# taz.de -- Das Projekt Haderthauer ist gescheitert: Niedergang einer Kunstfigur | |
> Christine Haderthauer ist eine Frau aus Norddeutschland. Sie sollte | |
> Zugezogene in Bayern zu CSU-Wählern machen. Aber dann lief alles aus dem | |
> Ruder. | |
Bild: Die Haderthauer in besseren Zeiten. | |
Es war der Anfang vom Ende. Die CSU Ingolstadt hatte im Februar 2013 zum | |
politischen Aschermittwoch in den Peterwirt von Unsernherrn bei Ingolstadt | |
eingeladen. Schon tags zuvor hatte Christine Haderthauer, seinerzeit | |
Sozialministerin im Freistaat Bayern, via Facebook angekündigt, sie wolle | |
im Dirndl auftreten. Im Dirndl? Die ist umprogrammiert worden, vermuteten | |
die Beobachter der bayerischen Landespolitik schnell und erinnerten sich | |
daran, wie alles angefangen hat mit der Frau Haderthauer. | |
Die Haderthauer im Dirndl, die sollte es eigentlich nur in Ausnahmefällen | |
geben. Das hatten die am Projekt H Beteiligten einst festgelegt. Damals, | |
vor knapp zehn Jahren, angeschoben von Erwin Huber, jenem mittlerweile | |
abgehalfterten CSU-Niederbayern, als er noch Vorsitzender der CSU war. | |
Seine Überlegungen erschienen vielen in der Partei einleuchtend, geradezu | |
genial. | |
Auf dem Land lastete seinerzeit ein gewaltiger Migrationsdruck. Fachkräfte | |
für den Sozialbereich, die Automobil- und Elektroindustrie strömten aus dem | |
nichtbayerischen Deutschland in den Freistaat. Hubers Plan sah vor, eine | |
Kunstfigur zu erschaffen, mit der es möglich sein sollte, diese | |
nichtbayerischen Menschen an die Staatspartei zu binden. | |
Man begab sich also ins Labor und schuf Christine Haderthauer. Und so wurde | |
im Jahr 2007 eine Frau zur Generalsekretärin der CSU, die in | |
Schleswig-Holstein als Christine Cuntze geboren wurde und nur einen Teil | |
ihrer Kindheit in Bayern verbracht hat. Die Haderthauer galt schnell als | |
Sensation, als beste Erfindung der CSU, seit die Partei den weiß-blauen | |
Himmel über Bayern aufgehängt hat. Man war sich zwar nicht ganz sicher, ob | |
das mit dem Implantieren des bayerischen Humors geklappt hat, freute sich | |
aber umso mehr, dass immer ein paar Leute gelacht haben, wenn sie gesagt | |
hat: „Ich habe einen norddeutschen Migrationshintergrund.“ | |
## Respekt im Dauerbierdunst | |
Der Lebenslauf, den die Macher des Projekts H ihrem Produkt verpasst haben, | |
hatte es in sich. Ein Leben zwischen Preußen, Franken und Altbayern, die | |
Ehe mit einem Mann, der einen bairisch klingenden Nachnamen hat. Und dann | |
sollte da noch etwas sein, was ihr an den im Dauerbierdunst liegenden | |
Wirtshaustischen Respekt einbringen sollte. „Bairisch kann sie zwar nicht, | |
aber ein Hund ist sie schon“, sollten die Menschen auch nach dem Genuss von | |
etlichen Krügen Bier sagen, wenn sie sich darüber unterhielten, wie die | |
Haderthauers nebenbei noch ein paar Kreuzer dazuverdienten. Da war man sich | |
im Projektteam einig: Nur wer ein Hund ist, kann es in Bayern zu etwas | |
bringen. | |
Heute wird viel darüber spekuliert, wer nun genau wann auf die Idee | |
gekommen ist, Patienten psychiatrischer Betreuungsanstalten dadurch zu | |
helfen, dass man sie für ein Taschengeld Modellautos bauen lässt, die man | |
dann teuer verkaufen oder versteigern lassen kann. Geschadet hat es gewiss | |
nicht, dass Haderthauers Mann zunächst als Arzt in einer dieser Anstalten | |
gearbeitet hat und später als Landgerichtsdirektor immer noch in diesem | |
Bereich tätig war. Alleine hätte die Juristin Haderthauer den Patienten in | |
jenen Bezirkskrankenhäusern gewiss nicht helfen können, hätte nicht dafür | |
sorgen können, dass aus einem Dreifachmörder ein Modellbaugenie wird. | |
Dass eine Frau, die sich auf eine derart soziale Weise für die Gesellschaft | |
engagiert, die nicht einmal davor zurückschreckt, mit jenem Dreifachmörder | |
persönlichen Umgang zu pflegen, Sozialministerin werden muss, das lag für | |
die Karriereplaner der Haderthauer auf der Hand. Und so landete sie im | |
ersten Kabinett Seehofer. Da hatte sie die Portion Rückgrat, mit der man | |
sie ausgestattet hatte, indes schon verbraucht. Nach der krachenden | |
