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# taz.de -- Das vergessene Rezept: Napoleon vor dem Kriegsgericht
> Nach der Schlacht von Marengo war Napoleon hungrig und sein Koch warf
> das, was noch da war, in einen Topf. So entstand das „Hähnchen Marengo“.
Bild: Das Hühnchen rannte, aber es half nichts. Napoleon hatte Hunger.
Auf dem Rückweg vom Urlaub in Italien kam ich auf der Autobahn A 26
zwischen Genua und Mailand an einer Raststätte vorbei. „Marengo Sud“ stand
auf dem Blechschild. Marengo? Marengo? Irgendwo hatte ich den Namen schon
mal gehört. Ich murmelte ihn vor mich hin.
Natürlich weiß jeder Opernkenner, dass im zweiten Akt, vierte Szene der
Oper „La Tosca“ ein gewisser Gendarm Sciarrone laut „A Marengo“ singt. …
auf der Autobahn A 26 bei 130 Stundenkilometern fiel mir das nicht ein.
Erst als ich, wieder zu Hause, nach einem Rezept für ein Hühnchen suchte
und dafür in ein paar alten Kochbüchern stöberte, war der Name plötzlich
wieder da: Marengo. „Poulet Marengo“, in einem französischen Kochbuch von
1982. Überfahrenes Huhn auf der Autobahn A 26, schoss es mir durch den
Kopf. Aber dann las ich das Rezept, und das klang so vernünftig, dass ich
mich an die Arbeit machte.
Marengo ist heute ein Dorf kurz vor der Stadtgrenze von Alessandria. Auf
Google Maps sieht man ein paar Straßenzüge, am Rande der Ortschaft den
Schlosspark mit einem „Museum der Schlacht“ (Mueso della Battaglia). Ein
Schlachtmuseum für Hühnchen? Ich klickte näher und sah eine Statue von
Napoleon Bonaparte.
Inzwischen weiß ich: Marengo war so etwas wie das Lugansk des 19.
Jahrhunderts: ein Schlachtfeld zwischen den Guten (Franzosen) und den Bösen
(Österreichern). Napoleons Truppen schlugen in der Schlacht von Marengo am
14. Juni 1800 die Truppen des österreichischen Generals Melas in die
Flucht, und anschließend – so erzählt man sich – hatte Napoleon Hunger. N…
besagt die eine Legende, Napoleon sei in einen Gasthof eingekehrt, dessen
Wirtin ihm ein geschmortes Hühnchen mit Brühe, Brot und Eiern zubereitete.
## Die Legenden
Die andere Legende besagt, es sei Napoleons Koch Dunant gewesen, der bei
den Bauern von Marengo alles zusammengekratzt habe, was der Krieg übrig
gelassen hatte – ein Huhn, ein paar Flusskrebse, Eier, Tomaten und Pilze.
Daraus entstand das Gericht. Ein Kriegsgericht. Und Koch Dunant war
vielleicht der erste Kriegsgerichterstatter.
So oder so, über den Ursprung des Rezepts kann man sich streiten. Einig ist
man sich, dass es später mit Wein und Tomaten verfeinert wurde. Heute gibt
es viele Varianten – das Gericht beruht nun mal auf dem Prinzip Zufall. Was
noch da ist, kann zugefügt werden.
224 Jahre nach der Schlacht sind 11.000 tote Soldaten auf französischer und
österreichischer Seite vergessen, das „Poulet Marengo“ aber überlebte.
Ähnlich war es mit der Tomatensauce „Solferino“, die an die Schlacht von
Solferino im Sardinischen Krieg 1859 erinnert. Welche Rezepte werden wohl
aus Lugansk, Mossul, Aleppo oder Tripolis überleben? Wird man in 200
Jahren, wenn niemand mehr weiß, wer Isis war, vom Mossuler Staudamm-Lamm
schwärmen? Oder vom Lugansker Bohneneintopf?
15 Sep 2014
## AUTOREN
Philipp Mausshardt
## TAGS
Napoleon
Essen
Kochen
DDR
Nachkriegszeit
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