| # taz.de -- Die Wahrheit: Welcome to Paradise | |
| > Zur Theologie des Schnitzels und warum gerade auf Speisekarten die | |
| > Sehnsucht nach Erlösung allgegenwärtig ist. | |
| Bild: Dudelt nachts krank vor sich hin, das Hirn. | |
| Bei einem Symposium über die Unsterblichkeit, das ich aus beruflichen | |
| Gründen besuchen durfte, erfuhr ich, dass nicht mal mehr die Kirche an die | |
| unsterbliche Seele glaubt. Ich war nur kurz verblüfft, sagte mir aber dann, | |
| ein Gott, der „Germany’s Next Topmodel“ zulässt, wird wohl selbst nicht | |
| daran glauben. Vor meinem inneren Auge sehe ich ihn weise den Kopf | |
| schütteln, sein weißer Bart flattert ein bisschen, und er murmelt betrübt: | |
| „Materialfehler.“ | |
| Natürlich war dann alles viel komplizierter und ist für Nicht-Theologen | |
| erst nach mehreren Unsterblichkeitsseminaren nachzuvollziehen. Ich glaube, | |
| es ging darum, dass Gott sich zu allem unmittelbar verhält und eine | |
| unsterbliche Seele deshalb nicht benötigt wird für die Ewigkeit, auch von | |
| Germanys Topmodellen nicht. Was nicht benötigt wird, kann man einsparen in | |
| unserer protestantisch durchrationalisierten Welt. | |
| Als nächstes erzählen sie mir noch, ER hätte gar keinen Bart. Derart | |
| sensibilisiert musste ich auf meinem eher weltlich gestalteten | |
| Pfingstausflug feststellen, dass die Erlösungssehnsucht in der Welt | |
| weitverbreitet ist. Wir passierten folgende Lokalitäten: | |
| Schnitzel-Paradies, Windbeutel-Paradies, Das kleine Paradies. Nicht mit | |
| uns. „Wer da rein geht, ist sowieso schon tot.“ Nicht einmal das Fahrradies | |
| konnte uns locken. | |
| Auf der weltlichen Seite warben der Windbeutel-König und der | |
| Windbeutel-Kaiser um unseren Appetit auf riesige Sahnebrötchen, aber durch | |
| Adelstitel sind wir auch nicht zu ködern. Allerdings gerieten wir mal | |
| versehentlich in ein Lokal, in dem selbst Currywurst im Windbeutel serviert | |
| wurde. Dort waren sie immerhin noch nicht weit genug, um das Ganze „Dialog | |
| von der Wurst mit dem Gebäck“ zu nennen. Vor der Tür warben sie für eine | |
| Frau namens „Heide Schnitzel“. Die muss ins Schnitzel-Paradies gewechselt | |
| haben, jedenfalls ist das Schild inzwischen verschwunden. | |
| Die Gespräche greifen auf den Speisekarten um sich, selbst einen Trialog | |
| kann man da finden, denn Dia heißt ja offenbar zwei. Vielleicht fehlt ein | |
| Gastro-Gott, der dem ganzen Gerede mal ein Ende macht. Als Kind erfand ich | |
| den Dialog von der Kokosflocke mit dem Johannisbeersaft, doch sie hatten | |
| nichts zu sagen, nicht einmal mir. Der Mann an meiner Seite löste dagegen | |
| früher Schokokekse in Orangenlimonade auf. Mehrfach. Während ich mich noch | |
| darüber lustig machte, wurde uns schon aufgetragen. Eine liebevoll | |
| gestaltete Landschaft breitete sich auf dem Teller aus. „Oh, Architektur | |
| vom Lachs“, murmelte der Liebste. | |
| Der Dialog zwischen Himmelsmacht und Adel dürfte in den nächsten Wochen | |
| zumindest metaphorisch nach Brasilien verlegt werden – König Fußball versus | |
| Göttliche Sportart mit sieben Buchstaben. Hysterie, Event-Getue und | |
| Deutschlandschminke überziehen bereits jetzt das Land mit einem widerlichen | |
| Schmierfilm. In jeder Fußgängerzone wird man auf Schwarzrotgold angebrüllt. | |
| Verpassen Sie nicht den Kauf eines Fan-Fußballs, eines Fan-Shirts und eines | |
| Fan-Rasierers. Wie ich hörte, hat Gott schon einen – weißer Bart war | |
| gestern. | |
| 10 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Fischer | |
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