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# taz.de -- Peter Plate über Rampensäue und Flops: „Schwulenband? Was soll …
> Peter Plate wurde mit Rosenstolz berühmt, fühlte sich auf den großen
> Bühnen aber nie zu Hause. Nun hat er für eine Musicalversion von Romeo
> und Julia die Songs verfasst.
Bild: „Der Zusammenbruch hat mir mein Leben geschenkt“: Peter Plate.
taz: Herr Plate, was verbinden Sie mit Romeo & Julia?
Peter Plate: Meine erste Erinnerung an das Stück ist eine Schulaufführung.
Wen haben Sie gespielt?
Die Julia natürlich! (lacht) Nein, ich habe nicht mitgespielt.
Wie oft haben Sie das Stück seitdem noch gesehen?
Im Theater kein einziges Mal.
Wirklich nicht?
Nein. Aber den Film mit Leonardo DiCaprio fand ich super.
Das ist aber mutig, dann aus dem Stoff gleich ein Musical zu machen, das am
Samstag in Kiel Premiere feiert.
Die Idee kam ja erst einmal von Daniel …
… Karasek, Sohn von Hellmuth Karasek und Generalintendant am Theater Kiel.
Ursprünglich sollten ich und mein Partner Ulf Leo Sommer nur drei Songs für
das Musical schreiben, am Ende wurden es 15. Das ist einfach so passiert.
Braucht die Welt einen tot inszenierten Stoff wie Romeo & Julia als
deutschsprachiges Musical?
Die Geschichte ist einfach toll. Die ist zwar schon tausend Millionen Mal
erzählt worden, aber die wird auch noch tausend Millionen Mal erzählt
werden, ohne ihren Reiz zu verlieren. Ich finde es umwerfend, wie wenig
zynisch da die Liebe beschreiben wird. Trotzdem muss man so einen Stoff für
Jüngere aufbereiten. Ich war in London bei „Billy Elliott“, da drängelten
sich die 14-Jährigen. So läuft das in Deutschland leider nicht. Aber es
gibt so tolle Musicals. Ich würde mir wünschen, dass auch Schulklassen in
Romeo & Julia gehen.
Fügen Sie was Neues hinzu?
Darüber haben wir uns nie Gedanken gemacht. Wir waren viel zu verliebt in
die Idee. Außerdem ging alles so schnell, dass wir gar keine Zeit hatten,
Angst davor zu entwickeln, ob wir „Romeo & Julia“ noch etwas Relevantes
abringen könnten. Schlussendlich ist es doch besser, eine gute Geschichte
noch einmal zu erzählen, als sich selbst eine schlechte auszudenken.
Ein Kritiker der FAZ hat mal über Ihre auf Eis gelegte, einst erfolgreiche
Band geschrieben, Rosenstolz wären „Westentaschen-Operette“. Sind Sie nun
zu Hause angekommen?
(lacht laut) Ja, vielleicht. Aber wie hat der Kritiker das gemeint?
Vermutlich eher abwertend.
Ich war mal mit Frank Schirrmacher in einer Talkshow. Da sitzt man vorher
so zusammen, damit man sich ein bisschen kennenlernt. Plötzlich zeigt mir
Schirrmacher, dass er auf seinem iPhone alle Rosenstolz-Alben hat, und
sagt, dass er das liebt. Ich bin vom Glauben abgefallen.
Was werden die Kritiker über Romeo & Julia schreiben?
Grundsätzlich muss man da drüber stehen und sich sagen: Wichtig ist nicht,
was da geschrieben wird, sondern, dass was geschrieben wird – damit die
Leute mitkriegen, dass es die Platte oder das Musical gibt. Die bilden sich
schon ihre eigene Meinung. Ich glaube, ich habe mal gelesen, die zehn am
besten verkauften Platten aller Zeiten hatten überwiegend schlechte
Kritiken.
Ist dieses Drüberstehen so einfach?
Sicher nicht, aber man darf darüber nicht nachdenken. Man muss selbst gut
finden, was man macht, sonst funktioniert es nicht. Alles andere wäre
zynisch – und das merkt das Publikum.
