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# taz.de -- Kampf gegen den Terror: Die Allianz der Angstmacher
> Australische Behörden vereiteln dank Überwachung weitere Enthauptungen –
> zumindest behaupten sie das. Diese Nachricht aber nützt dem IS.
Bild: Vor der Angst – New York im Jahr 2000.
Was für eine Vorstellung: Junge Anhänger des Islamischen Staats greifen
sich an belebten Plätzen in Sydney irgendeinen beliebigen Passanten,
wickeln ihr Opfer in eine schwarze IS-Fahne ein, trennen ihm lebend den
Kopf ab, filmen das ganze und stellen das Video ins Netz. Genau diesen
Plan, argumentiert der australische Premierminister Tony Abbott, hätten die
Sicherheitskräfte in der Nacht zu Donnerstag mit der größten Razzia gegen
muslimische „Terrorverdächtige“ in Australiens Geschichte verhindert.
Abgehörte Telefongespräche und einige Twitter-Nachrichten, sagen die
Behörden, hätten sie auf die Spur gebracht. Muslime unter Generalverdacht,
ärgern sich Vertreter der australischen Islamverbände. Neun der 15
Festgenommenen sind schon wieder frei.
Ob es den Plan wirklich so gab, ist derzeit nicht zu beurteilen. Sicher
aber ist: Die Vorstellung löst Angst aus. Plötzlich, so die Message, sind
die Enthauptungen, die entfesselte Gewalt, nicht mehr weit weg, sondern
bedrohen uns da, wo wir leben. Und daran, an der Verbreitung von Angst,
haben beide ein Interesse: sowohl die Terrorgruppe des Islamischen Staats
als auch die Sicherheitsbehörden.
Es fällt ja schon auf: Bei jedem Lebensmittelskandal, bei jedem Unfall in
einem Atomkraftwerk stehen augenblicklich Politiker parat, die versichern,
„zu keinem Zeitpunkt“ sei die Bevölkerung auch nur irgendwie gefährdet
gewesen. Alles unter Kontrolle, niemand muss sich Sorgen machen. Bei
mutmaßlich verhinderten Terroranschlägen hingegen ist die Message eine
andere: Das war verdammt knapp, wir müssen noch mehr tun.
## Schulhofschläger im Weltmaßstab
Daraus nun zu schließen, alle Meldungen über verhinderte Attentate seien
reine Nebelkerzen, erdacht von wildgewordenen Geheimdiensten, deren
einziges Interesse der Legitimation ihrer eigenen Übergriffigkeit gilt,
willig reproduziert von sensationsheischenden Medien, wäre allerdings
Unsinn. Denn IS hat ja tatsächlich gezeigt, dass die Kommunikation des
Terrors ihren Interessen dient. Ausgedacht haben sie sich das allerdings
nicht, da waren andere vorher.
Ob Lateinamerikas Todesschwadronen in den 1970er und 1980er Jahren, die in
den 1990ern nackt durch die Straßen Mogadischus geschleiften Leichen
US-amerikanischer Soldaten, die unzähligen verstümmelten menschlichen
Überreste, die mexikanische Drogenkartelle gern versehen mit Botschaften an
rivalisierende Organisationen oder den Staat in der Öffentlichkeit
deponieren, oder eben die jüngsten Enthauptungsvideos des IS: Die Gewalt
vermittelt eine Botschaft. Aber Gewalt ist auch die Botschaft. Im Großen
wie im ganz Kleinen: An den brutalsten Schulhofschläger traut sich niemand
heran – zu seiner Clique zu gehören, ist allerdings durchaus attraktiv. So
funktioniert auch IS.
Wie gut das klappen kann, hat schon al-Qaida nach dem 11. September 2001
feiern dürfen: Die Mischung aus durch die Anschläge demonstrierter Macht
der Organisation und des außer Kontrolle geratenen „Kriegs gegen den
Terror“, den der Westen unter Führung der USA seither lostrat, haben ihr
mehr Zulauf beschert, als sie je zu träumen gewagt hätte.
Die Sicherheitsbehörden hingegen, von Australien über Nordamerika bis
Europa, können sich auch freuen. Wer redet noch über Edward Snowden, wenn
unser aller Leben durch Bespitzelung geschützt werden kann? Lieber sollen
sie meinen Facebook-Account überwachen, als dass ich mich plötzlich
enthauptet am Alexanderplatz wiederfinde!
Terror und Antiterror – eine unheilige Allianz der Angstmacher. Sie macht
Angst.
18 Sep 2014
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Terror
Australien
Islamismus
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