# taz.de -- Jenseits der Friedhöfe: Asche: Streuverbot bei starkem Wind | |
> Bremen lockert als erstes Bundesland den 1934 etablierten Friedhofszwang. | |
> Die Urne im Wohnzimmer bleibt hierzulande aber verboten. | |
Bild: Darf auch in Bremen nicht zu Hause aufbewahrt werden: Urne mit der Asche … | |
BREMEN taz | Hinterbliebene in Bremen können bald die Asche ihrer | |
Verstorbenen auf eigenem Grund oder speziellen öffentlichen Flächen | |
ausstreuen. Auf einen entsprechenden [1][Kompromiss] einigte sich jetzt die | |
rot-grüne Landesregierung. Bremen wäre damit das erste Bundesland, das den | |
1934 unter den Nazis eingeführten Friedhofszwang lockert. Die Reform muss | |
noch vom Parlament beschlossen werden. | |
Vom Tisch ist damit eine weitergehende Liberalisierung, die eine | |
rot-rot-grüne Mehrheit im Parlament bereits beschlossen hatte. Sie sah vor, | |
dass Angehörige die Asche eines Verstorbenen zwei Jahre lang zu Hause | |
aufbewahren dürfen – wenn sie für die Zeit danach eine Grabstätte auf dem | |
Friedhof reserviert haben. | |
Ein Gutachten des Bremer Staats- und Verfassungsrechtlers Dian Schefold | |
erachtete die Beschränkung auf zwei Jahre als „unverhältnismäßig, | |
willkürlich und verfassungswidrig“. Rechtliche Bedenken gegen den Plan, | |
Urnen zu Hause aufzubewahren, hatte er keineswegs. Ganz im Gegenteil: | |
Dieser Wunsch sei „aus verfassungsrechtlichen Gründen zuzulassen“, schreibt | |
er in einem Gutachten, das er im Auftrag des Bremer Senats verfasste. Für | |
Schefold ist der Friedhofszwang für Urnen eine „unzulässige | |
Grundrechtsbeschränkung“. | |
Widerstand gegen die Änderung des Bestattungsrechts kam von Bürgermeister | |
Jens Böhrnsen (SPD) und der Kirche. „Eine Privatisierung von Tod und Trauer | |
gefährdet die öffentliche Erinnerungskultur“, sagt Martin Schomaker, Probst | |
der Katholischen Kirche in Bremen. Die Aufbewahrung einer Urne im | |
Wohnzimmer habe „nichts mit Würde zu tun“, hieß es aus der Evangelischen | |
Kirche. „Menschen brauchen einen Ort zum Trauern, und dieser Ort ist der | |
Friedhof“, findet Böhrnsen. Zusammen mit den christlichen Kirchen machte er | |
sich gegen die eigene Parlamentsmehrheit stark – und setzte sich nun | |
teilweise durch. Auch die Bremer CDU machte sich zuletzt gegen die | |
Liberalisierung stark – die sie vor zehn Jahren, als sie in Bremen noch | |
selbst mitregierte, schon mal befürwortet hat. | |
Das Verstreuen der Asche wird künftig nur möglich sein, wenn dies der | |
schriftlich bekundete Wille des Verstorbenen ist und eine Person die | |
„Totensorge“ übernimmt. Bei starkem Wind darf nicht gestreut, benachbarte | |
Grundstücke dürfen nicht „beeinträchtigt“ werden. | |
Bundesweit werden bereits 50 Prozent der Toten eingeäschert, in Bremen 80 | |
Prozent. Dabei lehnte die Katholische Kirche das bis 1963 strikt ab, auch | |
die Protestanten akzeptierten Urnen erst im 20. Jahrhundert. Spanien, | |
Frankreich, Irland oder die Niederlande kennen keinen Friedhofszwang. In | |
der Schweiz darf die Asche verstreut werden, in den USA dürfen Urnen im | |
Wohnzimmer stehen. In der Praxis führt das immer wieder zu einem gewissen | |
Leichen-Tourismus. | |
29 Jul 2014 | |
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## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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