Wie kriegt man ein dickes Fell, ohne selbst zynisch zu werden?
Ich habe so viel Glück im Leben gehabt. Jetzt zynisch zu werden, das wäre
doch bekloppt. Ich hatte zum Glück auch keine Gefallsucht, die hatte ich
noch nie. Wenn man meint, man müsse von 100 Leuten alle 100 begeistern,
dann sollte man nicht Künstler werden, sondern Fußballweltmeister.
Ist so ein Musical auch eine gute Gelegenheit für Sie, in die zweite Reihe
abzutauchen?
Abtauchen würde ich das nicht nennen. Ich stehe schon gern auf der Bühne,
aber nur ab und zu. Es stimmt schon: Im Moment fühle ich mich in der
zweiten Reihe viel wohler. Es hat mich noch nie auf die Bühne getrieben.
Ich fühle mich am wohlsten in meinem Studio. Ich will Musik machen.
Was hat Sie so sehr gestört daran, ein Star zu sein?
Dass ich keiner bin. Nein, ich war nie ein Star. Man muss nicht berühmt
sein, um ein Star zu sein. Es gibt Menschen, die leuchten, wenn sie einen
Raum betreten. Das kennt man doch schon von Familienfesten: Die Tante, die
den Laden zusammenhält und eine unglaubliche Wärme ausstrahlt. Das sind
Stars. Und das kann man auch nicht lernen.
Mit Rosenstolz, Ihrer Band zusammen mit AnNa R., haben Sie vor
Zehntausenden gespielt. War das immer bloß Unglück?
Die ersten Jahre habe ich mich auf der Bühne unwohl gefühlt, aber dann habe
ich eine Routine entwickelt und Auftritte auch irgendwann genossen. Aber
egal, ob man vor 15 oder 15.000 Leuten spielt, man muss dafür leben und dem
alles unterordnen. Die Stimme muss in Ordnung sein, man darf nicht krank
werden, man ist ständig unterwegs, andere Menschen hängen von einem ab, die
Erwartungen sind hoch, man muss immer stark sein – das alles will ich nicht
mehr.
Sie hatten Panikattacken auf der Bühne, auch einen Zusammenbruch. 2009
wurde ein Burn-out öffentlich.
Das Wort Burn-out ist Quatsch, weil das bei jedem völlig anders verläuft.
Ich war erschöpft, ich hatte Depressionen. Aber das Ganze war auch eine
Chance. Je länger der Zusammenbruch her ist, desto dankbarer bin ich
darüber. Das war super. Das war zwar ein beschissenes Jahr, aber anders
hätte man mich gar nicht stoppen können. Dieser Zusammenbruch hat mir ein
zweites Leben geschenkt. Ich habe gelernt, mit meinen Süchten umzugehen.
Ich bin ein Workaholic – das ist eine Sucht. Wie andere Alkohol brauchen,
brauche ich Arbeit. Seit ich Regeln habe und die einhalte, geht das.
Wären Sie vielleicht doch gern eine Rampensau?
Nein. Inge Meysel hat in der Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt
erfahren, dass ihr Mann gestorben ist – und trotzdem gnadenlos
weitergespielt. Das hat sie stolz einmal im Fernsehen erzählt, aber ich
finde das krank. Nein, dieses Gen fehlt mir.
Wie kommt man raus aus so einem Tief, wie Sie es hatten?
Jeder muss da seinen eigenen Weg finden. Mir hat es geholfen, dass das
Handy Samstag und Sonntag ausbleibt. Das ist zwar jedes Mal wie Entzug,
aber ich kann dann doch loslassen. Ich bin erst wieder mit einer
Dreitagewoche eingestiegen, mittlerweile arbeite ich manchmal sogar wieder
fünf Tage. Aber ich muss aufpassen: Für Romeo & Julia habe ich ein paar
Wochen ohne freien Tag durchgearbeitet. Auch da war aber immer pünktlich
Feierabend: Bis 20 Uhr bin ich hundertprozentig beim Job, ab 20 Uhr
hundertprozentig zu Hause bei Hund, Katze und Partner. Ich musste lernen,
dass man das so trennen kann.
