# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Bitte, nehmt unser Geld | |
> Spinnweben, Straßendreck, Staub: Das mit der Gebäudereinigung | |
> funktionierte seit Wochen nicht mehr. Müssen wir für mehr Sauberkeit | |
> zahlen? | |
Bild: Einmal richtig durchfeudeln... | |
Nicht, dass wir knöcheltief durch Dreck stapften. Aber unser Kreuzberger | |
Gründerzeithaus, in dem wir und die Nachbarn jeweils eine Eigentumswohnung | |
besitzen, sah innen schon auch etwas mitgenommen aus. | |
Die Läufer im Flur schwarz von Straßendreck, in den Ecken grüßten die | |
Spinnweben, die Wohnungstüren waren so staubig, dass man mit dem Finger | |
„Please wash me“ draufschreiben konnte. Eins war glasklar: Der Hausputz, | |
ausgelagert an eine Reinigungsfirma, funktionierte seit Wochen nicht mehr. | |
Die erste Erklärung des Firmenchefs am Telefon lautete: Sein Mitarbeiter | |
liege im Krankenhaus, er habe beim Rasenmähen in unserem Garten einen | |
allergischen Schock erlitten. Am nächsten Mittwoch werde er einen | |
Ersatzmann schicken. Dann werde alles gut. Am Donnerstag waren die Teppiche | |
trotzdem nicht gesaugt. Der Chef: Der Schlüssel zum Haus habe gefehlt, sie | |
seien nicht reingekommen. Aber nächste Woche werde, versprochen, alles | |
tippitoppi. | |
Großer Quark – überhaupt nichts passierte. Diesmal schickte die Firma nach | |
der Beschwerde sogar per Mail Fotos, die dokumentieren sollten, dass unser | |
Haus glänzte. Seltsamerweise war darauf der braune Teppich in unserem Flur | |
grün. Ach, Entschuldigung vielmals, hieß es danach – der zuständige | |
Mitarbeiter habe die Firma hinters Licht geführt und doch glatt Bilder | |
eines anderen Gebäudes geschickt. Man werde ihn feuern. Nächste Woche aber | |
werde ganz bestimmt alles superprima. | |
## Die Arbeit ist schlecht, weil der Lohn zu schlecht ist | |
Die Sache begann mich jetzt erst richtig zu interessieren. Ab Anfang 2015 | |
gilt nämlich das neue Mindestlohn-Gesetz. Alle Beschäftigten sollen dann | |
minimal 8,50 Euro pro Stunde bekommen, von Ausnahmen wie der für die | |
Zeitungsausträger (!) mal abgesehen. | |
Wie viel seine Mitarbeiter verdienten, fragte ich also den Chef beim | |
nächsten Telefonat. Natürlich Gebäudereiniger-Mindestlohn, schwor der, das | |
sei er seinen Leuten doch schuldig. Unser Putzmann erhielt angeblich 9,31 | |
Euro pro Stunde brutto. Stimmt das?, erkundigte ich mich bei diesem | |
persönlich, als er tatsächlich dann mal bei uns aufkreuzte. Mittlerweile | |
klappt der Dienst nämlich wieder, sagen wir, so lala. | |
Informationen zur Bezahlung dürfe er nicht verraten, sagte der | |
Saubermacher, nur so viel: Die Fahrzeiten von Haus zu Haus, von einem | |
Berliner Bezirk in den anderen, plus die Kosten seines Autos seien sein | |
Privatvergnügen. Kein Wunder, dachte ich, dass die Leute hinschmeißen. Oder | |
zwei Stunden auf den Kontrollzettel schreiben, wenn sie nur 30 Minuten da | |
sind. Die Arbeit ist schlecht, weil der Lohn zu schlecht ist. | |
Wie doof kann so ein Reinigungsunternehmer eigentlich sein? Die doppelte | |
Bezahlung würde bei unserem Haus mit 80 Euro monatlich zu Buche schlagen. | |
Geteilt durch 12 Wohnungen, die 7 Euro mehr überweisen – mach ich doch | |
gerne, wenn ich weiß, dass sie bei dem Beschäftigten ankommen und der seine | |
Arbeit vernünftig macht. Warum sagt der Chef nicht mal zu uns: Leute, ihr | |
habt doch genug Geld. Das wäre ungewöhnlich, gar dreist. Aber er hätte | |
recht. Auf diese Idee kommt er aber nicht, wahrscheinlich wegen des | |
allgemeinen Billig-billig. Er hat nämlich Angst, den Auftrag zu verlieren. | |
Der gesetzliche Mindestlohn müsste viel höher sein als 8,50 Euro. Diese | |
Untergrenze ändert an unserem Problem gar nichts. Aber wir könnten den | |
Reinigungsunternehmer fragen, ob wir ihm nicht mehr bezahlen dürfen. | |
Vielleicht bringe ich den Antrag in die nächste | |
Wohnungseigentümerversammlung ein. Wahrscheinlich erklärt man mich für | |
verrückt. | |
18 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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