit der
konkreten Tat. Deswegen war es völlig richtig, dass der Ermittlungsrichter
sich damit beschäftigt hat.
Was halten Sie von dem Urteil?
Einerseits finde ich das Urteil völlig richtig, auf der anderen Seite steht
eine gefährliche Begründung im Urteil, über die man streiten muss. Im
Ermittlungsverfahren sind schon intime Details veröffentlicht worden. Das
ist unzulässig. Hier gilt die Unschuldsvermutung. Das haben manche Medien
nicht beachtet, was nicht in Ordnung ist. Die Presse hätte die
Ermittlungsakte gar nicht sehen dürfen. Die Begründung des Gerichts halte
ich jedoch für falsch und gefährlich. Es heißt, nicht alles, was in der
öffentlichen Hauptverhandlung vorgetragen worden ist, darf auch
veröffentlicht werden.
Wie sind die Informationen dann an die Presse gekommen?
Derartige Details können nur über bestimmte Personen an die Presse kommen.
In Frage kommen der Beschuldigte und sein Anwalt, die Staatsanwälte, die
Richter oder die Polizei. Rein theoretisch kann es auch eine Schreibkraft
gewesen sein. Eine dieser Personen muss die Ermittlungsakte an die Presse
weitergegeben haben. Bei einigen Informationen, die über den
Kachelmann-Prozess zu lesen waren, war klar, dass sie von der Seite der
Verteidigung gekommen sein müssen, um sein Image zu verbessern. Die Anwälte
dürfen das, die Staatsanwälte nicht. Die Teile der Akte, die nicht von den
Anwälten von Kachelmann kamen, sind illegal an die Öffentlichkeit gelangt.
Was bedeutet das Wort "Öffentlichkeit" in der Justiz?
Die Hauptverhandlung ist deswegen öffentlich, weil Urteile in unserer
demokratischen Justiz im Namen des Volkes verkündet werden. Das Volk muss
jederzeit sehen können, was seine Justiz macht. Öffentlich heißt auch, dass
die Presse darüber schreiben darf. In speziellen Fällen darf das Gericht
die Öffentlichkeit ausschließen, um Persönlichkeitsrechte zu schützen. Das
muss sich das Gericht vorher überlegen.
Wer profitiert letztendlich von dem Urteil gegen die Medien?
Die Presseorgane, die hemmungslos aus der Ermittlungsakte veröffentlicht
haben, haben eins auf die Finger gekriegt. Das ist rechtlich in Ordnung.
Falsch ist, dass alle anderen Journalisten, die aus der öffentlichen
Hauptverhandlung berichten, auch betroffen sind.
Was bedeutet das für die Gerichtsberichterstattung?
Jeder Journalist müsste überlegen, was er von dem, was er in einem
öffentlichen Prozess gehört hat, schreiben darf und was nicht. Das kann man
nicht verlangen. Das wäre auch ganz eindeutig ein Eingriff in die
Pressefreiheit. Ich bin mir sicher, dass die Medien in Revision gehen und
das Urteil vom Bundesgerichtshof geändert wird.
16 Feb 2012
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Promis
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