# taz.de -- Nachrichten von 1914 – 29. Juli: Ein Manifest des Kaisers Franz J… | |
> Mit einer Erklärung hat sich der Kaiser an die Österreicher gewandt. Er | |
> erläutert seine Entscheidung für den Krieg. Wir dokumentieren sein | |
> Schreiben im Wortlaut. | |
Bild: Österreichische Kadetten beim Ausbruch des ersten Weltkriegs. | |
Wien, 28 Juli | |
Der Kaiser hat nachfolgende Handschreiben und Manifest erlassen: | |
„Lieber [1][Graf Stürgkh]! Ich habe mich bestimmt gefunden, dem Minister | |
Meines Hauses und des Äußeren zu beauftragen, der königlich serbischen | |
Regierung den Eintritt des Kriegszustandes zwischen der Monarchie und | |
Serbien zu notifizieren. In dieser schicksalsschweren Stunde ist es Mir | |
Bedürfnis, Mich an Meine geliebten Völker zu wenden. Ich beauftrage Sie | |
daher, das anvertraute Manifest zur allgemeinen Verlautbarung zu bringen.“ | |
Bad Ischl, 28. Juli 1914, Franz Josef m.p. | |
An meine Völker! Es war mein sehnlicher Wunsch, die Jahre, die mir durch | |
Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und meine | |
Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren. Im Rate | |
der Vorsehung ward es anders beschlossen. Die Umtriebe eines hasserfüllten | |
Gegners zwingen mich zur Wahrung der Ehre meiner Monarchie, zum Schutze | |
ihres Ansehen und ihrer Machtstellung, zur Sicherung ihres Besitzstandes | |
nach langen Jahren des Friedens zum Schwert zu greifen. Mit rasch | |
vergessendem Undank hat das Königreich Serbien, das von seinen ersten | |
Anfängen seiner staatlichen Selbstständigkeit bis in die neueste Zeit von | |
meinen Vorfahren und mir gestützt und gefördert worden war, schon vor | |
Jahren den Weg offener Feindseligkeit gegen Österreich-Ungarn betreten. | |
Als ich nach drei Jahrzehnten segensvoller Friedensarbeit in Bosnien und | |
der Herzegowina meine Herrscherrechte auf diese Länder erstreckte, hat | |
diese meine Verfügung im Königreich Serbien, dessen Rechte in keiner Weise | |
verletzt wurden, Ausbrüche zügelloser Leidenschaft und bittersten Hass | |
hervorgerufen. Meine Regierung hat damals von dem schönen Vorrechte des | |
Stärkeren Gebrauch gemacht und in äußerster Nachsicht und Milde von Serbien | |
nur die Herabsetzung seines Heeres auf den Friedensstand und das | |
Versprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn des Friedens und der | |
Freundschaft zu gehen. | |
Von demselben Geist der Mäßigung geleitet, hat sich meine Regierung, als | |
Serbien vor zwei Jahren im Kampf mit dem türkischen Reiche begriffen war, | |
auf die Wahrung der wichtigsten Lebensbedingungen der Monarchie beschränkt. | |
Dieser Haltung hatte Serbien in erster Linie die Erreichung des | |
Kriegszweckes zu verdanken. Die Hoffnung, dass das serbische Königreich die | |
Langmut und Friedensliebe meiner Regierung würdigen und sein Wort einlösen | |
werde, hat sich nicht erfüllt. Immer höher lodert der Hass gegen mich und | |
mein Haus empor, immer unverhüteter tritt das Streben zutage, untrennbare | |
Gebiete Österreich-Ungarns gewaltsam loszureißen. | |
Ein verbrecherisches Treiben greift über die Grenze, um im Südosten der | |
Monarchie die Grundlagen staatlicher Ordnung zu untergraben. Das Volk, dem | |
ich in landesväterlicher Liebe meine volle Fürsorge zuwende, in seiner | |
Treue zum Herrscherhause und zum Vaterlande wankend zu machen, die | |
heranwachsende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten des Wahnsinns | |
und des Hochverrats aufzureizen. Eine Reihe von Mordanschlägen, eine | |
planmäßig vorbereitete und durchgeführte Verschwörung, deren furchtbares | |
Gelingen mich und meine treuen Völker in Herz getroffen hat, bildet die | |
weithin sichtbare blutige Spur jener geheime Machenschaften, die von | |
Serbien aus in Werk gesetzt und geleitet wurden. | |
Diesem unerträglichen Treiben muss Einhalt geboten, den unaufhörlichen | |
Herausforderungen Serbiens ein Ende bereitet werden, soll die Ehre und | |
Würde meiner Monarchie unverletzt erhalten und ihre staatliche, | |
wirtschaftliche und militärische Entwicklung vor beständigen | |
Erschütterungen bewahrt bleiben. Vergebens hat meine Regierung nicht einen | |
letzten Versuch unternommen, dieses Ziel mit friedlichen Mitteln zu | |
erreichen. Serbien durch eine ernste Mahnung zum Umkehr zu bewegen. Serbien | |
hat die maßvollen und gerechten Forderungen meiner Regierung zurückgewiesen | |
und abgelehnt, jenen Pflichten nachzukommen, deren Erfüllung im Leben der | |
Völker und Staaten die natürliche und notwendige Grundlage des Friedens | |
bildet. | |
So muss ich denn daran schreiten, mit Waffengewalt die unerlässlichen | |
Bürgschaften zu schaffen, die meinen Staaten die Ruhe im Inneren und den | |
dauernden Frieden nach außen sichern zu wollen. In dieser ersten Stunde bin | |
ich mir der ganzen Tragweite meines Entschlusses und meiner Verantwortung | |
vor dem Allmächtigen voll bewusst. Ich habe alles geprüft und erwogen. Mit | |
ruhigem Gewissen betreten ich den Weg, den die Pflicht mir weist. Ich | |
vertraue auf meien Völker, die sich in allen Stürmen stets in Einigkeit und | |
Treue um meinen Thron geschart haben und für Ehre, Größe und Macht des | |
Vaterlandes zu schweren Opfern immer bereit waren. Ich vertraue auf | |
Österreich-Ungarns tapfere und mit hingebungsvoller Begeisterung erfüllte | |
Wehrmacht, und ich vertraue auf den Allmächtigen, dass er meinen Waffen die | |
Sieg verleihen wird. | |
Franz Josef. | |
Stürgkh. | |
Quelle: Berliner Tagblatt | |
29 Jul 2014 | |
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[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_St%C3%BCrgkh | |
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