Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ute und Werner Mahler-Werkschau: Die Würde der Randständigen
> Ute und Werner Mahler fotografierten das Leben in der DDR mit einem
> ungewöhnlich subjektiven Blick. Nach der Wende erfanden sie sich nochmal
> neu, wie eine Ausstellung in Hamburg zeigt.
Bild: Am Rand von Reykjavik: Adda aus der Serie „Monalisen der Vorstädte“ …
HAMBURG taz | Als die Fotografin Ute Mahler kurz vor ihrem dreißigsten
Geburtstag stand, war einer ihrer größten Wünsche, die DDR zu verlassen.
Zumindest vorübergehend. Mahler dachte, dass sich niemand in der weiten
Welt für ihre Ostbilder interessierte, und wollte da hin, wo die berühmten
Fotografen waren. Sie wollte nach Paris und brauchte zweierlei: einen Flug
und ein Visum des DDR-Kulturbundes. An den Flug kam sie, indem sie einen
Kölner Foto-Wettbewerb gewann. Für das Visum nervte sie wöchentlich die
DDR-Kulturfunktionäre. Im September 1979 durfte sie endlich reisen: nach
Paris, neun Tage lang.
Ute Mahler hatte sich viel vorgenommen für diese Reise, aber die Bilder,
die sie in Paris gemacht hat, sind langweilig. Einige sind derzeit in einer
Werkschau in den [1][Hamburger Deichtorhallen] zu sehen. Sie zeigen
Straßenszenen, Mauern, Zäune und Vögel. Paris „war anders, als ich mir es
vorgestellt hatte“, sagt Mahler. „Erwartet hatte ich die Idealstadt, die
ich aus Liedern, Filmen, Gemälden, Fotografien kannte, nicht die laute und
aggressive Wirklichkeit. Es war schwierig für mich, das einzuordnen – dabei
hat mir dann wiederum die Fotografie geholfen. Sie war ein Schutzschild für
meine enttäuschten Erwartungen.“
Für ihre künstlerische Entwicklung war dieser Schlag ins Wasser ein
Glücksfall. Ute Mahler machte nach der Paris-Reise da weiter, wo sie
aufgehört hatte: Weit entfernt von der westlichen Kultur-Schickeria und von
östlicher Staatskunst, arbeitete sie an ihrem eigenen fotografischen Stil.
Der besteht darin, vorgefundene Realität mit einem subjektivem Ansatz
festzuhalten. Ute Mahler macht – wie auch ihr Mann Werner –
Dokumentarfotografie mit einer unaufdringlich poetischen Bildsprache.
Ihre Schwerpunkte setzt Mahler mal erzählerisch, mal psychologisierend und
mal künstlerisch formalisierend. Thematisch interessiert sich Mahler für
Individuen im DDR-Alltag, für Milieus wie das des Zirkus Hein und für die
soziale Wirklichkeit von Obdachlosen, Häftlingen in Frauengefängnissen oder
Strip-TänzerInnen. Zugleich fotografierte sie Popmusiker, Politiker und
Mode – Letztere für die DDR-Zeitschrift Sibylle. Nach der Wende arbeitete
sie unter anderem für den Stern, gründete zusammen mit ihrem Mann die
Fotoagentur Ostkreuz und ist derzeit Professorin an der Hamburger
Hochschule für Angewandte Wissenschaft.
Ute Mahlers Mann Werner Mahler dokumentierte zu DDR-Zeiten die Arbeit im
Steinkohle-Bergwerk Martin Hoop, er begleitete die Fans des 1. FC Union
Berlin und machte wie seine Frau Modefotos für die Sibylle, ohne sich
wirklich für Mode zu interessieren. Es sind zum Teil kuriose Fotos, die
fragile Frauen in rauen Ostkulissen zeigen. Die Kleider, um die es ging,
gab es im Osten nicht zu kaufen.
## Spektakuläre Lichtverhältnisse
In den 1990er Jahren wandte sich Werner Mahler mit verstärkter technischer
Raffinesse der Landschaftsfotografie zu. Bei den Bildern in den
Deichtorhallen ist nicht immer einfach zu erkennen, wie die zum Teil
spektakulären Lichtverhältnisse zustande kamen. Mahler kann „stundenlang
sitzen und auf das richtige Licht warten“, wie er sagt.
