# taz.de -- Berliner Szenen: Absurdes Gemäuer | |
> Ein Abend in altehrwürdigen Räumen in Wannsee: Verschiedene Formen von | |
> Neid wechseln einander ab. | |
Bild: Stößchen. | |
Eine Lesung im literarischen Colloquium am Wannsee. Traps, traps, bin zu | |
spät, schleiche mich raschelnd und rumpelnd an, zahle keinen Eintritt. | |
Setze mich ganz hinten hin, im Dunkeln, da, wo nicht geklatscht wird, wo | |
nur mal durch die Nase gelacht wird und ab und zu getuschelt. Wie so ein | |
Onlinekommentarbereich, nur gehobener. | |
Lesung läuft, Lesung geht zu Ende. Leute kaufen Bücher. Kauft, Menschen, | |
kauft. Leute lassen Bücher signieren. Absurdes Gemäuer in dem Saal, in dem | |
gelesen wurde. Bögen oben und Parkett unten. Holz überall, dunkles, altes, | |
repräsentatives Holz. | |
Der Schriftsteller signiert mit Füller. „Schöner Füller“, sagt einer. �… | |
schön“, sagt die neben ihm, „schön und richtig schwer. Ich habe auch einen | |
neuen, von meinem Freund.“ „Hier ist meiner“, sagt der eine und holt ein | |
Etui aus seiner Innentasche, „ein Lamy.“ Spiele an dem | |
Robben-und-Wientjes-Kuli in meiner Hosentasche. | |
Leute laufen mit Weingläsern rum. Trinkneid erwacht. Traps, traps zum | |
Häppchen- und Weintisch. Lächelnde Menschen lächeln lächelnde Menschen an. | |
Weißwein auf ex. Einsame Menschen gucken in Vitrinen, werden beobachtet, | |
von mir. Beobachten sich vielleicht selber in den Scheiben, wer weiß. | |
Ein paar runde Tische stehen rum, das Holz passt nicht zu dem anderen Holz, | |
Buche zu Eiche, vergiss es. Männer in Sportjacken fahren Stühle auf | |
Sackkarren raus. Sackkarrenneid erwacht. Möchte auch rumgefahren werden. | |
Menschen sagen, sie sind aus Ahrensfelde gekommen. Der mit dem Füller in | |
der Innentasche muss zurück zu seinem Hund. | |
Eine, die das Gästebuch hat, redet mit sich selber. „Ach so“, sagt sie, | |
findet eine leere Seite und schreibt was rein. Neben der Tür eine Pfütze. | |
Jemand hat Weißwein aufs Parkett geschüttet. Inbegriff des | |
Literaturbetriebs. Eine Frau sammelt leere Gläser ein. Einsammelneid | |
erwacht. Möchte auch eingesammelt werden. | |
25 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
## TAGS | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Szenen: Voller Koffer | |
Im Regio nach Wismar wird nicht gelesen, es wird gespielt. Mütter werden in | |
Koffer gesteckt, Technik wird vom Kind vermisst. | |
Berliner Szenen: Fast wie Lagerfeuer | |
Bei Tina Dicos Konzert gab es leider kein Lagerfeuer und auch sonst wenig | |
Schnickschnack, aber magische Momente. | |
Berliner Szenen: Was die früher dachten | |
Auf den Flugfeldern der Zukunft wirkt die Vergangenheit plötzlich ganz | |
komisch. Man wird aber nicht alles verstehen müssen. | |
Berliner Szenen: Oma flog nicht. Oma blieb | |
Totgesagte leben länger, und manchmal tanzen sie in ihren Sterbekleidern, | |
statt mit Unterrock in den Himmel zu fliegen. | |
Berliner Szenen: Geh sterben | |
Im Regio wird geklopft und getrunken, die Fotos sind fail, der Schnaps ist | |
eklig. Und sterben gehen heißt gar nichts. | |
Berliner Szenen: Mittelpunkt einer Wolke | |
Dicke Eier und was Neues am Fuß in der U-Bahn: Fußvergleich zweier Jungs, | |
von denen einer neue Schuhe hat. | |
Berliner Szenen: Klebekaramellaffinität | |
Erst ist es eine normale Überraschungsgeburtstagsparty. Aber als jemand | |
Toffifee ins Spiel bringt, wird es einer von diesen speziellen Abenden. | |
Berliner Szenen: Von innen Vanüllje | |
Wenn Schokoeis aus ist und es stattdessen Sanddorn gibt, ist bald auch der | |
bezahlbare Wohnraum aus. | |
Berliner Szenen: Ein wildes Wort | |
Wer durch die Stadt läuft, wird mit Ohrwürmern versorgt. Die Welt ist wild | |
und Rudolph darf nicht mitspielen. |