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# taz.de -- Nachruf auf Eduard Schewardnadse: Pate der deutschen Einheit
> Der letzte sowjetische Außenminister und Ex-Präsident Georgiens, Eduard
> Schewardnadse, ist am Montag in seiner Heimatstadt Tiflis gestorben.
Bild: Eduard Schewardnadse im Jahr 1998.
MOSKAU taz | „Eduard Amwrosijewitsch, könnte es sein, dass Sie zu weit in
die Geschichte zurückgegriffen haben“, lenkt Marina Dawitaschwili den
Redefluss ihres Vorgesetzten zurück in die jüngere Vergangenheit. Der
frühere sowjetische Außenminister war ein begnadeter Erzähler, was in
seiner kaukasischen Heimat Georgien für Männer seines Schlags keine
Seltenheit ist. Das Gespräch drehte sich um den Fall der Berliner Mauer
1989, Schewardnadse war aber schon bei den Eindrücken vom Aufstand am 17.
Juni 1953 in Berlin gelandet.
Als der Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbatschow, Eduard
Schewardnadse 1985 nach Moskau holte und ihn zum Außenminister ernannte,
war noch nicht abzusehen, dass der georgische Parteibürokrat als
friedlicher Rückbauer des gewaltigen sowjetischen Imperiums in die
Geschichte eingehen würde. Neben Gorbatschow galt er im Westen als die
fleischgewordene Verkörperung der neuen kommunistischen Leitmotive von
Perestroika und Glasnost – Umbau und Transparenz. Der „Architekt der
Abrüstung“ war einer der Köpfe jener Umbruchzeit, die mit dem Ende des
Kalten Kriegs gleichgesetzt wurde.
Für den Westen bestand kein Zweifel, dass der weißlockige „Fuchs“ einen
liberalen Geist im Umfeld einer eher feindlich gesinnten Parteinomenklatura
darstellte. Die Hardliner in der KPdSU hatten es ihm und Michail
Gorbatschow nicht verziehen, dass er die Wiedervereinigung Deutschlands
gegen ihren Widerstand durchsetzen konnte. Auch den Abzug der sowjetischen
Truppen aus Afghanistan kreideten sie ihm an. Bis heute erinnert sich
Russland an den Georgier als den „Mister Da“, der dem Westen ohne
Gegenleistungen das Imperium darbot. Als sich 1989 im ehemaligen Ostblock
die Völker gegen die kommunistischen Regime erhoben, griff die Sowjetunion
nicht ein. „Wir wollten die Interessen der osteuropäischen Staaten
berücksichtigen“, sagte Schewardnadse im Rückblick. Dass dies zum Kollaps
der UdSSR führen würde, schien den Reformern nicht klar gewesen zu sein.
Moskau hatte nach dem Mauerfall auch kein Konzept, wie es mit der deutschen
Frage umgehen sollte. 1990 handelte Schewardnadse als Vertreter der
Sowjetunion mit den drei anderen Besatzungsmächten Deutschlands das
Zwei-plus-vier-Abkommen aus. Unvergessen bleibt sein Auftritt im
Volkskongress der UdSSR im Dezember 1990. Der Außenminister stürmte die
Bühne des Parlaments, verkündete seinen Rücktritt und warf Michail
Gorbatschow vor, an seiner Perestroika Verrat begangen zu haben. Die
Zukunft gehöre der Demokratie, stattdessen bereiteten die Reaktionäre in
der Kommunistischen Partei einen Putsch vor, behauptete der Georgier. Er
sollte Recht behalten. Im Januar gingen Sondereinheiten gegen Demonstranten
in den baltischen Republiken vor, im August putschten Mitarbeiter gegen den
sowjetischen Präsidenten Gorbatschow.
## Vertreter der alten Nomenklatura
Das diplomatische Geschick verließ ihn, als er 1992 nach Georgien
zurückkehrte, um in dem von Bürgerkrieg heimgesuchten Land für Ordnung zu
sorgen. Die Georgier sahen in ihm einen Vertreter der alten Nomenklatura.
Georgien hätte ihn nur deshalb gerufen, weil es hoffte, seine
internationalen Kontakte würden von Nutzen sein, hieß es damals in
Tbilissi.
Dem „Paten der deutschen Einheit“ gelang es, die Republik zu einem
international anerkannten Staat zu machen, der zwischen russischen
Interessen und Westorientierung zu lavieren wusste. Moskau hoffte, Georgien
wieder heim ins Imperium zu holen, und unterstützte die abtrünnigen
Republiken Südossetien und Abchasien bereits in den 1990er Jahren.
Das zu erkennen, war für den Exchef des georgischen KGB ein Leichtes.
Mehrfach entkam Schewardnadse als Präsident Anschlägen, hinter denen der
Nachbar im Norden vermutet wurde. Das politische Aus bereitete ihm jedoch
das eigene Volk. 2003 entmachtete ihn die Rosenrevolution des Ziehsohns
Michail Saakaschwili. Der Präsident hatte sich im Korruptionsgestrüpp der
schwer regierbaren Heimat verheddert und konnte oder wollte den
Korruptionären keine Zügel mehr anlegen. Die letzten Jahre verbrachte
Schewardnase, der 86 Jahre alt wurde, in seinem Anwesen auf einem Hügel
über Tbilissi.
7 Jul 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Sowjetunion
Russland
Georgien
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Mauerfall
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