| # taz.de -- Tischtennis mit neuen Bällen: New Balls please | |
| > In China sind zweifarbige Bälle im Gespräch. Unterdessen ersetzt der | |
| > internationale Tischtennisverband Zelluloid- durch Plastikbälle. Ein | |
| > Materialtest. | |
| Bild: Runde Sache: Timo Boll rechnet nicht mit größeren Problemen wegen der n… | |
| Das Thema hat sich schon mal als explosiv erwiesen – als 2001 in Hongkong | |
| eine halbe Million Tischtennisbälle in die Luft gingen. Und wenn sich nach | |
| 123 Jahren nun die Ära des kleinen Zelluloids tatsächlich dem Ende zuneigt, | |
| so birgt auch das Sprengstoff. Denn mit dem neuen Plastikball, den der | |
| Internationale Tischtennisverband (ITTF) seit dem 1. Juli den | |
| Profisportlern verordnet hat, gibt es noch einige Probleme. | |
| „Der Plastikball ist eine große Veränderung für uns Spieler“, befindet d… | |
| deutsche Europameister Dimitrij Ovtcharov angesichts der Qualität des | |
| Materials. Und in China, wo in nur drei Fabriken fast alle Zelluloidbälle | |
| weltweit produziert werden, zettelt man derweil schon die nächste | |
| Revolution an: In der Super League wollen sie in den Play-offs im August | |
| auch noch zweifarbige Bälle einsetzen. | |
| Bis 1891 ging es noch anders zu beim Pingpong: Die Bälle mit einem | |
| Durchmesser von fünf Zentimetern waren aus Kork oder Gummi. Der Engländer | |
| James Gibb entwickelte dann aus dem Thermoplast leichtere wie schnellere | |
| Zelluloidbälle – weil die Herstellungsweise aber zu rund vier Fünfteln dem | |
| von Nitroglyzerin entspricht, konzentrierte sich die Produktion auf China. | |
| Da sich die Luft in den Bällen bei sengender Hitze ausdehnt und zu Folgen | |
| wie in Hongkong führt, müssen die Zelluloidbälle als Gefahrgut | |
| transportiert werden. | |
| Die ITTF ist des Themas überdrüssig und will jetzt – anders als in den 80er | |
| Jahren mit den Barna-Plastikbällen, die nach gewisser Zeit zu glatt wurden | |
| und keine Topspins mehr erlaubten – die Änderung durchziehen. Die | |
| Eigenschaften seien nahezu identisch, lässt die Materialkommission | |
| verlautbaren. | |
| ## Topspieler sind geteilter Meinung | |
| Ovtcharov ist noch skeptisch: „Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis | |
| die Hersteller wirklich konstante Qualität liefern können“, urteilt der | |
| Weltranglistenvierte und bezeichnet „die Qualität der Bälle bislang als | |
| maximal mittelmäßig“. | |
| Timo Boll, der diesen Sommer wie sein Nationalmannschaftskollege bei einem | |
| chinesischen Super-League-Klub unter Vertrag steht, will sich noch nicht | |
| konkret äußern, „da alles noch nicht gespielt und getestet ist“. Eigentli… | |
| aber glaubt der Rekord-Europameister von Borussia Düsseldorf, der im Reich | |
| der Mitte derzeit mit Shandong Lueng auf Platz zwei liegt, nicht an | |
| „größere Probleme“. | |
| Bundestrainer Jörg Roßkopf bezweifelt ebenso, dass sich „das Spiel | |
| grundlegend ändert“. Die Umstellung werde, berichtet Steffen Fetzner vom | |
| Gespräch mit seinem einstigen Doppelpartner, „ähnlich wie bei der | |
| Vergrößerung des Ball-Durchmessers von 38 auf 40 Millimeter: Jeder gewöhnt | |
| sich daran, und danach spricht keiner mehr darüber.“ | |
| Momentan ist auch eher die Beschaffung der neuen Plastikbälle die Krux. Die | |
| meisten Amateurvereine unterhalb der Oberliga verbrauchen daher in der | |
| nächsten Saison noch – wie von den Landesverbänden erlaubt – die | |
| Restbestände aus Zelluloid in den Meisterschaftskämpfen. „Derzeit gibt es | |
| keine Plastikbälle mehr zu kaufen, weil viele neugierig sind“, berichtet | |
