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# taz.de -- Anti-Homosexuellen-Gesetz in Indien: Küssen gegen die Kolonialzeit
> In Indien hat der oberste Gerichtshof ein homophobes Gesetz als gültig
> bestätigt. Mit einem Kussvideo protestieren Homosexuelle dagegen.
Bild: Nur ein harmloser Kuss.
BERLIN/BANGALORE taz | „Das halten wir von Absatz 377“, heißt die kurze
Einführung in den kurzen Film. Die Menschen im Video protestieren gegen das
Gesetz, das homosexuellen Sex verbietet, mit Küssen. Männer küssen Männer,
Frauen küssen Frauen. Manchmal ist es ein flüchtiges Picken zwischen
Leuten, die sich offensichtlich nicht gut kennen, manchmal ein intensiver,
schlabberiger Kuss zwischen Partnern. Eine Frau reißt mitten im Kuss ihre
Augen auf. Schock? Überraschung? Freude?
Absatz 377 des indischen Strafgesetzbuches ist noch ein Relikt aus der
Kolonialzeit. Es stellt sexuelle Handlungen „gegen die Ordnung der Natur“
unter Strafe – eine altertümliche Umschreibung für homosexuelle Akte.
Regelmäßig wird der Paragraf zur Schikane von Homosexuellen angewandt. Im
Jahr 2009 urteilte ein Gericht in Delhi, dass er illegal sei, weil er
Grundrechte von Bürgern missachte. LGBT-Aktivisten feierten damals das
Urteil als historischen Fortschritt, doch im vergangenen Dezember kippte
der Oberste Gerichtshof Indiens das Urteil wieder.
„Wir hatten uns so über den Wandel hier gefreut“, sagt ein
Softwareingenieur aus Bangalore, der seit zehn Jahren offen schwul lebt.
„Und jetzt sind wir wieder so, wie uns die Briten hinterlassen haben:
Kriminelle vor dem Gesetz.“ Für viele aus der Mittel- und Oberschicht hat
sich mit den Urteilen am Lebensstil wenig geändert. Viele Eltern
akzeptieren so oder so die Homosexualität ihrer Kinder nicht, homosexuelle
Paare finden selten Wohnungen und Schwulenparties sind immer wieder Ziel
von Razzien.
Gewalt droht dagegen denjenigen, die ohnehin häufiger von der Polizei
schikaniert werden: Frauen, Männern und Transgender aus der Arbeiterklasse.
Kurz vor dem zweiten Urteil 2013 – also als Homosexualität noch
nichtkriminell war – wurden [1][ein Dutzend schwuler Männer] aus einer
kleinen Stadt nahe Bangalore von der Polizei verhaftet. „Ihr solltet auf
der Straße gesteinigt werden“, hätten die Polizisten im Verhör gerufen,
berichtete einer der Festgenommenen. „Wie viele wie du gibt es? Sag mir
ihre Namen.“
Das Kussvideo ist streng genommen kein Verstoß gegen Absatz 377, aber ein
Zeichen des Widerstands. Es ist in Bangalore entstanden, wo viele
ausländische Angestellte in viele IT-Firmen arbeiten und das als eines der
Zentren der indischen LGBT-Szene gilt. Hier findet regelmäßig die Gay Pride
statt, Restaurants und Kneipen tolerieren auch offensichtlich homosexuelle
Paare und es gibt mehrere Unterstützergruppen für Homosexuelle.
Und es gibt regelmäßig ein queeres Filmfestival. Die Küssenden sind
Besucher des diesjährigen Filmfestes, aufgenommen von der [2][Berliner
Filmemacherin Brindusa Nastasa]. „Als einzige europäische Regisseurin
wollte ich meine Unterstützung für queere Menschen in Indien zeigen“, sagt
sie. Sie habe die Besucher interviewen wollen, aber ihr seien keine
angemessenen Fragen eingefallen. Deshalb bat sie die Gefilmten, sich zu
küssen.
12 Jun 2014
## LINKS
[1] http://www.buzzfeed.com/lesterfeder/what-happened-when-india-decided-it-was…
[2] http://www.facebook.com/grapefruitproductions
## AUTOREN
Lalon Sander
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