# taz.de -- Anti-Wowereit-Initiative gründet Partei: „Wir wollen ins Abgeord… | |
> Bisher sind nur 7.500 Unterschriften für eine Neuwahl des Berliner | |
> Abgeordnetenhauses zusammengekommen. Die Initiatoren betrübt das nicht: | |
> Sie haben eine Partei gegründet. | |
Bild: Auf ihn haben es die Neuwahl-Unterstützer abgesehen: Berlins Regierender… | |
taz: Herr Wittau, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist Anfang | |
der Woche aus einer Umfrage als unbeliebtester Politiker der Stadt | |
hervorgegangen. Hat Sie das gefreut? | |
Martin Wittau: Gefreut – nein. Ich finde es traurig, dass er noch immer | |
Regierender Bürgermeister ist. Die Umfrage zeigt aber, dass wir mit unserem | |
Volksbegehren richtig liegen. | |
Die von Ihnen mitgegründete Initiative Außerparlamentarische Ergänzung | |
(APE), die vorgezogene Neuwahlen fordert, sammelt seit dem 20. März | |
Unterschriften. Wie viele haben Sie bisher zusammen? | |
Etwa 7.500 Unterschriften – bedingt durch die Sommerferien etwas weniger | |
als erwartet. Täglich kommen mit der Post Unterschriftenlisten zurück. | |
Ungefähr 3.000 Unterschriftenlisten kursieren noch – so viele wurden auf | |
unserer Webseite runtergeladen. Es wird aber schwierig, bis 15. September – | |
wenn das erste halbe Jahr der Sammlung vorbei ist – unser Ziel von 50.000 | |
zu erreichen. Da bräuchten wir noch eine erhebliche Stimulierung. Und dafür | |
haben wir zu wenige aktive Unterstützer. | |
Wie viele Helfer sind im Einsatz? | |
Zwischen 10 und 15, je nachdem, wie die können. Die meisten sind ja voll | |
berufstätig. Wir sammeln etwa an den Haupteingängen des Tempelhofer Felds | |
und haben dort eine sehr gute Resonanz. | |
Vielleicht liegt es nicht an den wenigen Helfern, sondern daran, dass sich | |
die Berliner mit Wowereit abgefunden haben? | |
Die Umfrage, die Sie erwähnt haben, zeigt, dass die Berliner ihn weghaben | |
wollen. Und die Resonanz bei unseren Sammlern zeigt das auch: 60 Prozent | |
der Menschen, die unterschreiben, tun dies völlig kommentarlos. Da müssen | |
wir keine Argumente mehr anführen. Die anderen fragen uns häufig, was denn | |
die Alternative wäre. | |
Und was antworten Sie? | |
Wir als APE können da gar nichts anbieten – außer zu fordern, dass der | |
Regierende künftig direkt vom Volk gewählt wird und seine Amtszeit begrenzt | |
wird auf maximal eine Wiederwahl. Alternativen aufzuzeigen ist Aufgabe der | |
Parteien. Deswegen haben wir am 3. Juli eine eigene Partei gegründet, im | |
Abgeordnetenhaus, während der letzten Sitzung vor der Sommerpause. | |
Wie heißt die? | |
VERA. Das steht für Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt, Anstand. | |
Wie viele Mitglieder haben Sie? | |
Derzeit zehn. | |
Sie wollen also zur nächsten Abgeordnetenhauswahl antreten? | |
Genau. Mein Mitstreiter Felix Herzog und ich sind seit Februar bei jeder | |
Sitzung des Abgeordnetenhauses auf der Besuchertribüne gewesen und haben | |
dort wirklich schlechte B-Movies zu sehen bekommen: vom Drehbuch her, den | |
Charakteren, der Handlung. Da kann einem schlecht werden. | |
Was wollen Sie denn anders machen? | |
Wir erarbeiten gerade unser Programm, im September wird es auf einem | |
Parteitag beschlossen. Das Ziel ist, einfach eine andere Politik zu machen, | |
die nicht auf Dogmen und Fraktionszwängen beruht, sondern auf Argumenten | |
und Menschenverstand. Wir versuchen, in unsere Satzung Faktoren | |
einzubinden, die das Abdriften ins Establishment zumindest hinauszögern: So | |
soll ein Ethikrat nicht nur aus Parteimitgliedern darüber wachen, wie die | |
Tagespolitik mit den Grundsätzen der Partei übereinstimmt. Und | |
gegebenenfalls Korrekturbedarf anmahnen. | |
Wovon sind Sie ausgegangen? | |
Wir waren auf der Suche nach Grundeigenschaften für Gesellschaft, im | |
Kleinen wie im Großen. Gefunden haben wir das vom Religionswissenschaftler | |
Hans Küng formulierte Weltethos, also bestimmte verbindende Kernwerte, die | |
1993 von einem Weltparlament der Religionen als Declaration on Global Ethic | |
verabschiedet wurden. | |
Spekulieren Sie auf das Erbe der Piratenpartei? | |
Wir wollen eine Alternative sein für jene, für die die Alternative für | |
Deutschland (AfD) keine Alternative ist. Auch die Piraten haben gezeigt, | |
dass eine Alternative gewünscht wird. Das Potenzial für Veränderungen liegt | |
bei 10 bis 20 Prozent. Damit kann man was anfangen. | |
Können Sie dann nicht das Volksbegehren einstellen? | |
Tatsächlich erwartet ich, dass das Abgeordnetenhaus uns zuvorkommt – und | |
sich noch im Herbst mit Zweidrittelmehrheit selbst auflöst, und es so zu | |
Neuwahlen kommt. Dazu braucht es die Stimmen von Piraten, Linken, der | |
Grünen und der CDU. Ich gehe davon aus, dass, weil die CDU bei 30 Prozent | |
in den Umfragen liegt, sie nicht mehr lange die Koalition mittragen wird. | |
Aber wir werden das Begehren noch parallel weiterlaufen lassen. | |
Glauben Sie nicht, dass die etablierten Parteien über Ihre Partei lachen | |
werden? | |
Lachen? Nein. Vielleicht werden sie fragen: „Habt ihr nichts Besseres zu | |
tun, als eine Partei zu gründen?“ Aber das haben sie schon bei dem | |
Volksbegehren gefragt. | |
8 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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