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# taz.de -- Rechtspopulismus im Internet: Akif Pirinçci provoziert Mordaufruf
> Ein Bestsellerautor hetzt auf Facebook gegen eine Professorin und erntet
> Beifall. Die härtesten Kommentare sind aber schon wieder gelöscht.
Bild: Akif Pirincci hat es gern etwas lauter.
BERLIN taz | „Noch vor dreißig Jahren hätte man so eine Alte in den Knast
gesteckt und sie solange dort behalten, bis sie verrottet wäre. Heute
werden die Eltern der Kinder, welche diese Arschfick-Affine ganz offiziell
verderben darf, von unserer ebenfalls arschgefickten Regierung gezwungen,
mit ihren Steuergeldern ihr monatlich einen Gehalt (sic!) in Höhe eines
Chefarztes zu zahlen – sonst kommen sie ins Gefängnis.“ Wer schreibt so
etwas?
Akif Pirinçci. Der ist Schriftsteller. Und Bestsellerautor. Mit seinem
neuen Buch „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle
und Zuwanderer“ hat er eine Hass-Debatte angefacht.
Die Frau, über die er auf diese Weise auf seiner Facebook-Seite am 3. Juli
sinnierte, ist Elisabeth Tuider, Professorin für
Gesellschaftswissenschaften an der Universität Kassel. Dort beschäftigt sie
sich vor allem mit geschlechter- und migrationspolitischen Themen sowie mit
Queer-Theorien.
Vor zwei Jahren gab die Erziehungswissenschaftlerin, zusammen mit anderen
Autoren, die 2. Auflage des Buches „Sexualpädagogik der Vielfalt“ heraus.
Ende Juni sagte Tuider in einem Interview mit der
Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen, schon 12- und 13-Jährige hätten
Fragen zu sexuellen Praktiken, etwa „Sexspielzeug oder BDSM (zum Beispiel
Sadomasochismus und Fesseln)“. Denen will sie mit Unterrichtskonzeptionen
begegnen. „Manche Jugendliche bringen solche Themen nicht mit“, so die
Kasseler Professorin. Dann würden „entsprechende Aufgabenstellungen nicht
angewendet“.
## 981 Personen gefällt das
Das scheint Pirinçci offensichtlich nicht zu gefallen. Gegenüber der taz
rechtfertigt Pirinçci seine Wortwahl damit, dass die Medien seine Kritik
andernfalls „nicht wahrnehmen“ würden. „Ich habe vor niemandem Angst, al…
können mich mal“, so Pirinçci, der mit dem Katzenkrimi „Felidae“ berüh…
wurde. Er sei „Multimillionär“ und „auf niemanden angewiesen“.
Bis Redaktionsschluss hat sein Facebook-Post 981 Personen gefallen, die den
Eintrag gelikt haben. Darunter ist auch ein Anwalt aus Offenburg. Mit
vollem Namen, Nennung seiner Kanzlei und Foto schlug er vor, „dieses
Päderastenweib … im Gangbang-Style anal zu penetrieren“. Auch das gefiel
manchen Menschen, worüber wiederum der Jurist „schockiert“ war, wie er
gegenüber der taz sagte: „Das war unglücklich formuliert und eigentlich als
Ironie gemeint.“ Er habe den Post noch am selben Tag gelöscht. „Ich teile
nicht alles, was Pirinçci schreibt“, sagte er zur taz. Andere seiner
Kommentare Einträge auf Pirinçcis Facebook-Seite hat der Jurist stehen
lassen. Die Pläne der Stuttgarter Landesregierung zur Sexualpädagogik
bezeichnete er in einem weiteren Eintrag als „rot-grün versifften
Kindersex-Bildungsplan“.
## Solidaritätskampagne von Kollegen
Auch einen Mordaufruf hat Elisabeth Tuider bekommen. Ein Eduard Schritter
hätte nichts dagegen, „diesen Genderlesben 8 x 9 mm in das dumme Gehirn zu
jagen“. Mittlerweile ist dieser Eintrag ebenfalls verschwunden. Pirinçci
selbst gibt an, er habe keine Beiträge gelöscht. Er besitze „keinen
Überblick“ über die Kommentare auf seiner Facebook-Seite, sagte er der taz.
Tuider erfährt allerdings auch Solidarität. Heinz-Jürgen Voß, Professor an
der Hochschule Merseburg, startete eine Unterstüzungskampagne. Jetzt werde
er von Pirinçci als „geisteskranker Schwuler“ geschmäht, sagte Voß zur t…
Voss hat ein straf- und zivilrechtliches Verfahren gegen Pirinçci einleiten
lassen.
27 Jul 2014
## AUTOREN
Simone Schmollack
Martin Reeh
## TAGS
Rechtspopulismus
Akif Pirinçci
Hetze
Schwerpunkt Meta
Akif Pirinçci
Pornografie
Hassprediger
Recep Tayyip Erdoğan
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