Niederlage der CSU bei der Landtagswahl 2008, bei der die Partei die | |
absolute Mehrheit klar verfehlt hat, war sie als Generalsekretärin | |
zurückgetreten. Das verschaffte ihr Respekt bei etlichen Menschen, machte | |
aber diejenigen in der Partei nervös, die ganz genau wussten: Jetzt hat die | |
Frau kein Rückgrat mehr. | |
## Wandlung der Dirndlverweigerin | |
Die Haderthauer verselbstständigte sich, entzog sich mehr und mehr der | |
Kontrolle ihrer Macher und widersprach weder laut noch leise, als es hieß, | |
sie mache sich daran, in die Rolle der Kronprinzessin von König Horst zu | |
schlüpfen. Und da begann jene merkwürdige Wandlung von der selbstbewussten | |
Dirndlverweigerin, die mit ihrer preußischen Herkunft zu kokettieren | |
pflegte, zur Scheinbayerin im Trachtengewand. | |
Eine Konkurrentin um den Kronprinzessinenposten saß ihr da im Nacken, und | |
auch wenn sie wusste, dass sie ein Dirndl nie so gut ausfüllen können würde | |
wie Ilse Aigner, wenn unter ihrer Schürze nie die in Bayern so beliebten | |
Wadln wie Schubkarrnradln stecken würden, so schmiss sie sich doch ins | |
Trachtengewand und hörte für eine Weile gar nicht mehr auf, von ihrem | |
perfekten Familienmodell zu schwärmen. Ein Mann, der sagt, wo es langgeht, | |
zwei Kinder und eine Frau, sie selbst nämlich, die sich um all das kümmert, | |
was eine Familie einer Frau eben so abverlangt. | |
Nicht wenige fanden das fies, wusste doch jeder im Land, dass die Aigner | |
eben keine Familie vorzuweisen hat, wie man sie in Bayern immer noch gern | |
predigt. Und die Macher des Projekts H merkten, dass sie ein eiskaltes | |
Wesen geschaffen hatten, ein wenig zu kalt vielleicht für die bayerische | |
Kachelofenseligkeit. Doch trotz dieser Bedenken schien das Projekt H weiter | |
zu funktionieren. Haderthauer wurde Chefin der Staatskanzlei im zweiten | |
Kabinett Seehofer. | |
## Kälte als Stärke | |
Und was hieß schon kalt? War ihre Kälte nicht irgendwie auch eine ihrer | |
Stärken? Als Sozialministerin zum Dialog mit Flüchtlingen in eine | |
Unterkunft zu fahren und dann dort nicht einmal das Auto zu verlassen, das | |
muss man sich erst einmal trauen. Und vielleicht wundert sich die | |
Haderthauer in diesen turbulenten Tagen, warum man seinerzeit nicht den | |
Rücktritt von ihr verlangt hat. | |
Wäre das nicht ein viel triftigerer Grund für eine Demission gewesen als | |
die Ermittlungen wegen Betrugs an einem ehemaligen Geschäftsmann, der | |
glaubt, die Haderthauers hätten, anders als von ihnen selbst behauptet, | |
einen regelrechten Reibach mit den von Kranken gebauten Modellautos | |
gemacht, mag nicht nur sie sich fragen. | |
Und sie wundert sich gewiss auch darüber, dass es gleich einen | |
Untersuchungsausschuss geben soll, nur weil sie auf Nachfrage nicht immer | |
gleich die ganze Wahrheit gesagt hat. Sie mag es nicht verstehen, was | |
problematisch daran sein soll, dass sie Briefe aus der Staatskanzlei | |
verschickt, in denen ihr Anwalt Journalisten zur Zurückhaltung auffordert. | |
Und sie kann die Aufregung nicht verstehen, die entstanden ist, nachdem ihr | |
Anwalt der Staatsanwaltschaft vorgeworfen habe, sie wolle sie in Sippenhaft | |
nehmen. | |
## Nicht für Krisen programmiert | |
Die Haderthauer wirkt immer noch kalt und doch auch ein wenig hilflos. Man | |
hat wohl vergessen, sie auch für Krisen richtig zu programmieren. Das ist | |
auch ihrem Chef Horst Seehofer aufgefallen. Der findet das bisschen | |
Geschäftemachen mit Modellautos gewiss nicht problematisch. Er hat | |
lediglich gesagt, dass Haderthauers Umgang mit der Kritik an ihr „nicht | |
hilfreich“ gewesen sei, und hat mit diesen zwei Wörtern wahrscheinlich | |
schon ein endgültiges Urteil über seine Staatskanzleichefin gesprochen. | |
Seinen Untertanen hat er damit ein Signal gesendet: Ein Hund darf man schon | |
noch sein in Bayern, man muss nur besser dazu stehen. Das Projekt H wird er | |
als gescheitert ansehen. Bayern bleibt also bayerisch, und den weiß-blauen | |
Himmel wird die CSU sowieso nie abhängen. | |
18 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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