Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Machtwechsel in Indien: Die multipolare Welt
> Der Sieg in Indien markiert eine neue Etappe der Weltpolitik: Die
> Dominanz des Westens ist vorbei, doch die Menschheitsziele gehen
> verloren.
Bild: Der Wahlsieger von der hindu-nationalistischen Partei BJP: Narendra Modi
Der Erdrutschsieg der rechtsnationalistischen BJP in Indien läutet nicht
nur für das zweitgrößte Land der Erde eine neue, spannende Epoche ein. Er
markiert auch eine neue, beunruhigende Etappe auf dem Weg der Weltpolitik
des 21. Jahrhunderts: ein Weg der rivalisierenden Nationalismen.
„India Rising“, das aufstrebende Indien, steht jetzt neben „China Rising�…
und „Africa Rising“ sowie dem aggressiven Nationalismus in Russland. Die
großen Machtblöcke der Welt stellen sich neu und selbstbewusst auf.
Ihre Botschaft: Die Dominanz des Westens ist vorbei. Das ist die politische
Dimension der Machtverschiebungen, die in der Weltwirtschaft schon seit
einiger Zeit im Gange sind. Europa und die USA sind nicht mehr die
wichtigsten Akteure der Erde.
So renken sich die globalen Ungleichgewichte, die der Siegeszug der
europäischen imperialen Eroberung des Globus vor Jahrhunderten einläutete,
allmählich wieder ein. Indien und China melden sich auf der Weltbühne nicht
neu an, sondern sie reklamieren ihre alten Plätze. Weltregionen wie Afrika
und Lateinamerika, die von europäischer Herrschaft viel stärker geprägt
sind, eifern ihnen nach.
Das wäre zu begrüßen, wenn es allein um die Korrektur historischer
Ungleichheiten ginge. Aber bieten die neuen aufstrebenden Mächte mit ihrer
Infragestellung westlicher Werte wirklich eine attraktive Alternative? Ist
es nicht eher ein rückwärtsgewandtes Denken, das sich dort breitmacht?
Als vor 25 Jahren der Kalte Krieg zu Ende ging, machte in Europa das
Schlagwort der „multipolaren Weltordnung“ die Runde. Die Hoffnung war, dass
auf die Ost-West-Blockkonfrontation eine Ära der regelgeleiteten, auf
gemeinsame Menschheitsziele ausgerichteten internationalen Kooperation
folgen möge. Sie erwies sich als trügerisch. Es folgten stattdessen blutige
ethnische Konflikte und ab 2001 das Auftrumpfen der USA.
Jetzt kehrt die multipolare Welt zurück, aber sie ist kein Hoffnungsträger
mehr. Ihre Protagonisten haben keine gemeinsamen Ziele, sondern
rivalisierende Interessen. Ihnen geht es nicht um die Zukunft der
Menschheit, sondern um die eigene Macht. Nach innen stehen sie nicht für
Emanzipation, sondern für Gehorsam.
## Eine gefährliche Konfrontation
Nur in der EU und in Barack Obamas USA herrscht heute noch die Illusion,
man könne durch Verzicht auf eigene Machtansprüche auch andere besänftigen.
Wladimir Putin macht gerade in der Ukraine vor, was er davon hält. China
und seine Nachbarn rund um das Südchinesische Meer schlittern auf eine
brandgefährliche Konfrontation zu.
Eine hindu-nationalistische Regierung Modi in Indien könnte an den Fronten
Kaschmir und Afghanistan Funken schlagen, die weltpolitisch nicht weniger
explosiv sind. Ganz zu schweigen davon, was es bedeutet, wenn die Mehrheit
der Weltbevölkerung unter Regimen lebt, die die Unterordnung des Volkes
unter den Machtanspruch der Nation zur Staatsdoktrin erheben.
In Europa ist dieses reaktionäre Denken eine Domäne der Rechtspopulisten,
die Putin und Modi zujubeln. Diejenigen, die für europäische Werte stehen,
müssen darauf eine Antwort finden. Aber dafür müssen sie erst einmal
begreifen, dass sie nicht mehr der Nabel der Welt sind.
18 May 2014
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Indien
Narendra Modi
Wahlen in Indien
BJP
Indien
Schwerpunkt Afghanistan
Pakistan
Wladimir Putin
Narendra Modi
Indien
Indien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nationalismus in Indien: Ohne Hymne kein Kinovergnügen
Kinobesucher_innen sollen der Nationalhymne stehend lauschen. Die
Verweigerung hat mittlerweile zu zwölf Festnahmen geführt.
Sikhs und Hindus in Afghanistan: Verfolgt und diskriminiert
Einst waren sie fester Bestandteil der afghanischen Gesellschaft. Doch
langjährige Schikanen zeigen Wirkung.
Regierungsbildung in Indien: Modi macht auf Effizienz
Der neue Premier Narendra Modi überrascht bei seiner Vereidigung mit der
Präsenz seines Amtskollegen aus Pakistan. Ein außenpolitischer Coup.
Putins Staatsbesuch in China: Zappeln vor dem Megadeal
Russlands Präsident sucht die Nähe zu China. Doch so ganz spielt der
Gastgeber nicht mit. Eine Einigung beim Gasabkommen bleibt aus.
Kommentar Wahlen in Indien: Hoffen auf rechts
Der offen islamophobe Narendra Modi hat gewonnen, weil sich seine Wähler
mehr Wohlstand versprechen. Sie könnten enttäuscht werden.
Wahlergebnis in Indien: Modi macht's
Überwältigender Wahlsieg für die hindu-nationalistische BJP in Indien. Die
regierende Kongresspartei verliert drei Viertel ihrer Sitze.
Hindu-Nationalist Narendra Modi: Ein Mann der Straßen
Narendra Modi kommt von ganz rechts. Manche nennen ihn einen Faschisten.
Bald schon dürfte der nationalistische Hindu Indien regieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.