# taz.de -- Brasiliens Fußballteam vor WM-Beginn: Die 5.000 Euro-Frage | |
> Vor dem WM-Beginn ist für das brasilianische Nationalteam zumindest | |
> Panama kein Problem. Trainer Felipe Scolari ist dennoch nervös, das Volk | |
> hin- und hergerissen. | |
Bild: Der Hulk beim Freundschaftspiel Brasilien gegen Panama: auch mit volle Ka… | |
RIO DE JANEIRO taz | Kurz vor dem Start der Fußballweltmeisterschaft trat | |
Brasilien zur Generalprobe an. Mit echter Mannschaft, echtem Stadion und | |
echten angekündigten Protesten. Wie lief’s denn so? Der Sambafaktor auf dem | |
Prüfstand: | |
Die Gegner | |
Der Winzling Panama sollte extra keine besondere Herausforderung für die | |
Seleção sein, damit sich die brasilianische Nationalmannschaft nicht noch | |
zusätzliche Probleme einhandelt. Die Stimmung im WM-Gastgeberland ist | |
grottenschlecht, auf dem Rasen ist Brasiliens Mannschaft dagegen ein | |
Topanwärter auf den WM-Titel. Da will man auch im Testlauf eine gute Figur | |
machen. In den brasilianischen Zeitungsredaktionen hatten die | |
Fußballhistoriker extra die Archive durchgekramt, um den Maßstab zu setzen: | |
Beim letzten Freundschaftsspiel gegen Panama im August 2001 gewann | |
Brasilien 5:0, beim vorletzten ebenfalls. Das war 1952. Und am Dienstag? | |
Gab es einen 4:0-Sieg. Na ja, immerhin. | |
Sambafaktor: Kann losgehen. | |
Das Spiel | |
War so langweilig wie das Ergebnis einseitig. Es gab ein paar hübsche | |
Szenen und einen Traumstart für die Seleção. Der 22-jährige Stürmerstar | |
Neymar, der bei dieser WM zur Werbeikone und Fußballlegende ausgebaut | |
werden soll, legte genauso los, wie er sollte, und lieferte in der 27. | |
Minute das erste Tor. Es fiel via Freistoß und war sehr schön. Dann folgten | |
noch andere: Daniel Alves, Halbzeit. Hulk, Willian. Abpfiff. | |
Sambafaktor: Routiniert. | |
Das Team | |
Ist nicht gerade jung, aber noch ziemlich WM-unerfahren. 17 der Spieler, | |
die für die brasilianische Auswahl an dem Turnier teilnehmen, waren noch | |
nie zuvor bei einer Weltmeisterschaft dabei. Gegen Panama durften Luiz | |
Gustavo von Wolfsburg und selbst Bayerns Verteidiger Dante von Beginn an | |
ran. | |
Sambafaktor: Deutschestmöglich. | |
Der Trainer | |
Heißt Luiz Felipe Scolari, ist 65 und wird langsam nervös. Der gern | |
miesepetrige Scolari, der in Brasilien nur Felipao genannt wird, wurde | |
eigentlich als abgezockter Ruhepol gebucht, ließ aber erst kurz vor dem | |
Test gegen Panama noch wissen, dass er mit den Leistungen seiner Leute gar | |
nicht einverstanden war. Alles schlecht, was er im Training sah, meinte er. | |
„Es gibt Tage, da bin ich ruhig und entspannt, aber es gibt auch Tage, da | |
laufen die Dinge nicht richtig, da kann ich nicht schlafen, da zermartert | |
man sich das Gehirn.“ Scolari hatte zuvor klargemacht, dass er wie schon | |
2002 wieder den Titel holen wird – und nun drohen ihm schon im Achtelfinale | |
mächtige Gegner wie Spanien oder Holland. | |
Sambafaktor: Zittrig. | |
Das Volk | |
Ist hin und hergerissen. Noch einen Tag vor dem Panama-Spiel schauten | |
allein 20.000 Zuschauer beim öffentlichen Training der Seleção zu. | |
Andererseits: Auf den Straßen motzen die Menschen überall über die WM in | |
Brasilien und die enormen gesellschaftlichen Kosten. Laut einer aktuellen | |
repräsentativen Umfrage finden es 51 Prozent richtig, dass die WM in | |
Brasilien stattfindet, 42 Prozent finden es falsch. Damit sinken die | |
Zustimmungswerte zur WM weiter. | |
Sambafaktor: 51 Prozent | |
Die Demos | |
Sind nach den Spielen gleich das zweitgrößte Medienevent Brasiliens. Zwar | |
ist die Dynamik längst passé, mit der hunderttausende BrasilianerInnen bei | |
Massenprotesten im Juni letzten Jahres den Confed Cup begleitet hatten – | |
aber auf jeder kleinen Demo in Rio de Janeiro turnen trotzdem dutzende | |
internationale Journalisten rum und warten auf Revolte. Auch zum | |
Panama-Spiel wurden Proteste angekündigt, dann hielten aber nur ein paar | |
Demonstranten vor dem Mannschaftshotel in Goiania Plakate hoch. In anderen | |
Großstädten ist dagegen mehr los: In Brasília ließen einige Aktivisten | |
demonstrativ die Luft aus aufgeblasenen Riesenfußbällen raus, in São Paulo | |
und Rio de Janeiro streiken zudem verschiedene Berufsgruppen. | |
Massenproteste sehen zwar anders aus – aber das kann sich bekanntlich | |
schnell ändern. | |
Sambafaktor: Unberechenbar. | |
Die Regierung | |
Könnte selbst auch ein paar Punktsiege gebrauchen. Präsidentin Dilma | |
Rousseff von der Arbeiterpartei PT verliert stetig an Zustimmung – und im | |
ganzen Land streiken Arbeitnehmergruppen pünktlich zur WM, weil sie | |
Lohnerhöhungen wollen. Nun hat Brasiliens Regierung zumindest der | |
Bundespolizei eine Steigerung des Gehalts in Höhe von 15,8 Prozent | |
angeboten. Dafür sollen die Polizisten während der WM aber auch arbeiten | |
gehen. | |
Schlagstockfaktor: Hoch. | |
Die Getränkefrage | |
Wasser oder Wein? Das ist die Leitfrage, über die sich zumindest die | |
Brasilianer momentan viele Gedanken machen: Nein, nein, wiegelt Giuseppe | |
Grill gegenüber der taz ab. Er wisse nichts von einem Besuch eines | |
hochrangigen Fifa-Funktionärs in seinem Gourmet-Restaurant, in dem es eine | |
Flasche Wein für umgerechnet 5.000 Euro zu bestellen gibt. Brasiliens | |
Tageszeitung O Globo hatte in einer Kolumne am Dienstag eine interessante | |
Szene geschildert. Demnach soll ein Kellner in dem Nobelladen in Rio de | |
Janeiros Edelviertel Leblon auf die Frage, ob mal jemand diesen teuren Wein | |
bestellt hat, gesagt haben: Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke. Es ist | |
unklar, ob das ein Witz oder die Wahrheit war. Ein Fifa-Manager, der sich | |
unter den gegebenen Bedingungen in Rio ein solches Tröpfchen gönnt, wäre | |
natürlich verwegen. | |
Sambafaktor: Total daneben. | |
4 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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