# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Aldimilch als Ausbruch | |
> Das Aldi- und Wurst-Bekenntnis des schleswig-holsteinischen | |
> Umweltministers Habeck führt zur wichtigen Frage: Dürfen Grüne keine Ökos | |
> sein? | |
Bild: Mag Tiere, isst sie aber auch: Robert Habeck. | |
Mit seiner im Magazin zeo2 formulierten Erkenntnis, dass habituelles | |
„Öko“-sein in der Mehrheitsgesellschaft kein Rolemodel, sondern ein | |
„Stigma“ sei, hat sich Schleswig-Holsteins stellvertretender | |
Ministerpräsident Robert Habeck [1][für einen Grünen weit vorgewagt.] Wenn | |
er sagt, er kaufe Milch „auch bei Aldi“, dann geht das tiefer als der seit | |
dem Veggie-Day- und Steuerdebakel übliche Parteisprech, dass man niemand | |
etwas vorschreiben wolle. | |
Habeck will vorschreiben, aber Schluss machen mit den blockierenden | |
Kinkerlitzchen. Er wollte die Gesellschaft nie von der Oppositionskanzel | |
herunter erziehen wie die 8,4-Prozent-Strategen. Als Umwelt-, | |
Landwirtschafts-, Deichbau- und Energiewendeminister kann er die Realität | |
nun noch schlechter ignorieren. Da steht er dann mit den Leuten rum und | |
merkt genau, was sie denken: „Oh, Gott, ein Grüner, der isst bestimmt keine | |
Bratwurst und will, dass wir auch keine Bratwurst mehr essen. Mist.“ | |
Dann isst er eine Bratwurst mit ihnen und dann verschwinden ihre | |
Bessermensch-Projektionen und Vorschreibe- und Verzichtängste. Und dann | |
wählen sie ihn, damit er die Energiewende umsetzt. So denkt er sich das? | |
Die eine Frage lautet also: Dürfen Grüne keine Ökos sein, um Ökopolitik | |
machen zu können? | |
Wir befinden uns in einer hybriden gesellschaftlichen Situation. Rad fahren | |
wird zunehmend als Gewinn verstanden und gefühlt – und nicht mehr als | |
Degradierung. Gute, fleischarme Ernährung auch. Gleichzeitig sitzt die | |
Sorge tief und wird auch geschürt, ökologische Moderne sei | |
lebenseinschränkende Freiheitsberaubung. In dieser Lage als Politiker auf | |
Moral zu setzen, wäre verantwortungslos. Es ist ja gerade die | |
selbstgenügsame abstrakte Moral, die lähmt und dazu die Luft verpestet. | |
Man muss auch zugeben, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz von Hans-Josef | |
Fell und Hermann Scheer mehr für die Energiemoderne gebracht hat als grüne | |
Lebensstilfolklore. In den Bereichen Energie, Verkehr und Landwirtschaft | |
sind es weniger die gesellschaftlichen Trends, die den Unterschied machen. | |
Es ist die Politik. In den Niederlanden fahren die Leute nicht Fahrrad, | |
weil sie Ökos sind, sondern weil die Infrastruktur stimmt. Und die | |
Deutschen waren nicht in der solaren Eigenstromproduktion vorn, weil sie | |
Ökos waren, sondern weil die Politik das unterstützte. | |
## Ökomoderen als Freiheitsversprechen | |
Was Habeck will, ist nicht Wurst essen und Aldimilch trinken, sondern das | |
starre Denken über Freiheit verändern. Das kann also nicht auf eine plumpe | |
FDP-Übernahmestrategie rauslaufen, sondern auf das Gegenteil. Unsere | |
Freiheit wird ja von anderen Dingen bedroht als von Fahrradwegen, sauberer | |
Energie und guter Ernährung. Habeck will die Ökomoderne als | |
Freiheitsversprechen diskutieren. | |
Und dennoch bin ich sicher, dass radikale Veränderung nicht allein | |
politisch organisiert werden kann, sondern von einer gelebten Klimakultur | |
einer Teilgesellschaft getragen werden muss –und von den Leitfiguren des | |
Wandels auch gelebt. Es ist einfach glaubwürdiger, wenn der | |
Oberbürgermeister von Tübingen einen Radweg einweiht und danach mit seinem | |
Dienstfahrrad weiterfährt statt mit der Limousine. Allerdings hassen ihn | |
selbst dafür dann wieder die Mental-Autofahrer. | |
15 Jun 2014 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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