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# taz.de -- Auszeichnung des Buchhandels: Preis einer gewissen Zirkushaftigkeit
> Long- und Shortlist sorgen für Rambazamba. Je kürzer die Liste, umso
> mächtiger ist ihre Wirkung auf den Handel. Letztlich zählt aber nur der
> erste Platz.
Bild: Nicht für alle gerecht
WIESBADEN taz | „Ich kann mich über den Deutschen Buchpreis nicht
beklagen“, schrieb vor ein paar Tagen der Titanic-Autor Michael
Ziegelwagner in der FAZ: „Ich stehe auf der prächtigen, imposanten, von
zwanzig Namen pulsierenden Longlist. Die armen Teufel, denen am 10.
September nur die kleine Shortlist bleiben wird, tun mir leid.“ Auch wenn
es sein Roman „Der aufblasbare Kaiser“ nicht auf die Shortlist geschafft
hat, beschreibt Ziegelwagner mit „pubertärem Witz“ Sinn und Zweck solcher
Listen recht präzise. Es geht um pulsierende Potenz.
Je kürzer die Liste, desto mächtiger ist allerdings ihre Wirkung auf den
Handel, besonders bei großen Läden und Verlagen. Bei Pristaff in Wiesbaden
beispielsweise ist der Trubel um den Buchpreis „nicht so wichtig. Wir sind
eine Vorortbuchhandlung. Vom Gewinner verkaufen wir vielleicht vier oder
fünf Exemplare. Und auch nur, weil das in den Medien war.“ Bei der
Buchkönigin in Berlin hingegen wird „auf die Longlist geguckt. Da freuen
wir uns, wenn wir die Titel dahaben, weil manche Kundinnen danach fragen.“
Besondere Werbung mache man aber nicht, anders als eine Kette wie
Hugendubel. Dort erklärte man: „Wir haben die Bücher aus der Shortlist
vorrätig und bewerben sie auch. Richtig los geht es nach der Verleihung.
Dann wird es vom Gewinner auch Pyramiden und Ähnliches geben.“
Auch im Verlagswesen profitieren etablierte Häuser von dem langwierigen
Literaturcasting im Vorlauf der eigentlichen Verleihung: „Sobald die Jury
die Longlist bekannt gibt, steigt das Interesse an den nominierten
Büchern“, hat man bei Diogenes festgestellt. Dass sich ein gelisteter Titel
aber auch verkauft, steht und fällt mit einem wohlwollenden Wort von
kritisierenden Geistesgrößen wie Elke Heidenreich oder Denis Scheck. „Seine
große Wirkung entfaltet die Auszeichnung aber erst mit der Verkündung des
Preisträgers.“ Die sei gleichbedeutend mit dem Titel „Bestseller“.
## Erwartbare Publizität
Regina Rumpold-Kunz von Jung und Jung aus Salzburg dagegen kann nicht
bestätigten, dass allein die simple Nennung eines Titels spürbares
Interesse weckt: „Die Longlist wirkt sich überhaupt nicht auf Verkäufe
aus.“ Einen hohen Stellenwert habe für den kleinen Verlag erst der Preis.
„Wir haben schon zweimal den Buchpreis gewonnen und das dann auch an den
Verkäufen gemerkt, klar.“ Auch hier scheint man sich weniger über die
literarischen Ehren zu freuen. Es ist eher die erwartbare Publizität im
medialen Fahrwasser, die Sektkorken knallen lässt.
Joachim Unseld von der Frankfurter Verlagsanstalt tadelte in einem
Fachblatt die Juroren für ihre „provinzielle Oberlehrerhaftigkeit ohne
literarische Weitsicht“. Helge Malchow von Kiepenheuer & Witsch sieht es
dialektischer. Positiv sei „die Aufmerksamkeit für deutschsprachige
literarische Neuerscheinungen, wenn auch um den Preis einer gewissen
Zirkushaftigkeit“. Nachteilig sei „die starke Fokussierung am Ende auf den
einen Roman“. Malchow schlägt vor, durch längere Gültigkeit, höhere Preise
und eine bessere Präsentation wenigstens die Titel auf der Shortlist
aufzuwerten.
Peter Haag von Kein & Aber würde zwar auch die Korken knallen lassen,
schränkt allerdings ein: „Ein Großteil der Leute ist überfordert vom
Angebot und stürzt sich auf jede Liste, die sagt, was gut ist und was
nicht. Es ist natürlich blödsinnig, ein Buch zum ’besten deutschsprachigen
Roman‘ zu küren. Es hilft aber schon, hier Rambazamba zu machen. Weniger
schön für die Autoren, die dann in jedem Warenhaus vorsingen müssen. Meist
gewinnt das Langweilige! So gesehen ist der deutsche Buchpreis leider genau
das, ein sehr deutscher Buchpreis. Eigentlich sollten sie ihn umbenennen.
In Homo-Faber-Preis.“
11 Sep 2014
## AUTOREN
Arno Frank
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