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# taz.de -- Tischtennis-EM in Portugal: Europas Chinesen
> Das deutsche Team reist ersatzgeschwächt zur EM. Die Mannschaft um
> Dimitrij Ovtcharov gehört dennoch zu den Favoriten.
Bild: Derzeit Deutschland bester Tischtennisspieler: Dimitrij Ovtcharov.
BERLIN taz | Es ist das immer wiederkehrende Duell: Auf der einen Seite der
Dominator, der so überlegen ist, wie man nur überlegen sein kann. Auf der
anderen Seite der nimmermüde, stets bemühte Herausforderer. Immer wieder
China gegen Deutschland – immer wieder China vor Deutschland.
Bei den Mannschaftswettbewerben der Olympischen Spiele 2008 und 2012 war
das so, bei den letzten drei Weltmeisterschaften. Seit gestern geht es nun
wieder um einen der begehrtesten Titel überhaupt, bei der
Europameisterschaft in Lissabon. Die bietet für die deutschen Herren den
einen gewaltigen Vorteil: Die Chinesen dürfen nicht mitmachen.
Somit könnte man vorhersagen: Deutschland wird dort das beste Team sein –
und deshalb Europameister werden. So kommt es wohl am Sonntag, wenn an der
Atlantikküste die Endspiele stattfinden. Hinter dieser trivialen Erkenntnis
aber steckt mehr: eine bemerkenswerte Entwicklung, die die Sportart in
Deutschland im letzten Jahrzehnt genommen hat. Sollten die Schützlinge von
Bundestrainer Jörg Roßkopf wieder siegen, dann wären sie zum siebten Mal
hintereinander Europas beste Equipe. Das erinnert – an China. Die „Chinesen
Europas“ – so werden die DTTB-Herren deshalb genannt.
Seitdem es sich auf den Wettstreit mit dem unverwundbaren Giganten
eingelassen hat, verbesserte sich das deutsche Tischtennis stetig. Es steht
heuer in seinem vorläufigen Zenit. „Wahnsinn, wie unser momentaner Kader
besetzt ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals eine so starke
deutsche Mannschaft gegeben hat“, sagt Deutschlands bester Spieler Dimitrij
Ovtcharov der taz. Als Gewinner der olympischen Bronzemedaille im Einzel
und Nummer fünf der Weltrangliste mauserte er sich zum besten
nichtchinesischen Spieler des Planeten. Gäbe es Ovtcharov nicht, wäre das
beinahe noch immer Timo Boll, mit 33 Jahren unvermindert in der Weltspitze.
Dahinter reihen sich mit Patrick Baum (Weltrangliste: 14), Bastian Steger
(18), Steffen Mengel (36) und Patrick Franziska (40) vier weitere von
Europas Besten ein. Wie groß die Überlegenheit ist, zeigte jüngst die
EM-Nominierung: Roßkopf entschloss sich, Steger nicht zu berufen, um einen
weiteren Platz für einen Perspektivspieler, nämlich Mengel, zu schaffen.
Das heißt: Raus geht ein Mitfavorit im Einzel, rein kommt einfach ein
anderer, der jünger ist.
## Leise Hoffnung auf Konkurrenz
In Lissabon aber gibt es leise Hoffnung für die Konkurrenz: Dieser Tage
trudelt eine schlechte Nachricht nach der anderen bei Roßkopf ein. Baum
musste die EM am Montag aus familiären Gründen absagen. Er bleibt eventuell
nicht der einzige Ausfall: Ovtcharov, auch im Einzel Titelverteidiger, hat
sich jüngst einer Weisheitszahn-OP unterzogen. „Die Vorbereitung ist nicht
optimal gelaufen, aber ich gebe alles für die Mannschaft und hoffe, dass
ich trotzdem helfen kann“, sagt der 26-Jährige, der erst nach den heutigen
Gruppenspielen anreist.
Ob es für einen Einsatz langt, da ist sich Trainer Roßkopf nicht sicher:
„Nach einer Pause wieder reinzukommen, ist nicht einfach.“ Einen Spieler
nachnominieren darf er nicht. Obendrein scheint mit Portugal der
ernsthafteste Kontrahent seit Jahren heranzuwachsen – und der spielt vor
heimischer Kulisse.
„Wir werden trotzdem versuchen, den Titel zu holen“, sagt Roßkopf. Schon
das ist nah dran am Understatement: Sein Team bleibt allen Widrigkeiten zum
Trotz der große Favorit. Mitleid für die Konkurrenz hätten die Deutschen
bei einem neuerlichen Triumph ohnehin nicht. Und sollte ihnen die Rolle des
Geschlagenen nicht mehr präsent sein: 2016 geht es nach Kuala Lumpur. Zu
den Weltmeisterschaften. Da mischt China wieder mit.
25 Sep 2014
## AUTOREN
Jan Lüke
Lennart Wehking
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Tischtennis
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