Gemeinsame Arbeiten des Ehepaars Mahler gab es lange nicht, erst nach 36
Jahren Ehe taten sie sich zusammen. Für die Serie „Monalisen der Vorstädte�…
aus dem Jahr 2009 reisten Ute und Werner Mahler durch Europa, um junge
Frauen am Rand zum Erwachsensein an den Rändern europäischer Metropolen zu
fotografieren. Die Frauen sollten vor dem Hintergrund unwirtlicher
Stadtlandschaften den Gesichtsausdruck der Mona Lisa nachempfinden. Es ist
eine Serie, die von der Würde des Randständigen handelt.
Das Wohlwollen und die Zugewandtheit für Menschen, die nicht im Rampenlicht
der Gesellschaft stehen, zeigt sich bei vielen Arbeiten von Ute und Werner
Mahler. In ihrer Serie „Zusammenleben“ porträtierte Ute Mahler DDR-Bürger
in ihren Wohnungen: Da ist das junge Paar in Hochzeitskleidung, das die
eigenen vier Wände mit Verpackungen von Westprodukten wie Omo oder Nimm 2
beklebt hat. Oder das alte Ehepaar aus dem Dörfchen Berka, bei dem sich die
Karos seines Hemds auf der Tischdecke fortsetzen und die Blümchen ihrer
Schürze übergehen in das Muster der Vorhänge und Tapete. Es sind Fotos, die
vom kleinbürgerlichen Leben erzählen, ohne sich darüber zu erheben.
## Merkel mal interessant
Ute Mahlers Trick ist, die Räumlichkeiten der Menschen zu nutzen als
charakterisierendes Element. Das gelingt ihr auch bei ihren Promiporträts:
Da sitzt beispielsweise Sahra Wagenknecht 1996 auf einem Sofa, über ihr
befinden sich Bilder berühmter Männer. Einer davon ist Goethe, ein anderer
Lenin. Klar ist: An Ehrgeiz mangelt es dieser damals 37-Jährigen Frau
nicht.
Angela Merkel sitzt dagegen im Jahr 2000 vor einer leeren Wand, schaut an
der Kamera vorbei auf die Tischplatte und verschränkt die Finger zu einem
kleinen Schutzwall. Von einer Bundeskanzlerin ist diese mädchenhaft
schüchterne Frau weit entfernt. Ute Mahler hat gesehen, dass es genau das
ist, was die damalige CDU-Vorsitzende in diesem Moment interessant machte.
## ■ Bis 29. Juni 2014, Deichtorhallen, Hamburg
4 Jun 2014
## LINKS
[1] http://www.deichtorhallen.de
## AUTOREN
Klaus Irler
## TAGS
DDR
Fotografie
Fotografie
DDR
Fotografie
Fotografie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Südlich von Bremen: Trostlosigkeit im Nichts
Der Fotograf Jo Fischer hat das Städtchen Syke und seine Bewohner
porträtiert. Herausgekommen sind Impressionen trüb-nebulöser Tristesse
Der Chronist des DDR-Alltags: Hauswald bleibt Hauswald
Ohne die DDR wäre er vielleicht nur ein guter Fotograf geworden. Doch mit
der Mauer schärfte Harald Hauswald seine Wahrnehmung.
Reportagefotografie: Als den Bildern noch geglaubt wurde
Die Hamburger Ausstellung „Das engagierte Bild“ zeigt Reportagefotografien,
die in den 1960er- bis 1980er-Jahren in Zeitschriften veröffentlicht
wurden.
Guy Bourdin-Ausstellung in Hamburg: Verloren in Pink
Der Modefotograf Guy Bourdin hat in den 1970er und 1980er Jahren eine
Bildästhetik entwickelt, die noch heute anschlussfähig ist.
Fotografie: Eindringliche Landfrauengesichter
Einblicke in die Welt der Arbeit sind rar geworden. Die Ausstellung
„ort/zeit/los“ im Kunstverein Tiergarten zeigt die Ausnahmen.
Fotoausstellung in Hamburg: Die Welt dahinter
Es gibt weiche Töne im harten Straßenleben einer Großstadt. Zu sehen ist
das auf Fotos des New Yorker Fotografen Saul Leiter in den Hamburger
Deichtorhallen.
DDR-Fotografin Sibylle Bergemann gestorben: Objektiv poetisch
Die Fotografin Sibylle Bergemann ist in der Nacht zu Dienstag gestorben.
Ein Dokumentarfilm über ihr Leben startet nächste Woche im Kino.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.