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# taz.de -- Ökonom über die Zinspolitik der EZB: „Die Sparideologie ist das…
> Die EZB-Entscheidungen zeigen für den Ökonomen Heiner Flassbeck: In
> Deutschland müssen Preise und Löhne steigen, damit Europa gesunden kann.
Bild: Casino? Wenn's mal so wäre. Stattdessen sparen alle nur.
taz: Herr Flassbeck, ist die EZB-Entscheidung, geparktes Geld mit einem
Strafzins zu belegen, das Ende des Kapitalismus?
Heiner Flassbeck: Nein, das ist ein Zeichen dafür, dass etwas grundlegend
schief läuft in der Eurozone – und zwar die deutsche Politik. Die drohende
Deflation ist Folge des deutschen Kostensenkungswahns: Alle müssen
wettbewerbsfähig werden, sagt Frau Merkel. Wenn die Kosten sinken, sinken
früher oder später auch die Preise. Und andererseits: Wenn alle sparen und
keiner investiert, sinken die Zinsen.
Also ist das auch eine Folge der Agenda 2010?
Natürlich.
In einigen Euroländern fallen die Preise, Investitionen und Wachstum
schwächeln, gleichzeitig springt der DAX erstmals über die 10.000 Punkte.
Kann der negative Einlagezins dagegen helfen?
Nein, wir haben in erster Linie ein Nachfrageproblem, kein Bankenproblem –
ersteres kann Herr Draghi nicht beseitigen: In einigen südeuropäischen
Ländern herrscht Depression, in anderen Rezession – und alle sparen.
Was soll Merkel denn tun?
Draghi hat es bisher leider nur verklausuliert gesagt: Wenn in einigen
Ländern die Anpassung durch sinkende Löhne und Preise erfolgt, müssen bei
uns Preise und Löhne viele Jahre lang deutlich stärker steigen als bislang
– sonst kann der Rest Europas nicht gesunden. Zudem: auch in Deutschland
sinken die Investitionen. Deutsche Unternehmen und der Staat müssen
Schulden machen, damit die überschüssigen Ersparnisse Verwendung finden und
die Konjunktur anspringt. Auch muss die Politik Druck auf die Arbeitgeber
ausüben, damit die Löhne steigen.
Das wäre ein Eingriff in die Tarifautonomie …
… da muss ich lachen: Wer hat denn unter Rot-Grün Druck ausgeübt, damit die
Löhne sinken?
Zurück zur EZB: Was heißt der Negativzins für den Bankkunden? Muss ich
künftig für mein Erspartes zahlen?
Nein. Niemand kann die Leute zwingen, Geld zur Bank zu tragen – das wäre
wirklich das Ende des Kapitalismus. Der Negativzins ist nur ein bisschen
Rumgefummel, das eigentliche Problem löst er nicht. Japan versucht seit 20
Jahren, gegen die Deflation anzugehen, aber gegen sinkende Löhne
funktioniert das nicht.
Auch am Leitzins wurde „rumgefummelt“ – er wurde dabei auf ein historisch
niedriges Niveau gesenkt. Investieren die Firmen jetzt mehr?
Sehr unwahrscheinlich. Die Zentralbank ist derzeit mit ihren Möglichkeiten
fast am Ende. Sie könnte noch wie die US-Notenbank Fed in großem Stil
Wertpapiere kaufen. Das bewirkt aber alles nicht mehr Investitionen: Eine
Firma, der es mangels Nachfrage schlecht geht, kauft auch bei noch so
niedrigen Zinsen keine neuen Maschinen.
Die Fed steigt gerade aus ihrer lockeren Geldpolitik aus.
Ich sehe eine Leitzinserhöhung frühestens in zwei, drei Jahren, die
US-Wirtschaft ist längst nicht über den Berg.
Die niedrigen Zinsen der EZB bergen auch Gefahren: Die Börsenkurse blähen,
Immobilien werden immer teurer. Was tun?
Vor Aktienblasen hat Draghi auch gewarnt: Sie sind Begleiterscheinung einer
Politik, die zulässt, dass die Banken in den Kasinos zocken, statt sie zu
zwingen, echte Investoren zu finden.
Sparkonten und Lebensversicherungen lohnen nicht mehr. Wo kann man noch
anlegen?
Für Staatsanleihen oder Fonds gibt es derzeit ein Prozent,
Immobilienbesitzer und Aktionäre sollten sich warm anziehen – irgendwann
kommt der Crash, dann ist das Geld futsch. Wer klagt, hat die
Marktwirtschaft nicht verstanden. Die EZB senkt die Zinsen, weil niemand
das Kapital haben will. Diese Sparideologie ist der Kern des Übels. Wer
sich verschulden soll, darüber kann man reden. Dass man Schulden braucht,
leugnen nur Ideologen. Die EZB will Wachstum auf Pump anregen. Lösen kann
das Problem aber nur die Politik.
6 Jun 2014
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
EZB
Leitzins
DAX
Tarifautonomie
Negativzins
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