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# taz.de -- Nach Protest gegen rechten Ball in Wien: Prozess ohne echte Beweise
> Josef S. hat gegen den Akademikerball demonstriert. Für die Polizei ist
> er der Rädelsführer, trotz dürftiger Beweise. Jetzt steht er vor Gericht.
Bild: Demonstration gegen den Akademikerball vor der Wiener Hofburg im Januar.
WIEN taz | Am Freitag steht in Wien der 23-jährige Thüringer Josef S. vor
Gericht. Ihm werden Landfriedensbruch, schwere Körperverletzung und
Sachbeschädigung vorgeworfen. Diese Verbrechen, die mit bis zu drei Jahren
Haft bestraft werden können, soll er am 24. Januar bei einer Demonstration
gegen den rechten Akademikerball begangen haben. Josef S. wurde gemeinsam
mit 14 weiteren Demonstranten festgenommen. Alle anderen befanden sich aber
bald wieder auf freiem Fuß.
Unbestritten ist, dass vermummte Demonstranten in der Wiener Innenstadt
Schaufenster einschlugen und ein Polizeiauto beschädigten. Josef S. war mit
einer Gruppe von Freunden in einem Bus aus Leipzig eigens angereist, um
gegen das Stelldichein der europäischen Rechtsextremen in der Wiener
Hofburg zu protestieren.
Rund 6.000 Demonstranten standen 2.000 Polizisten gegenüber. Der Polizei
wird ein übertriebener Einsatz von Pfefferspray und die unnötig lange
Einkesselung der Protestierenden vorgehalten. Warum ausgerechnet der
Student aus Jena als gefährlicher Rädelsführer ausgemacht wurde, ist schwer
nachzuvollziehen.
Als ein Indiz gilt der Staatsanwaltschaft ein schwarzer Pullover mit der
Aufschrift „Boykott“. Seine Schwester Irma meint, mit seiner Statur von
1,95 Meter sei er auch eine auffällige Gestalt. Ein Belastungszeuge der
Polizei, der glaubte, den Angeklagten auf einer Tonaufnahme identifizieren
zu können, zog seine Aussage zurück.
## Immer mehr Merkwürdigkeiten
Die Anklage beruft sich außerdem auf ein Video, das den Angeklagten zeigt,
wie er einen Abfallbehälter aufstellt. Den soll er anschließend als
Wurfgeschoss verwendet haben. Auf dem Video könne man das, so die
Verteidigung, aber nicht sehen. Für die Jugendorganisation Die Falken aus
Jena, der der Angeklagte angehört, ist klar: „Es steht zu befürchten, dass
Josef als Sündenbock für die Eskalation der Proteste herhalten muss.“
Der Merkwürdigkeiten nicht genug: Üblicherweise werden Verdächtige nach der
Identitätsfeststellung bis zum Prozess freigelassen. Der Haftrichter
verlängerte aber den Gewahrsam von Josef S. wegen Verdunklungsgefahr und
Tatbegehungsgefahr. „Dies erscheint absurd, wenn man bedenkt, dass der
nächste Akademikerball wahrscheinlich erst in einem Jahr stattfinden wird
und Josef noch nie auf einer Demonstration in Österreich aufgefallen ist“,
schreiben bekannte österreichische Intellektuelle in einem offenen Brief an
Justizminister Wolfgang Brandstetter: „Beim besten Willen können wir auch
nicht nachvollziehen, weshalb nach über zwei Monaten noch eine
Verdunklungsgefahr bestehen soll.“
Eine Anwältin aus Jena und ein Wiener Anwalt wollen die Argumentation der
Anklage zerpflücken und anhand von Videos nachweisen, wie wenig schlüssig
die Vorwürfe sind. Sowohl in Jena als auch in Wien haben sich
Solidaritätsgruppen gebildet. Ein Vertreter der Deutschen Botschaft und der
Generalsekretär von Amnesty International Österreich haben sich als
Prozessbeobachter angekündigt. Mit einem Urteil am ersten Tag wird wohl
nicht zu rechnen sein.
6 Jun 2014
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Akademikerball
Wien
Österreich
Rechtsextremismus
Josef S
Protest
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FPÖ
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