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# taz.de -- Die Wahrheit: Liebesbrief an die Kilts
> In Schottland stümpern Prominente von Stephen Hawking bis Michael Douglas
> ungefragt und unlustig gegen die Unabhängigkeit.
Bild: Auf dem Weg zur Unabhängigkeit lassen sich die Schotten auch von plumpen…
Stephen Hawking hat einen Liebesbrief geschrieben. Oder genauer: Er hat ihn
unterschrieben. Noch genauer: Er hat durch Hochziehen einer Augenbraue die
Genehmigung gegeben, seine Unterschrift darunter zu setzen. Der unter
amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidende Physiker ist nicht der Einzige,
der den Brief unterschrieben hat. Das taten auch 214 andere Prominente aus
Wissenschaft, Kultur und Sport.
Der Brief richtet sich an die Schotten, die am Donnerstag entscheiden
müssen, ob sie die 307 Jahre alte Union mit England aufkündigen wollen. Man
schätze die Verbindung sehr, schreiben die Unterzeichner und betteln:
„Lasst uns zusammenbleiben.“ Es liest sich wie der Brief eines Mannes, dem
die Ehefrau die Scheidung angedroht hat. Wo aber waren die Geldsäcke, als
der eiserne Kotzbrocken Margaret Thatcher die Schotten als
Versuchskaninchen für ihre Kopfsteuer missbrauchte? Wo waren sie, als die
Tories die Schlafzimmersteuer einführten?
Und haben sie sich über die Suppenküchen echauffiert, die in Glasgow und
Edinburgh ob der ständigen Kürzungen der Londoner Regierung wie Pilze aus
dem Boden schießen? Vermutlich halten die Lords, Sirs, Dames und
Baronesses, die den Brief unterschrieben haben, Suppenküchen für
Restaurants mit leckeren regionalen Spezialitäten.
Besonders unter Musikern scheint der Drang weitverbreitet, sich in
politische Dinge einzumischen, von denen sie nichts verstehen. Cilla Black
zum Beispiel, die in Wirklichkeit White heißt und in letzter Zeit bei
törichten Fernsehsendungen auftrat. Oder Sir Mick Jagger, der seit 40
Jahren irrelevant ist. Oder Sandie Shaw, die zu Zeiten des
Schwarz-Weiß-Fernsehens barfuß das Eurovisions-Kampfsingen gewann,
inzwischen aber Schuhe trägt. Oder Sir Cliff Richard, Fundamentalchrist und
Oberheuchler, der seinen Wohnsitz aus Steuergründen längst vom Königreich
nach Barbados verlegt hat.
Selbstverständlich gehören auch Politiker zu den Briefunterzeichnern, wie
zum Beispiel George Galloway, der bei der Sendung „Ich bin ein Star, holt
mich hier raus“ Milch aus der hohlen Hand einer C-Prominenten schlürfte,
weil er ein Kätzchen darstellen sollte. Vorige Woche wurde er in London auf
offener Straße vermöbelt und danach mit Rippenbrüchen und Kopfverletzungen
ins Krankenhaus eingeliefert. Schottische Nationalisten hatten damit nach
Polizeiangaben nichts zu tun.
## Scotland ist nicht gleich Schottland
Warum aber hat der mittelmäßige Hollywood-Schauspieler Michael Douglas den
Brief unterschrieben? Er ist US-Amerikaner, und die wissen nachweislich
nicht, wo Schottland überhaupt liegt. Er hat das Land wohl mit einer
Ortschaft namens Scotland im US-Staat Connecticut verwechselt und versteht
nicht, warum die 1.500 Einwohner unabhängig sein wollen.
Die Hamburger Wochenpostille Die Zeit hat auch einen Brief an die Schotten
geschrieben. Es ist allerdings kein Liebesbrief, sondern eher eine
Hasstirade. Ob die Schotten wahnsinnig seien, überhaupt über Unabhängigkeit
nachzudenken, will der Autor wissen. Eigentlich müsste man nach der
Überschrift „Tschüss, Majestät!“ gar nicht weiterlesen, denn sie zeugt v…
Unkenntnis: Die Unabhängigkeitsbewegung will die Queen ja als
Staatsoberhaupt behalten.
Liest man trotzdem weiter, erfährt man, dass der Autor beim schottischen
Nationalismus an „Clanherren und Kilts“ denkt, „an pausbäckige
Dudelsackspieler und knollennasige Whiskyexperten“. Er hat Nessie
vergessen. Zum Schluss wird klar, was den Autor wirklich umtreibt: Die
britische Atom-U-Boot-Flotte müsste aus Faslane verschwinden. Damit wäre
die schöne „Nato-Strategie angeschlagen“. Herrje.
Die Gegenseite hat Sean Connery, und der wiegt schwerer als alle
Liebesbriefschreiber. Er ist zwar auch Steuerflüchtling, zahlt seinen
Obolus aber direkt an die Unabhängigkeitsbefürworter. Die antworteten auf
den Brief von Hawking und Konsorten: „Macht euch keine Sorgen. Wir ziehen
nach einem Ja im Referendum nicht weg. Und wir können beste Freunde
bleiben.“
15 Sep 2014
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Schottland
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