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# taz.de -- Die Wahrheit: Fossil-Rocker on tour
> Euro-Urne (6): Heute erklärt uns Leo Fischer, warum er niemals die Linke
> wählen würde.
Fan der Linkspartei zu sein, das hat immer etwas leicht Peinliches –
ähnlich dem Geständnis, die Rolling Stones gut zu finden, Pink Floyd oder
irgendeine vergleichbar fossilierte Rock-Formation. Diese Band, die sich
jetzt „Die Linke“ nennt, hat eben zu viele Jahre angehäuft, zu viele
Gesichter ausgetauscht, Namen und Stil zu oft verändert. Da war die
Underground-Kombo „Gruppe Ulbricht“, die nur in kleinen Clubs spielte,
irgendwie gegen’s System, aber schon damals sehr ambitioniert.
Da waren die krassen Sounds der Stalinära mit ihren umstrittenen Live-Acts
( „The Wall“); später dann der extreme Mainstream der SED, als sie’s in …
Charts geschafft hatten. Dann brach die Band auseinander; einzelne
Mitglieder experimentierten mit Retro-Klängen (WASG, PDS), bis sich die
Künstler schließlich zu einer Revivaltournee aufrafften und seither in
wechselnden Besetzungen durch die Parlamente touren. Wo sie vorher
Hunderttausende zu ihren Konzerten rufen konnten, eröffnen sie jetzt
Supermärkte und Stadtteilfeste; wo sie früher tagelang ihre Show abziehen
konnten, müssen sie im Bundestag um Minuten feilschen. Und doch, der
Oldie-Charme macht sich bezahlt: Mittlerweile füllen sie die Plattenregale
im Bereich „Alternative (Opposition)“ praktisch alleine, da sich alle
anderen immer irgendwie fürs Mitregieren bereithalten.
Peinlich wird’s auch, wenn man sich die Fanbase anschaut – da hat man Irre,
die nur dabei sind, um bei irgendwelchen Anti-Israel-Kreuzfahrten mitreisen
zu können; Irre, die nur dabei sind, weil sie irgendwelchen abwegigen
Zinstheorien nachhängen oder gar meinen, den Marx’schen Wertbegriff
verstanden zu haben; und Irre, die glauben, die Irren in der Partei seien
eine Minderheit, die auch nicht größer sei als bei den anderen. Und
schließlich gibt es da noch die irren alten Herren von der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung, die sich alle zwei Wochen die Sahra Wagenknecht zum
Interview ins Haus holen, weil sie es einfach nicht fassen können, dass
sich eine schöne Frau für etwas anderes interessiert als fürs Geldverdienen
und -ausgeben.
Gäbe es sonst nichts, so wären wenigstens diese Interviews ein Grund, die
Linke zu wählen. Dieses herrliche Gemisch aus Inquisitorenehrgeiz,
verzweifeltem Missionarsgestell („Marktwirtschaft – ja oder nein, Frau
Wagenknecht?!“) und hochverdrucksten Flirt-Anwandlungen, das bringt nur die
Wagenknecht in den Leitartiklern hervor; und wie sie es schafft, die
Neurosen ihrer Interviewer zu bedienen und gleichzeitig ins Leere laufen zu
lassen, gehört schon zu den Kabinettstückchen des politischen Diskurses.
Hätte ich Geld, ich ließe drei blutjunge Doktoranden eine
historisch-kritische Ausgabe der Wagenknecht-Interviews herbeischaffen,
nebst einer Studie über die sexuelle Notdurft konservativer
Feuilletonisten. An der Peinlichkeit des Ganzen ändert dies natürlich gar
nichts.
Manchmal, leider nur manchmal, wendet diese Partei ihre Peinlichkeit ins
Positive. Dann sagt sie die Dinge, die sich die anderen nur denken, und
stellt Fragen, die allen auf die Nerven gehen. Man kann die
Parlamentsbeschlüsse der vergangenen Jahre betrachten, wie man will: Die
Linke war die einzige Partei, die sich konsequent aus allen großen
Schweinereien herausgehalten hat, und sei es nur, weil sie zu ihrer Zeit so
viele davon selbst angerichtet hat.
Die Linke ist das schmutzige kleine Familiengeheimnis der Berliner
Republik. Sie hat schon mal regiert, und zwar mit größeren Vollmachten, als
sie selbst die grotesk aufgeblähte Koalitionsmehrheit zusammenraffen
konnte, sie hat Millionen Eier für ein einziges Omelett zerbrochen und
schließlich aus purem Dünkel ein ganzes Land vor die Wand gefahren. Sie
hat, kurz und gut, alle Scheußlichkeiten schon begangen, von denen die
anderen nur träumen, und steht jetzt als der zynische böse Onkel mit der
finstren Vergangenheit allein auf der Familienfeier herum: Wer sich mit ihm
unterhält, riskiert, sich unmöglich zu machen.
Und wählen? Wählen musste man die Linke schon nicht, als sie SED hieß, und
man muss es auch heute nicht, um ihr zum Sieg zu verhelfen. Sie gewinnt
schon aus schierer Peinlichkeit.
23 May 2014
## AUTOREN
Leo Fischer
## TAGS
Europawahl 2014
Die Linke
Sahra Wagenknecht
Schwerpunkt AfD
Wasser
DB
Rolling Stones
Hund
Schwerpunkt Angela Merkel
Flugzeug
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