| # taz.de -- Gelebte Inklusion: Das Supertrio | |
| > Der Bremer Film „Apostel & Partner“ wurde von Menschen mit und ohne | |
| > Behinderung gemacht. Entstanden ist ein schräger Krimi mit | |
| > eindrucksvollen Figuren. | |
| Bild: Die Detektive im inklusiven Krimi "Apostel & Partner": Jochen Lamprecht (… | |
| BREMEN taz | Jeder Mensch soll sich gleichberechtigt an allen | |
| gesellschaftlichen Prozessen beteiligen können. Das ist das Ziel der | |
| Initiativen für Inklusion und es gilt natürlich auch für künstlerische | |
| Arbeiten. Inzwischen gibt es Theatergruppen, Chöre und Bands, in denen | |
| Menschen mit und ohne körperliche Behinderungen und psychische Erkrankungen | |
| zusammenarbeiten. Und es gibt Filmteams: Der Bremer Spielfilm „Apostel & | |
| Partner“ ist streng nach inklusiven Prinzipien produziert worden. | |
| Der Dozent für Behindertenpädagogik und Medien, Jürgen J. Köster, macht | |
| schon seit den frühen 1980er-Jahren integrative Filmarbeit, zum Beispiel | |
| mit den Patienten einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dabei entstand eine | |
| Reihe von Kurz- und Dokumentarfilmen mit Titeln wie „Ich bin versengt | |
| ...?“, „Aufgetaucht“ oder „Ich küsse den Vermieter“. Sein Prinzip be… | |
| darin, dass Inhalt und Form der Filme von den Gruppen erarbeitet werden. | |
| Man kann Köster also kaum als „Autor“ oder „Regisseur“ bezeichnen, | |
| „Gesamtkoordinator“ ist da die passendere Bezeichnung. | |
| Für sein bisher ehrgeizigstes Projekt versammelte er eine Reihe von | |
| filmbegeisterten Laien um sich, die zuerst das Drehbuch entwickelten. | |
| Sieben AutorInnen haben drei Jahre lang daran geschrieben, darunter auch | |
| die drei späteren Hauptdarsteller Jochen Lamprecht, Isabel Gersiek und | |
| Oliver Kurschat. Sie konnten viel von ihren Erfahrungen mit psychischen | |
| Erkrankungen einfließen lassen, denn inklusiv ist nicht nur das | |
| Herstellungsprinzip, Inklusion ist auch das Thema des Films. | |
| In „Apostel & Partner“ wird eine Detektivgeschichte erzählt: Ein | |
| geheimnisvoller Fremder hat in seinem Testament die Protagonisten Anna, | |
| Nils-Peter und Johannes als seine Erben eingesetzt, allerdings unter der | |
| Bedingung, dass sie als Team den Skandal um ein Pflegeheim aufdecken. Es | |
| geht um einen Pharma-Konzern, der jeden Raum der Klinik mit Kameras | |
| überwachen und an den Patienten Medikamente ausprobieren lässt. | |
| Alle drei haben psychische Probleme wie Angstzustände, psychotische Schübe | |
| oder Spielsucht und können sich nicht denken, warum gerade sie für diese | |
| Aufgabe ausgesucht wurden. Doch im Laufe der Ermittlungen zeigt sich, dass | |
| sich gerade ihre speziellen Weltsichten als hilfreich erweisen. | |
| „Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute. Seht euch an, wohin uns | |
| die normalen gebracht haben.“ Dieses Zitat von Georg Bernard Shaw ist das | |
| Motto des Films, der zwar etwas holprig erzählt ist, was man bei sieben | |
| nicht professionellen AutorInnen auch kaum anders erwarten kann, aber durch | |
| den Krimiplot durchaus Dramatik entwickelt. | |
| ## Erstaunlich authentisch | |
| Viel wichtiger als der Plot ist, dass die Darsteller sich spielerisch mit | |
