| # taz.de -- Kommentar DFB-Aufstellung: 80 Millionen Bundestrainer | |
| > Die Expertise in Deutschland kennt keine Grenzen. Löws Elf lässt sich vom | |
| > Medientaumel und von der WM-Hysterie aber nicht anstecken. Gut so. | |
| Bild: Vier von 80 Millionen Bundestrainern bei der Arbeit | |
| FORTALEZA taz | Dem deutschen Fußballfan wäre wohl am ehesten geholfen, | |
| wenn er vor jedem Spiel der DFB-Elf abstimmen könnte über die Aufstellung, | |
| per Telefon- oder Internetvoting. Der Fan, der ungleich mehr vom Fußball zu | |
| verstehen glaubt als der Bundestrainer, könnte endlich Lukas Podolski in | |
| die Startelf voten, den lustigen Karnevalskicker, und Shkodran Mustafi, von | |
| dem ja nun jeder weiß, dass er auf Rechtsaußen eine Niete ist, abwählen. | |
| Das Ganze wäre wunderbar demokratisch und würde Jogi Löw die Arbeit | |
| entscheidend erleichtern, denn er wäre jetzt nur noch ein gut bezahlter | |
| Erfüllungsgehilfe des Volkswillens. | |
| Die Bild-Zeitung würde das Spektakel in Kooperation mit dem Fachmagazin | |
| kicker veranstalten. Der Fußball wäre endlich in der Hand von 80 Millionen | |
| großen, mittleren und kleinen Bundestrainern. Aber: Dieses Experiment würde | |
| wohl ziemlich in die Hose gehen. | |
| In Wirklichkeit sind es nur drei Männer, die über die Startelf entscheiden: | |
| Löw, sein Assistent Hansi Flick und Torwarttrainer Andreas Köpke. Löw ist | |
| bekannt dafür, dass er während eines Turniers keine Zeitungen liest, sich | |
| in einer Blase des Unwissens befindet. Er klammert weitgehend äußere | |
| mediale Reize aus, um sich nicht ablenken zu lassen. So halten es auch | |
| einige Spieler. | |
| ## Die Lahm-Diskussion | |
| Flick bestätigte am Montag noch einmal, dass sie bei ihrer Linie bleiben | |
| werden. Es gäbe keinen Grund, das Steuer nach einem Sieg und einem | |
| Unentschieden herumzureißen. Das hieß vor allem: Philipp Lahm bleibt | |
| Mittelfeldspieler – und wird nicht in der Defensive eingesetzt. An diesem | |
| Dogma halten die DFB-Coaches fest, auch wenn die deutschen Bundestrainer | |
| den Kapitän der Nationalmannschaft nach hinten beordern wollen, um die | |
| Viererkette in ihrem Halt zu stärken. | |
| Es ist bestimmt keine schlechte Idee, an Plan A festzuhalten, denn mit | |
| jedem Turnier steigt auch die Aufgeregtheit der Medien. Sie schießen | |
| ohnehin nach jedem Match eine Momentaufnahme – und halten diesen einen | |
| Schnappschuss dann für einen ganzen Film. Aber diese | |
| Pars-pro-toto-Interpretation eines einzelnen Standbildes liefert eben nur | |
| einen Teil des Ganzen. | |
| Nach dem Portugal-Spiel tendierte die hyperventilierende und dadurch | |
| kurzatmige Gemeinde der Spielbewerter dazu, Deutschland ins Finale zu | |
| schreiben oder zu kommentieren. Nach dem Ghana-Kick ist es nun umgekehrt: | |
| Der taktische Kontrollverlust in Halbzeit zwei wird hergenommen, um | |
| Schwarzmalerei auf Großleinwänden zu betreiben. Jetzt müsse am besten alles | |
| umgekrempelt werden. | |
| ## Keine Ansteckungsgefahr | |
| Oder etwa nicht? Katalysiert durch das Netz, läuft dieser | |
| manisch-depressive Bewertungsmechanismus während der WM auf Hochtouren. Da | |
| kann man es schon irgendwie verstehen, wenn sich Löw & Co abkapseln, um | |
| sich selbst zu schützen. | |
| Mats Hummels ist allerdings einer, der gern über alles informiert ist und | |
| folglich auch liest, was „die Strategen“ (Hummels), also die Journalisten, | |
| schreiben über ihn und die Nationalmannschaft. Das Team bewege sich | |
| „irgendwo zwischen Portugal und Ghana“, sagte er in größter Entspanntheit. | |
| Sollte heißen: Wir sind weder schon Weltmeister noch die Deppen der Nation. | |
| Nach der ersten Partie hieß es lapidar von Trainerseite, sie müssten in den | |
| Defensive enger beisammenstehen, nach dem zweiten Gruppenspiel wird mehr | |
| Effektivität in der Offensive gefordert. Sie lassen sich jedenfalls nicht | |
| anstecken von der Nervosität und der Stimmungsmache da draußen. Das ist | |
| vielleicht keine schlechte Idee, denn würden sie sich auf einen Diskurs mit | |
| den 80 Millionen einlassen, sie wüssten kaum, wo ihnen der Kopf steht. Und | |
| das wäre vorm entscheidenden USA-Spiel am Donnerstag nicht so schön. | |
| 26 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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