# taz.de -- Hausputzkräfte in privater Anstellung: Maximal 8 Euro Nettolohn | |
> Immer mehr Agenturen vermitteln Wohnungsreinigungen online. Das ist gut | |
> für Betreiber, Haushalte, Steuer. Und fürs Personal? | |
Bild: Putzen ist kein sonderlich einträgliches Geschäft. | |
BERLIN taz | In drei Schritten eine Putzkraft online bestellen – ganz | |
einfach, ganz legal und sogar von der Steuer absetzbar. Damit werben | |
gegenwärtig eine Reihe von neuen Start-ups in deutschen Städten und | |
schlagen mit ihren Vermittlungsplattformen im Netz Profit aus dem Markt | |
Privathaushalt. Der Kunde zahlt den Putzdienst nämlich auf Rechnung und | |
kriegt daher 20 Prozent des Betrags von der Steuer wieder. | |
Doch für die HauswirtschaftlerInnen selber, die die Agenturen freiberuflich | |
beschäftigen, sind solche Vermittlungsplattformen eher schwierig, gibt | |
Mareike Bröcheler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für | |
Wirtschaftslehre des Privathaushalts an der Universität Gießen, zu | |
bedenken. „Sie werden dadurch in prekäre Beschäftigungsverhältnisse | |
gedrängt.“ Jutta Jetzke vom Bundesverband haushaltsnaher | |
Dienstleistungsunternehmen BHDU findet drastischere Worte: „Zwar kann man | |
auf diese Weise als Student und bereits Sozialversicherter was | |
dazuverdienen, aber davon leben geht gar nicht.“ | |
Tatsächlich bleibt einer Reinigungskraft bei einem Stundenlohn von 12 bis | |
15 Euro nach Abzug der Vermittlungsprovision der Unternehmen, die derzeit | |
zwischen 15 bis 20 Prozent schwankt, und der Sozialabgaben wie etwa | |
Kranken-, Renten -und Pflegeversicherung ein Nettolohn von höchstens 8 | |
Euro. Damit haben sie aber keinen Anspruch auf Urlaubs- und Krankengeld. | |
Auch die Kosten sowie die Zeit für die An-und Abfahrt zu den Wohnungen | |
werden nicht bezahlt. Besonders hart träfe es diejenigen, die über 17.500 | |
Euro im Jahr verdienen und daher weitere 19 Prozent Umsatzsteuer von ihrem | |
Lohn an das Finanzamt abführen müssen, so Jetzke. | |
Die Hauptklientel der Online-Anbieter sind nicht Unternehmen, sondern | |
Erwerbstätige, Familien und Bessersituierte, die Hilfe bei der | |
Haushaltsführung suchen – und dafür den geforderten Stundenlohn zahlen | |
können. „Private Haushalte machen 90 Prozent unserer Aufträge aus“, sagt | |
Michael Riegel, Geschäftsführer von Homejoy Deutschland, einem der | |
Putzdienstanbieter aus Amerika. In den USA sei die Firma bereits in 30 | |
Städten vertreten, jetzt hat sich das Unternehmen Europa vorgenommen. Und: | |
Homejoy ist nicht der einzige Anbieter (siehe Kasten). | |
Auf den ersten Blick scheint das eine positive Entwicklung zu sein. „Gut | |
ist das für die Nutznießer der sauberen Wohnungen, die Familien und | |
Erwerbstätigen“, meint Mareike Bröcheler, wissenschaftliche Mitarbeiterin | |
am Institut für Wirtschaftslehre des Privathaushalts an der Universität | |
Gießen. „Die können hier von gleich drei Aspekten profitieren: der | |
einfachen Buchung von Putzkräften, attraktiven Preisen – und dazu von der | |
staatlichen Unterstützung durch den Steuervorteil.“ | |
Auch der Staat dürfte von dem Boom der Online-Putzdienste finanziellen | |
Nutzen ziehen. Denn bisher werden 90 Prozent der privaten Putzarbeiten in | |
Deutschland schwarz bezahlt, so die Haushaltswissenschaftlerin. „Weit unter | |
1 Prozent aller Haushalte beschäftigen ihre Putzfrau auf Minijobbasis.“ Das | |
sei ein verschwindender Anteil, wenn man bedenkt, so Bröcheler, dass | |
„geschätzte 10 Prozent aller Haushalte hierzulande sich die Wohnung | |
professionell reinigen lassen.“ Werden diese Schwarzarbeiter in den legalen | |
Arbeitsmarkt überführt, was die neuen Vermittlungsdienste gerade | |
vorantreiben, dann werden sie logischerweise sozialabgaben- und | |
steuerpflichtig. | |
## Noch weniger Netto | |
In der Schwarzarbeit liegt letztlich auch der Boomfaktor des Sektors | |
verborgen, aus dem die Unternehmen Profit schlagen wollen, erklärt Jutta | |
Jetzke vom BHDU. „Denn der Markt Privathaushalt wächst nicht unbedingt | |
rasant in Deutschland, aber es ist noch unglaubliches Geld in der | |
Legalisierung dieses Sektors zu holen.“ | |
Die sowieso schon kargen Stundenverdienste der Reinigungsunternehmer drohen | |
zudem noch weiter zu fallen. Und zwar unter dem Konkurrenzkampf, der laut | |
Wirtschaftswoche zwischen den Onlineanbietern ausgebrochen ist. Bei | |
CleanAgents hat man den Preis schon von anfänglichen 15 auf 12 Euro | |
reduziert, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. | |
Da Selbständige per Gesetz vom künftigen Mindestlohn ausgeschlossen sind, | |
hat das Unterbietungsgerangel auch keine Untergrenze. Das kann auch | |
Konsequenzen für Dienstleister jenseits von Homejoy und Helpling haben. | |
Denn: Desto mehr Haushalte Putzdienste auf den Plattformen buchen, umso | |
größer wird der Druck auf den Schwarzmarkt und vor allem auf die | |
Unternehmen, die ihren Putzkräften noch soziale Leistungen bieten, | |
preislich mitzuhalten. | |
So bleibt den Reinigungskräften von der Legalisierung ihres Gewerbes unter | |
dem Strich oft nur eines: die lang erhoffte gesellschaftliche Aufwertung | |
ihres Berufs. „Uns gibt es nicht, wir tauchen in keiner Aufstellung der | |
deutschen Wirtschaftsleistung auf, und die große Masse der Gesellschaft | |
interessiert sich für unsere Situation nicht“, stellt Jetzke klar. Die | |
Agenturen könnten laut der Sprecherin dazu beitragen, Hausarbeit endlich in | |
die gesellschaftliche Mitte zu bringen – aber „mit der Schaffung von | |
ordentlichen, sozial verträglichen Arbeitsplätzen haben sie wenig zu tun. | |
21 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Laura Flierl | |
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