# taz.de -- Festival Theater der Welt in Mannheim: Aufgehen in der Dienstleistu… | |
> „Super Premium Soft Double Vanilla Rich“ von Toshiki Okada erlebte seine | |
> Uraufführung in Mannheim. Nun gastiert das Stück in Berlin. | |
Bild: Voodoo vor dem Tiefkühlregal? Szene aus „Super Premium Soft Double Van… | |
Eine Eiswaffel. Existiert sie oder existiert sie nicht? Für die junge Frau, | |
die fast immer um Mitternacht in den hell erleuchteten Supermarkt kommt, | |
ist der Kauf existentiell, eine Errettung aus der Einsamkeit und der | |
Dunkelheit. Für die schüchterne Aushilfsverkäuferin ist die Zufriedenheit | |
der Kundin höchstes Ziel. | |
Und so verzweifeln beide, weil die Waffel nicht verkauft werden kann, denn | |
das Lesegerät der Kasse erkennt sie nicht, weil sie aus dem Sortiment | |
genommen wurde. Wie die eine vor Verlegenheit im Boden versinken möchte, | |
weil die Kasse nicht piept, und die andere von der Bedrohung ihres letzten | |
Glücks redet, ist einer der skurril-tragischen Höhepunkte in Toshiki Okadas | |
Stück „Super Premium Soft Double Vanilla Rich“. | |
Auf dem Festival Theater der Welt in Mannheim wurde die Farce, in der Sinn | |
und Glück des Lebens unvermeidbar an den Fluss der Waren gekoppelt sind, | |
uraufgeführt; am 28. und 29. Mai beendet sie in Berlin die Reihe „Japan | |
Syndrome - Kunst und Politik nach Fukushima“. Okada hatte zuvor zwei Stücke | |
produziert, die unmittelbar die Reaktorkatastrophe reflektierten. Im | |
Mikrokosmos des Supermarkts stand das jedoch erst mal nicht im Vordergrund, | |
wie der Regisseur aus Tokio im Publikumsgespräch in Mannheim erzählte. Und | |
dennoch spürt man ein Echo davon in dieser künstlichen und eingekapselten | |
Welt, die nichts außerhalb ihrer selbst wahrzunehmen scheint. | |
Irgendwann sagt die Aushilfsverkäuferin, „Ich trete zurück“ und nimmt dam… | |
in größter Bescheidenheit und größenwahnsinnig zugleich Verantwortung und | |
Schuld für die Unzufriedenheit der Kundin auf sich. Wie es dazu kommt, dass | |
die Falschen zurücktreten, dass die Geduckten und Chancenlosen sich die | |
Schuld aufbürden, damit nur ja alles weiterlaufen kann wie bisher, | |
entfaltet Okada in 48 kleinen Szenen, begleitet von den 48 Musikstücken von | |
Bachs „Wohltemperiertem Klavier“. | |
## Nur eine Karikatur? | |
Seine Schauspieler sind immer in Bewegung, begleiten ihre Sätze, ihr | |
Schweigen, oder auch einmal die Auflistung der Waren mit Übungen, die immer | |
nur markiert wirken, gebremst, verlangsamt. Ebenso wie die Musik verstärkt | |
dies den Eindruck des Artifiziellen. Einerseits glaubt man, in ein | |
Trainingslager zu blicken, einen Wettbwerb um das perfekteste Aufgehen der | |
eigenen Person in der Dienstleistung. Andererseits ist man sich nie sicher, | |
ob das alles nicht nur eine Karikatur der Realität ist. Seine Geschichten | |
auf parallelen Schienen von Musik, Text und Bewegung zu strukturieren, | |
macht Okadas Handschrift aus. | |
Fast immer sind seine Figuren nah an der Depression, Melancholie und einem | |
Stillstand gebaut, der eigentlich nicht mehr zu ertragen ist. In den | |
konstant neben einander herlaufenden Spuren erhält ihr Unvermögen, aus sich | |
herauszugehen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, eine Form, die | |
etwas zugleich Komisches und Berührendes hat. | |
Tokada tourt seit ein paar Jahren mit seinen Stücken in Europa und war | |
dabei auch schon mehrmals am Hau in Berlin zu Gast. Warum seine Charaktere | |
so blass seien, wurde er beim Publikumsgespräch gefragt. Das, sagte er, | |
frage nur ein europäisches Publikum. Trotzdem ist sein Stück mehr als der | |
Blick auf eine Kultur, in der die Einübung in strenge Hierarchien eben eine | |
größere Rolle spielt als hier. Denn das Verlangen nach dem flexiblen | |
Subjekt, das ständig an seiner Verbesserung arbeitet und zumindest mal ein | |
paar klangvolle Worthülsen dafür bereithält, wird auch hier geschürt. Da | |
kommt ein Stück, in dem die neue Eiswaffel „Super Premium Soft Double | |
Vanilla Rich“ Erwartungen weckt wie die Ankunft eines „Messias“, gerade | |
recht. | |
28 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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