| ihren Schwächen und Problemen auseinandersetzen. Sie wirken erstaunlich | |
| authentisch, obwohl man natürlich bei jeder Einstellung merkt, dass sie | |
| keine professionellen Schauspieler sind: Isabel Gersiek hat lange in einer | |
| Flugschule gearbeitet und dann Angststörungen entwickelt. Im Film trägt sie | |
| ständig eine Pilotenkappe mit Mikro und einer ihrer großen Auftritte ist | |
| eine Panikattacke. Jochen Lamprecht wiederum leidet unter Psychosen und | |
| spielt einen Mann, der sich für einen Apostel hält. Ständig erkennen ihn | |
| Leute als einen Zuhälter, doch er hat keinerlei Erinnerung an sein früheres | |
| Leben. | |
| Man merkt, wie viel Mühe in die Ausformung der Figuren geflossen ist und | |
| dass die Darsteller nur wenig schauspielern müssen, um ihre Figuren | |
| lebendig wirken zu lassen. Ein schönes Beispiel für diese Methode ist | |
| Burhan Sözer, der einen immer finster dreinblickenden Mafioso spielt. Im | |
| „Making of“ des Films mit dem programmatischen Titel „Meine, Deine, Unsere | |
| Welt!“ erzählt er, dass er oft mit einer depressiven Stimmung zu den | |
| Dreharbeiten kam und sich selber so überhaupt nicht mochte. Aber für die | |
| Rolle waren seine bösen Blicke perfekt. | |
| Auch bei den Nebenrollen ein paar ironische Spiegelungen. So beschatten | |
| zwei Blinde die Helden und die Pfleger im Heim werden deutlich erkennbar | |
| von Patienten gespielt. | |
| Wichtiger als die erzählerische Plausibilität war dem Team, dass jeder | |
| Mitspieler sich in seiner Rolle ausleben konnte. Wenn einer von ihnen etwas | |
| nicht spielen wollte oder konnte, wurde oft noch am Set die Szene geändert | |
| und wenn ein Mitspieler so aufgeregt war, dass er den Text vergessen hatte, | |
| wurde nicht, wie sonst üblich, solange wiederholt, bis die Szene im Kasten | |
| war, sondern man drehte etwas anderes. | |
| ## So vielfältig wie möglich | |
| Die Besetzung ist so vielfältig wie möglich. Eine der Hauptpersonen spricht | |
| mit einem schweren französischen Akzent, eine andere hat sichtbar | |
| asiatische Wurzeln. Beides muss nicht umständlich erklärt werden, sondern | |
| wird als selbstverständlich präsentiert. Und es gibt einen kleinen, dafür | |
| aber sehr ironischen Auftritt von Peter Behrens, dem Schlagzeuger der Band | |
| Trio, der bei Trio immer stumm blieb, hier aber den Satz „Das ist ein | |
| Supertrio!“ von sich gibt. | |
| Im Grunde ist bei diesem Film der Produktionsprozess wichtiger als das | |
| Ergebnis. Jahrelang hat das Kollektiv gemeinsam an diesem Projekt | |
| gearbeitet. Abgesehen von einigen technisch anspruchsvollen Gewerken wie | |
| Kamera, Ton und Schnitt haben Laien sich langsam die handwerklichen und | |
| schauspielerischen Fähigkeiten angeeignet. Die meisten haben dies als eine | |
| sinnvolle, schöpferische Tätigkeit erlebt, bei der sie Anerkennung und | |
| Kollegialität erfuhren. Kein Wunder also, dass eine der Darstellerinnen | |
| nach Drehschluss in ein tiefes Loch fiel und sich in die Psychiatrie | |
| einweisen ließ. | |
| ## “Apostel & Partner“: 19. 6., 18 Uhr, City 46, Bremen; der | |
| Gesamtkoordinator Jürgen J. Köster ist anwesend | |
| 19 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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