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# taz.de -- Die Wahrheit: Erretter der Untoten (2)
> Heute zum Thema Branding: Wie sich Bernd Lucke einmal einen Hund
> anschaffte.
Bild: Nichts menschelt mehr, als etwas Nichtmenschliches an sich zu binden. Das…
Es muss an einem besonders dunklen Tag im Jahr 1962 gewesen sein, als sich
drei böse Feen namens Gemeinheit, Stumpfsinn und Selbstgerechtigkeit in
einem finstren Moor zusammenfanden, ihre Zauberstäbe kreuzten und aus ihrer
amalgamierten Bosheit einen Kleingeist namens Bernd Lucke schufen; eine
schwarze, seelenlose Kreatur, die sich, halb lebendig nur, aus dem Morast,
aus Schlick und Rotz und Eiter schälte; und es muss an einem gleichermaßen
schwarzen Tag des vergangenen Jahres, des Jahres 2013 also gewesen sein,
dass der Familienvater, Wirtschaftswissenschaftler und Politinstallateur
Bernd Lucke sich mit seinen PR-Beratern zusammensetzte, um abzuklären, wie
man der Marke Bernd Lucke via human branding noch etwas Menschliches
verleihen könne, wie man dem phänomenalen Aufschwung, den die „Alternative
für Deutschland“ in diesen Tagen erlebte, durch möglichst unverfrorene
Menschelei den letzten, den entscheidenden Kick geben könne.
„Wie“, so schrie Fürst Lucke, „bin ich denn nicht Mensch genug? Habe ich
nicht fünf Kinder, habe ich nicht einen Jägerzaun? Singe ich nicht im
Kirchenchor, stecke ich nicht dem Postboten gelegentlich Geld zu, wenn er
die neutral verpackten Pakete an meiner Frau vorbeischmuggelt? Wer im Land
ist denn menschlicher als ich?“ – „Herr Lucke“, sagte der größte und
korrupteste seiner Berater, „ihr seid der Menschlichste hier, doch Ursula
von der Leyen ist noch viel, viel menschlicher als ihr!“ Da sprang Bernd
Lucke, einem wildgewordenen Teufel gleich, durchs Zimmer und stampfte mit
dem Fuß auf, denn natürlich hatte Ursula von der Leyen von allem mehr,
nämlich sieben Kinder, einen Oberförsterzaun und eine eigene Hauskapelle,
darin ihre Untaten zu beichten, und ihr Ruhm als Konservative mit
menschlichem Antlitz glänzte weithin und -her.
Da erhob der kleinste seiner Berater die Stimme: „Herr Lucke, nichts macht
menschlicher, als etwas Nichtmenschliches an sich zu binden und es gleich
wie einen Menschen zu behandeln. Habt Ihr schon einmal überlegt, ein
Haustier anzuschaffen?“ – Da lachte Bernd Lucke böse auf: „Ha! Einen gan…
Zoo besitze ich! Ich habe Hamster, Meerschweinchen und Wellensittiche, in
meinem Palast tummeln sich Kaninchen und Schildkröten, weiße Pfauen,
Goldfische und Miezekatzen singen mich jede Nacht in den Schlaf.“ – „Doch
habt ihr, Herr“, fragte der Berater, „einen Hund?“
Da sprang Lucke noch einmal wie ein Dämon durchs Zimmer und tobte, denn
natürlich hatten ihm seine Kinder die Frage, wann sich die Familie denn
endlich einen Hund anschaffe, schon oft gestellt; aber aus schierer
Fiesheit und um die Kinder traurig zu machen, hatte Lucke immer wieder
abgelehnt. Doch nun, da es galt, der Konservativste im ganzen Land zu
werden, musste Bernd Lucke über seinen tiefschwarzen Schatten springen, und
er fuhr mit seinen Beratern zum Hundezwinger, um sofort losshoppen zu
können.
Nur einen Tag später sah man Bernd Lucke stolz seine neueste Anschaffung
durch Winsen an der Luhe paradieren: einen reinrassigen, treudeutschen
Schäferhund namens Astrid, den er an einer eisernen Kette hinter sich
herzog. Wie jeden Tag machte Bernd Lucke Besuch beim örtlichen NPD-Büro, um
sich gegen rechts abzugrenzen. „Guten Tag, Herr Pastörs“, rief er ins
Parteibüro, „ich kam eben zu einem Plausch vorbei, und um Ihnen
mitzuteilen, dass ich mich in aller Form von vielen ihrer Positionen
distanzieren möchte!“ Doch seltsam: Lucke konnte schreien, wie er wollte,
Herr Pastörs kam nicht aus seinem Hexenhaus heraus.
Wenig später ging Bernd Lucke an der Europäischen Zentralbank vorbei.
„Guten Tag, Herr Draghi“, rief er den Turm hinauf, „ich kam eben zu einem
Plausch vorbei, und um Ihnen mitzuteilen, dass der Euro keine heilige Kuh
ist, sondern ein fiskalpolitischer Irrweg!“ Doch Draghi ließ sein Haar
nicht herunter, und auch sonst wollte keiner mit ihm reden.
Da ging Bernd Lucke zu einer weisen Hühnerfrau um Rat fragen. Die
Hühnerfrau aber öffnete seine Brustklappe und zeigte auf sein Herz: Dort,
wo einst nur ein schwarzer Klumpen Moorerde gewesen, war nun ein Funkeln
und Leuchten: Der treue Hund hatte ihm seine Seele geschenkt! Die
Hühnerfrau lachte: „Hast du dir nicht einen Hund angeschafft, um menschlich
zu werden? Mit Menschen aber geben sich die anderen Unmenschen nicht ab.“
Da schrie Bernd Lucke auf vor Gram und lief ins Moor, aus dem er gekommen
war. Sein treuer Hund aber folgte ihm nach. Noch heute, so erzählen die
Winsener, kann man die beiden in dunklen Raunächten zusammen heulen hören.
16 May 2014
## AUTOREN
Leo Fischer
## TAGS
Hund
Bernd Lucke
Wasser
DB
Europawahl 2014
Schwerpunkt Angela Merkel
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