# taz.de -- Sprache und Rassismus: Unruhig oder getrennt | |
> Deutsche Medien verwenden immer noch den Begriff „Rasse“. Zuletzt bei der | |
> Berichterstattung zu den Protesten in Ferguson. | |
Bild: Beamter während der Proteste in Ferguson | |
„Rassenunruhe“ – in der Berichterstattung über den aktuellen Aufstand ge… | |
die Polizei im US-amerikanischen Ferguson verwenden große deutsche Medien | |
ständig dieses Wort. Zum Teil schon in der Überschrift, wie bei | |
Derwesten.de am 15. August, oder in dem Onlinestichwort über dem | |
Artikeltitel, wie beim Handelsblatt am 19. August. Einen Tag später benutzt | |
die Rheinische Post das Wort geballt in Untertitel, Vorspann und | |
Bildunterzeile eines Artikels. Vom 20. bis zum 22. August war der Begriff | |
immer noch täglich in mindestens einem der beiden Deutschlandradio-Sender | |
zu hören. Auch die beiden größten Schweizer Zeitungen, Tagesanzeiger und | |
Blick, titelten von „Rassenunruhen“. | |
In Ferguson geht es aber nicht einmal um den Kampf verfeindeter Ethnien. | |
Die zum Teil gewalttätigen Proteste richteten sich nicht aus Prinzip gegen | |
Weiße, sondern gegen die Polizei, zum Teil auch gegen die politischen | |
Institutionen hinter ihr. | |
Ständig sind zusammengesetzte Begriffe zu finden, die nach den Regeln der | |
deutschen Sprache besagen, dass es heute verschiedene Menschenrassen gibt – | |
das ist der Normalzustand. Am häufigsten ist dabei der offensichtlich | |
unkritisch von rassistischen Regimen übernommene Begriff „Rassentrennung“ … | |
aber eben auch „Rassenunruhen“. | |
So auch bei Spiegel Online. Am 20. August schrieb der offizielle | |
USA-Korrespondent des Onlinemagazins, Marc Pitzke, anlässlich der | |
Ausschreitungen in Ferguson dabei nicht nur von „Rassenunruhen“, sondern | |
auch von der „schwersten Rassenkrise seit Generationen“. | |
## Eigentlich verpönt, dennoch genutzt | |
Im Online-Auftritt der Süddeutschen Zeitung (SZ) findet sich das Wort | |
„Rassenunruhen“ zwar nur in Artikeln aus den Jahren 2010 bis 2013. Dort | |
wurde aber allein 2014 das Wort „Rassentrennung“ ein halbes Dutzend Mal | |
verwendet. Im Nachruf auf die südafrikanische Schriftstellerin Nadine | |
Gordimer ist sogar von einer „rigorosen Trennung der Rassen“ zu lesen – | |
geschrieben von Thomas Steinfeld, bis Anfang 2014 Koleiter des | |
SZ-Feuilletons. | |
Im Internetauftritt der FAZ findet sich der Begriff „Rassenunruhen“ nur in | |
der Überschrift zu einem Video. Auch die Welt hat keinen aktuellen Eintrag | |
dazu, und nur vereinzelt findet sich dort „Rassentrennung“. | |
Fritz Elster, Leiter der SZ-Schlussredaktion, sagt: „Das Wort ’Rasse‘ ist | |
im internen Sprachgebrauch der SZ als Nazi-Ausdruck konnotiert und steht im | |
Bezug auf Menschen auf dem Index der nicht zu verwendenden Wörter. | |
Natürlich rutscht der Begriff manchmal durch, wohl auch, weil | |
’Rassenunruhen‘ in den USA etwas anderes bedeutet als ’Rasse‘ im | |
Nazideutsch, wo dieses Wort zu verbrecherischen Zwecken missbraucht und | |
damit für den deutschen Wortschatz verbrannt wurde.“ | |
Froben Homburger, Nachrichtenchef der Deutschen Presse-Agentur (dpa), sagt | |
hingegen klar: „Es gibt keine Menschenrassen. Die Menschheit nach ’Rassen‘ | |
zu klassifizieren ist ein wesentlicher Bestandteil von Rassismus.“ Er | |
verweist auf das interne dpa-Handbuch, in dem verboten wird, | |
Menschengruppen als Rassen zu bezeichnen – Zitate sind ausgenommen und von | |
einzelnen Pannen, die Homburger zugibt, abgesehen. | |
## Verweis auf den US-Sprachgebrauch | |
Anders wird das beim Deutschlandradio gesehen. Ein Sprecher teilt mit, der | |
Begriff werde „in unseren Programmen verhältnismäßig selten genutzt“. Um | |
jedoch „eine sprachliche Varianz zu bieten“, würden „Sachverhalte mit | |
unterschiedlichen Worten und Begriffen eingerahmt“. Im Fall des Worts | |
„Rassenunruhen“ sei der Sender der Meinung, „dass durch seine Verwendung | |
kein rassistischer Sprachgebrauch reproduziert wird und er – im Kontext | |
eines tiefgehenden Interviews zum Thema – auch nicht als politisierend | |
verstanden werden kann“. | |
Udo Stiehl ist freiberuflicher Radioredakteur, Sprecher und Dozent. Er | |
kritisiert auf seinem Blog „besonders nachrichten-untaugliche Begriffe und | |
Formulierungen“ und hat erst kürzlich mit einem Kollegen [1][das | |
Online-Statistikwerkzeug Floskelwolke] eingerichtet, das die Verwendung von | |
50 journalistischen Floskeln zählt. „Im Deutschlandfunk habe ich erst | |
vergangene Woche ein Seminar zur Nachrichtensprache gegeben, und dabei kam | |
auch dieses Thema auf“, sagt Stiehl.„Mein Eindruck war, dass die Kollegen | |
dem Begriff ’Rassenunruhen‘ sehr kritisch gegenüberstehen. Die Tendenz war, | |
ihn zu meiden.“ | |
Stiehl ist in seiner Redakteurstätigkeit aufgefallen, dass gerade Berichte | |
aus den USA in einer „amerikanisierten Sprache“ daherkämen – in den USA … | |
„Race“ ein gängiger Begriff. Der meint dort aber nicht ganz dasselbe wie | |
das deutsche „Rasse“, sondern eher so etwas wie „Ethnizität“ oder | |
„Herkunft“, wie auch Stiehl klar ist. | |
Mit der Verwendung im Englischen rechtfertigt auch Martin Kessler von der | |
Rheinischen Post seinen Artikel: „’Rassenunruhen‘ ist ein feststehender | |
Begriff aus den 1960ern und vielen Lesern bekannt. Wir können uns aber gern | |
damit auseinandersetzen.“ Auf den Hinweis, dass es unwissenschaftlich ist, | |
von Menschenrassen auszugehen, wie es die genannten zusammengesetzten | |
Substantive implizit tun, stimmt Kessler zu: „Es gibt nur eine Spezies Homo | |
sapiens.“ | |
28 Aug 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.floskelwolke.de/ | |
## AUTOREN | |
Ralf Hutter | |
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