# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Sommerloch? Mit Bartwolle stopfen! | |
> Wer Hirn hat, darf noch lange nicht reden, aber eventuell zwitschern. | |
> Vielleicht muss man sich dafür auch einen Bart wachsen lassen. | |
Bild: Der Bart von Friedrich Liechtenstein kommt besser als der von Kai Diekmann | |
Hallo taz-Medienredaktion! | |
Sagt mal Leute, kann ich nicht mal für fünf Minuten das Land verlassen, | |
ohne dass alles augenblicklich aus den Fugen gerät? | |
Ich brate hier beim Überwachungsfreund in sommerlicher Hitze, und an der | |
Heimatfront weiß man nicht mehr, wo Springer aufhört und der Muslim | |
anfängt. Ich habe – schließlich bin ich beruflich hier – anderes zu tun, | |
als die Dinge zu Hause zu beobachten, aber ich muss schon sagen, was sich | |
infolge der islamfeindlichen Äußerungen des stellvertretenden | |
Chefredakteurs der Bild am Sonntag abspielt, das hat Wumms! | |
Kommt ja nicht so häufig vor, dass sich Teile einer Chefredaktion | |
öffentlich von ihrem Kollegen distanzieren möchten. Wobei das Ganze ja vor | |
allem schockt, weil alle mitreden. Die Sache wäre ja nicht halb so schön, | |
wenn sich nicht jeder, der meint, ein Hirn in seiner Kopfkapsel zu tragen, | |
nicht dazu äußern würde. Ein Lob dem digitalen Zwitscherdienst an dieser | |
Stelle. | |
Und weil ich ja auch so gern mitrede, bedauere ich es natürlich, nicht | |
einmal mein halbes Hirn diesem Thema widmen zu können. Wie gesagt, ich bin | |
zum Arbeiten hier. Trotz der wenigen Zeit ist das taz-Cover von Dienstag | |
auf meinem Rechner erschienen, Bartwusel Diekmann und die Zeile „Endlich | |
Fatwa vom Chef: Der Islam gehört zur Bild“. Ich war augenblicklich hin und | |
weg. Ein Jahrhundert-Cover! | |
Und ja, liebe taz-Medienredaktion, ich denke, diese erste Seite wird unter | |
die drei meiner Alltime-Favourites der taz-Titel eingehen. Der ist SO, SO | |
gut! Zumal im Zuge von 9/11 oft genug benannt wurde, woran man erkennt, | |
dass auch in Deutschland sich immer mehr Männer auf den Dschihad | |
vorbereiten: am langen Bart. | |
Und während Diekmann das Problem, das Springer sich in Jahrzehnten | |
kontinuierlichen Publizierens und gezielter Personalauswahl geschaffen hat, | |
wie eine Streubombe um die Ohren fliegt, sind wohl auch an anderer Stelle | |
die Springer-Schläfer aktiviert worden. | |
## Dienstag noch voller Liebe | |
Es wird doch kein Zufall sein, dass der Spiegel mit Bild-Mitteln zu | |
arbeiten beginnt, nachdem heutzutage Bild-Leute so mir nichts, dir nichts | |
bei dem, was mal ein Leitmedium war, anheuern können. Oder wie ist, außer | |
„reißerisch“, „billig“, „populistisch“ und „geschmacklos“, der… | |
Spiegel-Titel zu deuten, der die Opfer des Flugzeugabschusses über der | |
Ukraine zeigt, mit der Zeile „STOPPT PUTIN JETZT!“? | |
Dabei war ich Dienstag noch so voller Liebe! Liebe zur New York Times. Denn | |
während bei uns in der landesweit größten Zeitung die Angst vor dem, der | |
anders ist, geschürt werden kann, loben die Kollegen das Fremde. In nur | |
einer Ausgabe wurden gleich zwei Deutsche, derer man sich ausnahmsweise mal | |
nicht zu schämen braucht, voll der Anerkennung vorgestellt: Friedrich | |
Liechtenstein und Christoph Schlingensief. | |
Was mich gleich ein wenig versöhnlich gestimmt hat und weswegen ich es | |
jetzt nur noch zu 98,2 Prozent schlimm finde, dass die Amerikaner alles | |
überwachen. Witze über die NSA braucht man hier übrigens nicht zu machen. | |
Nicht, weil die Amerikaner, mit denen ich so spreche, keinen Spaß | |
verstehen, sondern weil die gar nicht wissen, was die NSA ist. Ja, so sind | |
sie, die Amerikaner! Immer nach vorn orientiert und nicht so miesepetrig | |
rückblickend wie wir Deutschen. | |
Und das mache ich jetzt auch, nach vorn blicken. Da sehe ich meinen Urlaub. | |
Der ist zwei Wochen lang. Ich hoffe, Du kommst ohne mich klar, | |
Medienredaktion. Ist ja eh Sommerloch. Das kannste ja mit Bartwolle | |
stopfen. Die ist total tazig: nachwachsender Rohstoff. | |
Und damit zurück nach Berlin! | |
30 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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