| der beim saarländischen Tischtennis-Hersteller Donic für Marketing | |
| zuständige Fetzner. | |
| Drei Plastikbälle konnte der Autor dieser Zeilen ergattern und schmuggelte | |
| diese beim TTC Muggensturm, einem Bezirksklasseklub in Baden-Württemberg, | |
| ein. Die Mitspieler Jonathan Körber und Stefan Glasstetter „merken bei | |
| dieser Hitze nix“, geben sie später zu. Andreas Heck hingegen trifft damit | |
| besser als bisher. „Von mir aus kann der Ball sofort eingeführt werden“, | |
| schwärmt der Kreisligaspieler, nachdem der Balltausch minutenlang unbemerkt | |
| blieb. | |
| ## Experiment mit seltener Ware | |
| „Ein bisschen anders klingt er“, glaubt Heck nun – bei manchen Bällen | |
| stimmt das. Sein Kollege Bernd Appel wundert sich erst einmal über die | |
| „weißeren“ Bälle, sie „haben so ein kaltes LED-Weiß“. Am schnellsten | |
| bemerkt Michael Schweikert die Veränderung. Der frühere Offenburger | |
| Zweitligaspieler fischt nach einem – man muss sagen gelungenen – Topspin | |
| meinerseits den Ball aus der Bande und fragt: „Was ist das?“ Am Aufdruck | |
| „40+“ – so sind die zelluloidfreien Bälle betitelt – erkennt Schweiker… | |
| rare Ware. | |
| Die Tischtennismarken, die ihre 2,7 Gramm leichten Bälle von drei | |
| chinesischen Herstellern produzieren lassen, verlangen in Zukunft etwas | |
| mehr für Drei-Sterne-Qualität. „Der Plastikball ist leicht teurer“, | |
| bestätigt Fetzner. In den neuen Katalogen vor der Saison kosten sie | |
| zwischen 1,50 und 2 Euro je Stück bei Abnahme von 100er- oder | |
| 120er-Kartons. | |
| Auf jeden Fall müssen die Kunden bald nicht mehr nur auf Importware aus | |
| China und Japan zurückgreifen. Die Weener Plastik GmbH, eine ostfriesische | |
| Firma,will „noch in diesem Jahr einen vom ITTF zugelassenen Ball auf den | |
| Markt“ bringen, kündigt ein Vertreter an. Man stehe „in Verhandlungen mit | |
| allen großen Tischtennismarken“. Vor zwei Jahren begann die Firma aus dem | |
| gleichnamigen Ort Weener mit der Entwicklung. | |
| Der Grund ist obskur: die Verwandtschaft mit Deoroller-Kugeln. „Wir stellen | |
| Hohlkugeln aus Kunststoff für Deoroller her. Das erfordert ähnlich wie bei | |
| Tischtennisbällen hohe Präzision – und wir verfügen über die Technologie�… | |
| sagt ein Firmensprecher, der namentlich nicht genannt werden möchte. | |
| ## 150 Umdrehungen pro Sekunde | |
| Während in Deutschland noch über die Plastikbälle diskutiert wird, sind die | |
| Chinesen einmal mehr schon weiter. Die Funktionäre der weit überlegenen | |
| Pingpong-Supermacht machen sich regelmäßig Gedanken zur Änderung ihres | |
| Nationalsports. | |
| Weil sich die einheimischen Fans ob der Langeweile an der Spitze teilweise | |
| abwenden, wollen die Chinesen die schnellste Rückschlagsportart mit bis 170 | |
| Stundenkilometern schnellen Bällen publikumsfreundlicher gestalten. In den | |
| Play-offs der Super League sollen so vom 7. bis 10. August zweifarbige | |
| Bälle eingesetzt werden. Eine weiße und eine orange Halbkugel | |
| veranschaulicht zum Beispiel eher die Rotation von bis zu 150 Umdrehungen | |
| pro Sekunde. | |
| Ovtcharov, dessen Team Jiangsu derzeit mit dem gleichauf liegenden | |
| Schanghai um den vierten Play-off-Platz ringt, glaubt noch nicht so richtig | |
| an die Gerüchte. „Wir spielen immer noch mit normalen Bällen“, meint der | |
| Topspieler und schiebt nach, „ich bezweifele, dass es zu diesem Austausch | |
| während der Play-offs kommt“. | |
| 30 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Hartmut Metz | |
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