Hilft es, dass Sie im beschaulichen Charlottenburg leben?
Ich liebe mein Charlottenburg. Dass mein nettes, freundliches, uncooles
Charlottenburg gerade so hip wird, ist fürchterlich. Die sollen mal alle in
Mitte bleiben.
Klingt sehr bürgerlich.
Wenn’s überall so schlimm wäre wie in Charlottenburg, wäre die Welt doch
ein guter Ort. Ich bin da noch nie angepöbelt worden, wenn ich mit meinem
Freund Hand in Hand spazieren gehe. Wenn das bürgerlich ist, dann finde ich
bürgerlich super.
War der Abschied von Rosenstolz – in der Rückschau – einfacher als
erwartet?
Nein, der war total schmerzhaft. Für mich war das Ende von Rosenstolz wie
das Ende einer Liebe – nicht die Liebe zu Anna, sondern zu dem ganzen Ding.
Ich hatte das schließlich mein ganzes Berufsleben lang gemacht. Da kommen
die Ängste: Wer bin ich eigentlich ohne Rosenstolz? Andererseits war es
auch eine große Erleichterung – wie nach einer Beziehung eben. Man freut
sich, endlich wieder Single zu sein. Im nächsten Moment denkt man aber
schon wieder: Werde ich jemals wieder einen abkriegen? Schlussendlich hat
die Erleichterung aber überwogen.
Nur ein Jahr nachdem Sie Rosenstolz 2012 auf Eis gelegt hatten, erschien
Ihr erstes Soloalbum „Schüchtern ist mein Glück“. Es hat sich nicht
sonderlich gut verkauft.
Nett gesagt. Das Album ist gnadenlos gefloppt.
Wie enttäuscht waren Sie?
Im Gegenteil. Ich habe da eine große Dankbarkeit gefühlt.
Wie das?
Ich kenne mich. Wenn das Ding durch die Decke gegangen wäre, hätte ich die
Verpflichtung gefühlt, wieder auf Tour zu gehen. Ich habe, wenn man darüber
nachdenkt, nach dem Ende von Rosenstolz eigentlich dasselbe noch einmal
gemacht – nur allein und in klein. Ich wusste zwar schon, dass das nicht
meine Zukunft sein kann, schon wieder auf Reisen zu sein und jede Nacht
allein in einem anderen Hotelzimmer zu liegen. Aber ich musste es wohl noch
einmal spüren.
Der Misserfolg war beabsichtigt?
So würde ich das nicht sagen. Aber uns war schon vorher bewusst, dass das
kein großer Erfolg werden würde. Wir machen lange genug Popmusik, um die
Mechanismen zu kennen. Und wir kennen auch meine Stimme. Mit einem besseren
Sänger wäre es vielleicht besser gelaufen.
Dann war der Misserfolg vielleicht nicht beabsichtigt, aber doch
provoziert?
Nein. Obwohl – vielleicht hatte ich das im Hinterkopf und wollte das schöne
Leben, das ich jetzt habe, nicht riskieren. Um ehrlich zu sein: Wir wussten
zu dem Zeitpunkt einfach nicht, was wir tun sollten. Wir hatten keinen Job.
Damals kamen noch keine Anrufe mit Angeboten, so wie sie jetzt kommen. Ich
war damals Mitte vierzig. Und wenn man bei den Radiosendern anruft, dann
fragen die: Was will der alte schwule Mann hier? Ich will keine
Diskriminierungsdiskussion anfangen, aber das ist schon interessant, was da
abläuft. Der singt so schwul, hieß es da.
Waren Sie überrascht, dass es solche Diskriminierung noch gibt?
Nein, mir war schon klar, dass es noch Homophobie gibt. Als ich 2002
geheiratet habe, hatte der Tagesspiegel nichts Besseres zu tun, als eine
Kolumne zu schreiben mit dem Titel „Willkommen in der Spießigkeit“ und
einem Foto von mir und meinem Mann. Wie doof kann man sein? Wir haben doch
nicht gefordert, dass alle heiraten müssen, wir haben nur das Recht
eingefordert, wie alle anderen auch heiraten zu können.
