# taz.de -- Elektronische Gesundheitskarte: Das Milliardengrab | |
> Die elektronische Gesundheitskarte muss 2017 aus Sicherheitsgründen | |
> wieder ausgetauscht werden. Kassen greifen die Ärzte an. Die sind empört. | |
Bild: Kaum besser, aber extrem kostspielig: die elektronische Gesundheitskarte. | |
KREMMEN taz | Die elektronische Gesundheitskarte könnte zum Fall für den | |
Bundesrechnungshof werden: Eine Milliarde Euro Krankenversichertenbeiträge | |
sind seit 2008 in das gigantische IT-Projekt geflossen, ohne dass absehbar | |
wäre, ob die Versicherten jemals davon profitieren werden. | |
„Das Geld wurde ausgegeben, ohne dass die Patienten bislang irgendeinen | |
Nutzen davon gehabt hätten“, gestand der Verwaltungsratschef des | |
Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen, Volker Hansen, jetzt im | |
brandenburgischen Kremmen. | |
Die einzige Verbesserung im Vergleich zur alten Chipkarte sei das Passbild, | |
durch das Missbrauch durch andere Personen verhindert werden soll, sagte | |
Hansen. Doch weil die elektronische Karte „immer noch nicht online“ sei, | |
sei eine Sperrung im Zweifel nicht unmittelbar möglich. | |
Journalisten berichteten über Fälle, in denen Versicherte aus Protest ein | |
Foto ihres Cockerspaniels an die Kasse geschickt hatten, das dann | |
tatsächlich als ihr Versichertenbild auf der Gesundheitskarte erschien. „Es | |
gibt Studien, wonach sich Hundehalter ihren Vierbeinern im Laufe des Lebens | |
äußerlich annähern“, sagte Hansen dazu sichtlich genervt. | |
Die Schuld an der Misere freilich geben die Krankenkassen anderen: | |
„Blockadehaltungen“ und „Verweigerungstaktiken“ der niedergelassenen Ä… | |
und ihrer Funktionäre hätten zu immer neuen Verzögerungen bei der | |
elektronischen Gesundheitskarte geführt, schimpfte Hansen. Derzeit erfülle | |
die Karte keine einzige der Onlinefunktionen, mit denen ihre Einführung vor | |
elf Jahren beschlossen worden war. | |
Schlimmer noch: Die Karten mit extrem kostspieliger Software, die seit dem | |
Herbst 2011 an mittlerweile 97 Prozent der Versicherten ausgegeben wurden, | |
müssen laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik aus Gründen | |
der Datensicherheit schon 2017 wieder ausgetauscht werden. Bis dahin aber | |
werden sie ihr Potenzial nicht einmal angetastet haben. | |
Der Grund: Frühestens 2018, so Hansen, sei nach derzeitigem Planungsstand | |
damit zu rechnen, dass Onlineanwendungen wie die elektronische Weitergabe | |
von Notfalldaten und Vorerkrankungen, Arztbriefen, Rezepten oder | |
Patientenakten zum Einsatz kämen. | |
## Forderung nach Sanktionen | |
Die Chefin des Kassenverbands, Doris Pfeiffer, forderte „verbindliche | |
Zeitpläne“, die auch für Ärzte gelten müssten, und notfalls „Sanktionen… | |
besten gegen Geld“. Hier sei die Regierung am Zug. Es sei zudem nicht | |
hinnehmbar, so Pfeiffer, dass die Ärzte wegen ihrer ablehnenden Haltung | |
gegenüber der elektronischen Gesundheitskarte mit einem eigenen Ärztenetz | |
„Parallelstrukturen“ entwickelten, „die die Kassen dann auch noch | |
finanzieren müssen“. | |
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), | |
Andreas Gassen, konterte umgehend. Den Kassen warf der Cheflobbyist der | |
niedergelassenen Ärzte „Borniertheit“ vor. Die Kassen hätten sich | |
fokussiert auf eine „reine Verwaltungsanwendung, mit der weder ein | |
positiver Effekt auf die Qualität der Versorgung einhergeht, noch messbare | |
Einsparungen zu verzeichnen sein werden“. Eine Telematik-Infrastruktur | |
müsse Patienten und Ärzten dienen. | |
Der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lehnte unterdessen eine | |
Rolle als Vermittler ab: „Für gegenseitige Schuldzuweisungen von Kassen und | |
Ärzten fehlt mir jedes Verständnis“, teilte er mit. Sollten „weitere | |
gesetzliche Rahmenbedingungen“ nötig sein, stehe er zur Verfügung. | |
Ansonsten aber sollten Ärzte und Kassen „die Kraft dafür nutzen, ihr | |
gemeinsames Projekt zügig voranzutreiben – im Sinne der Patienten“. | |
19 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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