# taz.de -- AfD und FDP nach der Europawahl: Der Kampf ums Liberale | |
> Die AfD sieht sich nach der Wahl als „neue Volkspartei“ – und konkurrie… | |
> mit der FDP um den liberalen Platz im Parteiensystem. | |
Bild: Werden vorerst keine Freunde: AfD-Chef Bernd Lucke und FDP-Eurospitzenkan… | |
BERLIN taz | Am Dienstag wird Bernd Lucke nach Brüssel fahren. Noch am | |
gleichen Tag will er Gespräche über eine künftige Fraktion führen, mit den | |
britischen Tories und der Niederländischen Partei ChristenUnie. Es soll | |
jetzt schnell gehen, nach dem Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) | |
ins Europaparlament. Man sei ja eine „Partei mit Gestaltungswillen“. Es | |
soll beweisen, dass die AfD nicht nur Protestpartei ist: gegen den Euro, | |
gegen Brüssel, gegen Einwanderung. | |
Die sieben AfD-Abgeordneten, die nun nach Brüssel ziehen, versuchen auf | |
ihrer Pressekonferenz am Montag in Berlin daran ohnehin jeden Zweifel zu | |
zerstreuen. „Zum ersten Mal in der Geschichte des Europaparlaments“, tönt | |
der Ko-Spitzenkandidat der AfD, Hans-Olaf Henkel, ziehe mit seiner Partei | |
„Kompetenz“ nach Brüssel. Und Lucke ruft seine Partei erneut zur „neuen | |
Volkspartei“ aus. Eine reichlich hochmütige Deutung für eine | |
7-Prozent-Partei, die erstmals in ein Parlament einzieht. | |
Eher gedrückt geht es bei der FDP im Thomas-Dehler-Haus in Berlin zu. Gut 3 | |
Prozent ist kein Ergebnis, das man schönreden kann, noch nicht einmal die | |
wendige und wortgewandte FDP-Spitze. Parteichef Christian Lindner sagt, | |
dass die Europawahl in den Gremien „mit Enttäuschung bilanziert“ wurde. | |
Immerhin habe es der FDP-Kandidat für die Bürgermeisterwahl in Dessau in | |
die Stichwahl geschafft. Doch ein überzeugender Trost sind die Aussichten | |
der FDP in Dessau auch nicht. | |
Lindner steht die Rolle des scharfzüngigen, vorwärtsdrängenden Angreifers. | |
Aber die ist jetzt nicht gefragt. Es gilt eine Niederlage zu erklären. „Wir | |
hatten keinen Erfolg, aber wir haben Grundüberzeugungen“, sagt der | |
FDP-Chef. Das war früher auch mal anders. Lindners Deutung zielt in | |
Richtung AfD. Die, so der FDP-Chef, habe „ein Gesellschaftsbild aus der | |
Adenauer-Zeit“. Die FDP bleibe pro Euro, pro EU, unbeirrt. | |
## Zulauf aus allen Parteien | |
Ein Problem der Liberalen ist, dass sie in der Eurofrage gespaltener ist, | |
als es die Spitze wahrhaben will. Als sie vor zwei Jahren ihre Mitglieder | |
befragte, zeigte sich, dass 45 Prozent auf dem Kurs des FDP-Euroskeptikers | |
Frank Scheffler waren. Über die AfD redet man im liberalen Hauptquartier | |
eher ungern. „Unser Gegner ist die Große Koalition“, sagt Parteichef | |
Lindner. Das klingt, für eine 3-Prozent-Partei, auch etwas hochmütig. | |
Dabei hat die FDP gerade erneut Stimmen an die AfD verloren. Bereits zur | |
Bundestagswahl waren 430.000 FDP-Wähler zu den Eurokritikern gewandert. Zur | |
Europawahl waren es nun noch mal 60.000. Mehr Stimmen holte die AfD diesmal | |
aber noch von der Union (510.000), SPD (180.000) und Linkspartei (110.000). | |
„Aus allen Schichten“ erhalte die AfD heute Zulauf, frohlockt Lucke. Seiner | |
Partei verleiht er drei Attribute: „Freiheitlich, sozial, wertorientiert.“ | |
Offen bleibt, ob die AfD diese Werte mit Leben füllen kann. Als Lucke auf | |
der Wahlparty über den Euro sprach, über „Strukturanpassungsprogramme“ und | |
„fiskalische Solidität“, erlahmte die Stimmung merklich. Der Euro allein | |
dürfte auf Dauer die AfD-Anhänger nicht halten. | |
Für die AfD ist Brüssel nun ein entscheidender Ort geworden. Dort wird sich | |
zeigen, wie offen die Euroskeptiker nach rechts sind. Lucke will zwar ein | |
Bündnis mit den britischen Tories, doch ein Hintertürchen lässt er am | |
Montag offen – eine Fraktion mit der Ukip schließt er nicht mehr explizit | |
aus. In der AfD-Neufraktion sitzt mit Marcus Pretzell auch ein offener | |
Freund der britischen Rechtaußen und jüngsten Wahlsieger. Ein Bündnis mit | |
Ukip würde die AfD weiter nach rechts öffnen – und für Liberale in | |
Deutschland schwerer wählbar machen. | |
## Bestes Ergebnis in Sachsen | |
In der Partei schauen einige bereits noch weiter. Das Europa-Ergebnis sei | |
„ein Stück weit auch Protestwahl“, räumt AfD-Vize Alexander Gauland ein. | |
Entscheidender seien die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Thüringen und | |
Brandenburg. Gerade auf Sachsen richtet die AfD Hoffnungen: Mit 10,1 | |
Prozent holte sie hier am Sonntag das beste Landesergebnis. | |
Das Bundesland ist es auch, in dem die nächste Runde zwischen FDP und AfD | |
ausgetragen wird. Dort sitzt die FDP noch in der Landesregierung – es ist | |
die letzte Regierungsbeteiligung der FDP. Dort zu scheitern, wäre | |
schmerzhaft. Am Sonntag langte es in Sachsen nur zu 2,6 Prozent. Ein | |
Absturz – wie auch in vielen Städten zur Kommunalwahl. | |
Die Strategie der FDP heißt dennoch: durchhalten. Und hoffen, dass die AfD | |
irgendwann zerfällt. „Wir jagen der AfD nicht hinterher“, sagt Lindner. Die | |
FDP hält Kurs. Auch wenn das Schiff leck ist. | |
27 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Stefan Reinecke | |
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