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# taz.de -- Thailand nach dem Militärputsch: Militärjunta will die Uhr zurüc…
> Die Generäle wolle noch im Juli eine Übergangsverfassung verabschieden.
> Danach soll ein ernannter „Reformrat“ das politische System ändern.
Bild: Chef der thailändischen Militärjunta: General Prayuth Chan-ocha.
BANGKOK taz | Die Pläne der seit dem 22. Mai amtierenden Militärjunta für
Thailands Zukunft werden konkreter. Surasak Kanchanarat, Staatssekretär im
Verteidigungsministerium, sagte, eine Reform politischer Parteien,
Dezentralisierung und Strafen für Wahlbetrug stünden oben auf der Liste der
Militärs.
Der Militärchef Prayuth Chan-ocha erklärte in einer Fernsehansprache, noch
im Juli solle eine Übergangsverfassung in Kraft treten. Eine handverlesene
Übergangsregierung möchte die Junta bis September installieren. Wahlen soll
es um den Oktober 2015 geben.
Die Tageszeitung Bangkok Post nannte weitere Details. Demnach soll sich die
Junta, die sich „Nationalrat für Frieden und Ordnung“ nennt, Sonderrechte
in der geplanten Übergangsverfassung reservieren.
Unter Berufung auf nicht genannte Generäle schrieb das Blatt, dass dies vor
allem für Sicherheitsbefugnisse gelte. Denn die Sicherheitslage habe sich
„noch nicht normalisiert“. Auch wolle sich die Junta wegen des Putsches
selbst amnestieren.
## Ein Parlament soll zunächst ernannt werden
Mehrere Medien berichteten übereinstimmend über weitere Teile der geplanten
Übergangsverfassung. Demnach will die Junta ein 200-köpfiges Parlament
ernennen. Des Weiteren soll ein aus 250 Mitgliedern bestehender „Reformrat“
eingesetzt werden, der Thailands politisches System verändern soll.
Ein 35-köpfiges Komitee soll anschließend eine Verfassung ausarbeiten. Eine
Volksabstimmung darüber soll es aber nicht geben. Die letzte Verfassung,
die nach dem Putsch 2006 zur Wahl stand, erhielt nur knapp 57 Prozent
Zustimmung.
Das geplante Vorgehen ist ein kaum kaschierter Versuch, die Uhr
zurückzudrehen. Bangkoks traditionelle Elite, zu der auch die
Militärführung gehört, hat ein Problem: Sie sieht sich als dazu
prädestiniert, das Land zu führen. Ihr politisches Vehikel, die
monarchistische Democrat Party, gewann jedoch zuletzt vor über 20 Jahren
landesweite Wahlen.
Die Parteien des populistischen Milliardärs Thaksin Shinawatra gewannen
hingegen seit 2001 alle Abstimmungen, zuletzt 2011 mit absoluter Mehrheit.
Der aus Nordthailand stammende Thaksin hat sich als Premier ab 2001 durch
erfolgreiche Armutsbekämpfungs- und Wirtschaftsprogramme im
bevölkerungsreichen Norden zahlreiche Anhänger gesichert. Zugleich machte
er sich durch einen autoritären Führungsstil viele Feinde.
## Militärs vertreten die Interessen der traditionellen Elite
Bangkoks Mittelschicht sah sich durch eine neue ländliche Mittelschicht in
ihrem Status bedroht, und Bangkoks traditionelle Elite sah in Thaksin eine
existenzielle Bedrohung. Nach Massenprotesten putsche ihn das Militär 2006
aus dem Amt.
Die Verfassung von 2007 beschränkte die Befugnisse der gewählten Regierung.
Artikel zu politischen Parteien waren bewusst schwammig formuliert, um den
mit Konservativen besetzten höheren Gerichten zu ermöglichen, nach
Verfehlungen Einzelner ganze Parteien zu verbieten.
Vermeintlich „unabhängige Institutionen“ wie die Wahlkommission wurden
gezielt mit Thaksin-Gegnern besetzt. Doch zum Entsetzen von Bangkoks
Establishment gewannen 2007 und 2011 wieder Thaksins Parteien die Wahlen.
## Liebäugeln mit der Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts
Nun soll die Uhr noch weiter zurückgedreht werden. Große Teile von Bangkoks
Elite und Mittelschicht lehnen inzwischen offen das allgemeine Wahlrecht
hab. Der Großteil der Bevölkerung, heißt es in diesen Kreisen immer wieder,
sei zu „ungebildet, um bei Wahlen vernünftige Entscheidungen zu treffen“.
Zudem hätten mit Thaksin verbündete Regierungen das Volk durch Stimmenkauf
und populistische Geschenke korrumpiert.
Die beiden Akademiker Pasuk Phongpaichit und Chris Baker, die sich schon
lange mit dem sozioökonomischen Wandel in Thailand befassen, nennen dies
„gefährlichen Unsinn“. Es sei eine Kampagne, um die Demokratie zu
untergraben. Kein ernst zu nehmender Wissenschaftler zweifelt, dass die
Wahlergebnisse seit 2001 dem tatsächlichen Willen der Bevölkerung
entsprechen.
Kritiker bezweifeln deshalb, ob eine aufgezwungene Verfassung dazu
beiträgt, das vorgebliche Ziel der Junta – ein Ende der Polarisierung – zu
erreichen. Doch ist es jetzt unter Strafe verboten, die Junta zu
kritisieren.
4 Jul 2014
## AUTOREN
Sascha Zastiral
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