Zuletzt haben Sie Ende 2013 die „Aktion 10“ gegen die
Anti-Homo-Gesetzgebung in Russland initiiert. Sie haben den Song „Zehn (für
Natasha & Olga)“ aufgenommen und vor der russischen Botschaft demonstriert.
Das war ein Reinfall.
Politisch war es ein Mega-Reinfall, aber für uns als Menschen war es
überhaupt kein Reinfall. Wir haben uns einen Lkw gemietet, sind vor die
russische Botschaft gefahren und haben unser Liedchen geträllert. Das war
ein Tag, den werde ich nie vergessen. Nur 300 Menschen waren da, aber es
war trotzdem ein schönes Gefühl, sich zu wehren.
Warum blieb die Resonanz aus?
Das fragen Sie mich? Da kann ich richtig wütend werden. Wir haben gemerkt,
dass man zwar die Unterstützung von genau denselben Pappenheimern kriegt,
die so etwas immer unterstützen. Aber man braucht nicht im Traum daran zu
denken, dass der Mainstream einen unterstützt. Wir haben dieselben
Presseverteiler angeworfen wie für Rosenstolz, aber es interessiert die
einfach nicht. Das tat richtig weh. Da lernt man, wer seine Freunde sind
und wer nicht. Und ich muss sagen: Helene Fischer hat die Aktion mit einer
Videobotschaft unterstützt, obwohl die bei ihrem Umfeld und Fans echt was
zu riskieren hatte. Während andere Kollegen, von denen man das eigentlich
erwartet hätte, den Mund nicht aufgekriegt haben.
Aber es waren sich doch alle einig, dass die Gesetze in Russland homophob
sind.
Zwischen einig sein und tatsächlich etwas tun liegt eben ein himmelweiter
Unterschied. Der Grünenpolitiker Volker Beck hat mir erzählt, dass er alle
zwei Wochen weitgehend allein vor der russischen Botschaft herumsteht und
demonstriert.
Immerhin im Kulturbetrieb aber scheint die Normalisierung doch – auch dank
Rosenstolz – weiter zu sein?
Das langfristige Ziel wäre natürlich, dass sich niemand mehr dafür
interessiert, ob jemand schwul ist. Aber da sind wir noch lange nicht.
Stattdessen ist es doch so, dass Rosenstolz, auch als wir schon großen
Erfolg hatten, in den Medien immer die „Schwulenband“ geblieben sind. Auch
wenn unser Publikum da vielleicht noch zu zehn Prozent aus Schwulen
bestand.
Da ist die Quote bei Helene Fischer wahrscheinlich deutlich größer.
Mit Sicherheit. Ich bin ja gern schwul, aber Schwulenband ist natürlich
eine selten dämliche Schublade. Was bedeutet das denn musikalisch? Gibt es
auch Hetenbands? Und wie klingen die?
Kann man mit Musik politisch etwas verändern?
Natürlich, daran glaube ich fest. Zugegeben, der Song „Zehn (für Natasha &
Olga)“ hat das zwar nicht geschafft, vielleicht war er einfach nicht gut
genug. Aber Musik kann etwas erreichen. Nicht von einer Sekunde auf die
andere, aber ein Song wie „Imagine“ beweist doch, dass Musik ganz viel
bewegen kann.
Hängt das nur am Text, oder kann auch eine Musik eine politische Aussage
haben?
An „Imagine“ ist doch so toll, dass der Text großartig, die Melodie super
ist und John Lennon auch noch ganz gut singt. Dieser Dreiklang, der ist
wichtig.
Wann schreiben Sie ein „Imagine“?
Wahrscheinlich nie. Keine Ahnung, ob ich noch mal versuche, so einen
dezidiert politischen Song zu schreiben. Ich habe momentan auch nicht vor,
morgen wieder vor eine Botschaft zu fahren. Aber ich werde nie aufhören,
ein politischer Mensch zu sein. Man muss immer die Augen aufhalten.
16 Aug 2014
## AUTOREN
Thomas Winkler
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