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# taz.de -- Das Wetter: „Apokalyptische Ausmaße“
> Als die Warnung kam, schien noch die Sonne über Köln. Dann wüteteten die
> schwersten Gewitter seit Jahren. Und noch ist es nicht vorbei.
Bild: Das Unwetter über Soest in Nordrhein-Westfalen.
KÖLN taz | Franco Clemens weiß jetzt, wie ernst Unwetterwarnungen genommen
werden sollten. Als der Kölner Musiker in der Nacht nach Hause kam, lag ein
Baum auf dem Dach. Einsturzgefahr. Die Feuerwehr musste anrücken. Um 1.30
Uhr in der Früh kam sie mit 20 Mann. „Die Jungs waren klasse, die haben
super gearbeitet“, berichtet Clemens.
Dass sich über der Domstadt etwas zusammenbraute, hatte sich schon
frühzeitig angekündigt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte bereits am
Pfingstsonntag vor schwerem Gewitter mit Orkanböen, heftigem Regen und
Hagel. Doch Clemens wollte daran nicht glauben. „Wer verdient eigentlich
immer an den Unwetterwarnungen für Köln, die dann nicht eintreten“, schrieb
er noch am Montagmittag auf Facebook. Das war kurz vor Beginn der
Großkundgebung „Birlikte – Zusammenstehen“ im rechtsrheinischen Stadtteil
Mülheim.
Um 20.17 Uhr wurde das Solidaritätsfest vorzeitig beendet. Wolfgang
Niedecken hatte gerade sein zweites Lied gespielt, da ging die Moderatorin
Sandra Maischberger ans Mikrofon. „Ich habe den beschissensten Job heute
Abend“, sagte sie. „Wir müssen an dieser Stelle die Veranstaltung
abbrechen.“ Diese Worte hörte Franco Clemens im Backstage hinter der Bühne.
Dort betreute er Giusi Nicolini, die Bürgermeisterin von Lampedusa, die
fünf Minuten später hatte auftreten sollen. „Wir wollten es gar nicht
glauben“, sagt Clemens. Er war zunächst stinksauer. Schließlich habe zu
diesem Zeitpunkt das Wetter noch hervorragend ausgesehen.
Das änderte sich schnell. Die Entscheidung, die die Veranstalter getroffen
hatten, kam gerade rechtzeitig, damit die mehreren zehntausend Besucher
sich noch vor der herannahenden Gewitterfront in Sicherheit bringen
konnten. Innerhalb einer halben Stunde färbte sich der Himmel schwarz,
erhellt nur von heftigen Blitzen. Dann begann es wie aus Kübeln zu regnen.
Dicke Hagelkörner prasselten auf das geräumte Veranstaltungsgelände nieder.
Alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde vom Sturm weggefegt.
## 5.000 Noteinsätze
20.000 Blitze innerhalb von zwei Stunden und Sturmböen mit einer
Geschwindigkeit von bis 145 Stundenkilometern haben in Nordrhein-Westfalen
Schneisen der Verwüstung hinterlassen. „Das hatte apokalyptische Ausmaße“,
sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger am Dienstag in Düsseldorf. Das Unwetter
sei eines der schwersten der vergangenen 20 Jahre gewesen. Feuerwehr und
Polizei wurden zu 5.000 Einsätzen gerufen. „Wir müssen damit rechnen, dass
der Schaden insgesamt auf einen zweistelligen Millionenbetrag hinausläuft“,
sagte Jäger.
Wassermassen überschwemmten Straßen und überfluteten Keller. Der Sturm
deckte Dächer ab, entwurzelte unzählige Bäume und zerstörte Oberleitungen.
Sechs Menschen kamen ums Leben, 30 wurden schwer und 37 leicht verletzt. In
Köln wurde ein 52-jähriger Radfahrer von einem umstürzenden Baum
erschlagen. In Krefeld wurde ein 28-jähriger Radfahrer durch einen
Stromschlag getötet, nachdem ein Baum eine Stromleitung getroffen hatte. In
Düsseldorf starben zwei Männer und eine Frau, nachdem eine Pappel auf ein
Gartenhaus stürzte.
## Gesperrte Verkehrswege
In vielen Städten herrschte Chaos. So waren in Düsseldorf etliche Straßen
blockiert, Straßenbahnen und Busse fuhren nicht. „Wenn Großstädte von einem
solchen Unwetter getroffen werden, bricht alles zusammen“, sagte
Innenminister Jäger. Auch in anderen Teilen des Landes kam der öffentliche
Nahverkehr zum Erliegen. „Auf allen Straßenbahnlinien sind die
Oberleitungen beschädigt worden“, teilten die Essener Verkehrsbetriebe mit.
Die Bahnverbindungen im und durchs Ruhrgebiet lagen über Stunden still.
Fünf Strecken waren auch am Dienstagnachmittag noch gesperrt. „Leider
können aufgrund der Verkehrsbehinderungen keine Ersatzverkehre mit Bussen
eingerichtet werden“, teilte die Bahn mit. Autobahnen mussten ebenfalls
gesperrt werden. Allein auf die A 40 bei Mülheim an der Ruhr und die A 52
bei Essen sind nach Angaben des Landesbetriebs Straßenbau NRW 150 Bäume
gestürzt.
In mehreren Ruhrgebietsstädten bleiben wegen des Unwetters auch noch am
Mittwoch die Schulen geschlossen. „Da ein sicherer Schulweg nicht
gewährleistet werden kann, sollen die Schülerinnen und Schüler morgen zu
Hause bleiben“, teilte die Stadt Gelsenkirchen mit.
Der DWD warnt vor neuen schweren Gewittern. Erst ab Donnerstag sei mit
einer Entspannung zu rechnen.
10 Jun 2014
## AUTOREN
Pascal Beucker
Anja Krüger
## TAGS
Unwetter
Köln
Düsseldorf
Schwerpunkt Klimawandel
Hitzewelle
Kachelmann
Nordrhein-Westfalen
Hochwasser
Deiche
Großbritannien
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