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# taz.de -- Rassismus in Frankreich: Objekt der Hasspropaganda
> Die neue Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem stammt aus Marokko.
> Die erzkonservativen, klerikalen und rechtsradikalen Milieus schäumen.
Bild: Unter ständiger, oftmals feindseliger Beobachtung: Najat Vallaud-Belkacem
PARIS taz | Noch geht es offenbar in Frankreich nicht allen in den Kopf,
dass eine in Marokko geborene Sozialistin in der Regierung sitzen kann, und
dazu noch als Erziehungsministerin, die für die Bildung und Zukunft der
Kinder verantwortlich ist. Schon als Ministerin für Frauenrechte und
Regierungssprecherin war Najat Vallaud-Belkacem ab Juni 2012 der Kritik der
konservativen Rechten ausgesetzt.
Ihr Kampf für die Gleichheit der Geschlechter und gegen sexistische
Klischees wurde von diesen reaktionären Hütern der christlichen Familie als
Exempel der sogenannter Gender Theories karikiert, welche angeblich im
Namen des Feminismus die natürlichen oder gottgewollten Unterschiede
zwischen Mann und Frau leugne.
Während der Debatte über die Einführung der Homoehe war Vallaud-Belkacem
neben der aus Französisch-Guyana stammenden Justizministerin Christiane
Taubira – die von einigen besonders „inspirierten“ Rassisten mit einem
Affenvergleich verunglimpft wurde – mit Abstand die am meisten angefeindete
Vertreterin der Linksregierung. Von denselben erzkonservativen Kreisen wird
ihre Ernennung zur Erziehungsministerin offenbar als pure Provokation
empfunden. Auf den Netzwerken und in der rechtsextremen Presse läuft eine
regelrechte Hetzkampagne, bei der Lügen, haltlose Gerüchte und sogar
Fälschungen gegen sie eingesetzt werden.
Zurzeit zirkuliert auf Twitter ein fast professionell gemachtes gefälschtes
Schreiben mit dem Briefkopf und kopierter Unterschrift der Ministerin,
demzufolge die Bürgermeister instruiert würden, dass ab sofort ein
(fakultativer) Sprachunterricht in Arabisch von einer Stunde pro Woche
eingeführt werde. Das wäre ja – falls es denn wahr wäre – wie alle
Förderung von Fremdsprachen bestimmt keine dumme Idee, doch dieses
Rundschreiben ist eine Fälschung mit dem Ziel, die Ministerin wegen ihrer
Herkunft zu verleumden.
Zweifel an ihrer Herkunft und Staatszugehörigkeit sollte wohl auch eine
andere Fälschung säen: Auf einem ebenfalls im Internet publizierten und bis
ins Detail kopierten Personalausweis (carte d’identité) lautet ihr Name
„Claudine Dupont“ – als habe sie versucht, sich da eine typisch
französische Identität zu erschleichen.
## Als Muslimin stigmatisiert
Auch die Tatsache, dass die in Frankreich aufgewachsene und mit einem
französischen Parteikollegen verheiratete Vallaud-Belkacem eine
französisch-marokkanische Doppelbürgerschaft besitzt, macht sie für das dem
rechtsextremen Front National nahestehende Blatt Minute bereits total
verdächtig: „Eine muslimische Marokkanerin im Erziehungsministerium“,
entsetzt sich Minute auf der Titelseite.
Niemand weiß, ob sich Vallaud-Belkacem als Muslim versteht – und das geht
eigentlich in dieser weltlichen Republik auch niemanden etwas an. Das
Magazin Valeurs actuelles porträtiert sie auf einer Titelseite mit einer
von allen sofort verstandenen Anspielung mit „Ajatollah“ und
„Umerziehungsministerin“.
Da jede Kritik an der Politikerin und Ministerin legitim ist, muss
angemerkt werden, dass diese Angriffe kamen, als Vallaud-Belkacem noch
nicht mal zehn Tage im Amt war. Wenn, wie im Fall von Valeurs actuelles die
Urheber bekannt sind, beteuern diese, dass ihre Polemik
„selbstverständlich“ nicht rassistisch gemeint war. (Nur!) 51 Prozent der
Franzosen und Französinnen finden laut Umfrage diese Angriffe auf die
Ministerin wegen ihrer Herkunft unberechtigt.
8 Sep 2014
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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Francois Hollande
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Sozialisten
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