| # taz.de -- Ukrainischer Rechtspopulist: Ein „einfacher Kerl“ vom Lande | |
| > Oleh Ljaschko ist ein Politiker mit einer eigenen Partei. Bei der | |
| > Parlamentswahl Ende Oktober dürfte sein populistisches Konzept aufgehen. | |
| Bild: Im Parlament trägt Ljaschko Anzug, außerhalb gern Uniform. | |
| BERLIN taz | „Damit eine Kuh Milch geben kann, braucht sie Futter. Ich habe | |
| Karina zum Parlament gebracht, um den Abgeordneten zu zeigen, dass sie bald | |
| nichts mehr zu fressen haben wird, wenn die Politiker so weiter machen.“ | |
| Der Abgeordnete der ukrainischen Rada, Oleh Ljaschko, betreibt für die | |
| Parlamentswahlen am 26. Oktober Wahlkampf. Karina blinzelt ihn mit ihren | |
| großen Augen von der Seite an, sie ist eine magere Kuhdame. „Ohne Kuh kann | |
| es auch keine Milch geben. Familien in der Ukraine werden hungern. Die Kuh | |
| ist der Kern der Ukraine!“ | |
| Oleh Ljaschko inszeniert sich gerne als „einfachen“ Kerl vom Lande, der | |
| sich nicht vor schmutziger Arbeit scheut und im Stande ist, einen Euter zu | |
| melken. Er zeigt sich öffentlich tierlieb und kommt zu Veranstaltungen | |
| gerne mit einer Mistgabel bewaffnet – als Zeichen des Protests. Bei den | |
| Präsidentschaftswahlen im Mai erhielt der 42-Jährige 8,32 Prozent der | |
| Stimmen und konnte die Sympathie von 1,5 Millionen Ukrainern gewinnen. | |
| Damit lag er an dritter Stelle hinter dem regierenden Präsidenten Petro | |
| Poroschenko (54,70 Prozent) und der Exministerpräsidentin Julija | |
| Timoschenko (12,8 Prozent) . Soziologen prognostizieren ihm und seiner | |
| Radikalen Partei Oleh Ljaschko für die Parlamentswahlen im Oktober bis zu | |
| 17 Prozent der Stimmen. Damit läge er an zweiter Stelle hinter der Partei | |
| Petro Poroschenkos. | |
| Während seiner politischen Karriere molk Oleh Ljaschko nicht nur Kühe, | |
| sondern verbrachte auch ein Jahr im Gefängnis wegen Diebstahls von Staats- | |
| und kollektivem Eigentum. Ein anderes Mal wurde er aufgrund seiner | |
| journalistischen Tätigkeit verklagt, die er seit seinem 14. Lebensjahr | |
| ausübt. | |
| ## Ljaschko blieb Timoschenko nicht lange treu | |
| Ljaschko schrieb als Korrespondent für die Kiewer Komsomol-Zeitung Molodaja | |
| Gwardija (Junge Garde) und war später Redakteur von Oppositionszeitungen. | |
| Im Jahr 2000 wurde er wegen Verleumdung des ehemaligen Ministerpräsidenten | |
| Wassyl Durdynez zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und vom | |
| Journalistenberuf ausgeschlossen. | |
| Es heißt, Julia Timoschenko habe Oleh Ljaschko nur aufgrund seiner | |
| journalistischen Tätigkeit und lauten öffentlichen Auftritte bemerkt und | |
| 2006 in ihre Parteiliste eintragen lassen. Doch lange blieb Ljaschko der | |
| Politikerin mit dem blondem Zopf nicht treu. 2010 wurde er aus Timoschenkos | |
| Vaterlands-Partei wegen der Zusammenarbeit mit der oppositionellen Partei | |
| der Regionen ausgeschlossen. Er hatte für eine Veränderung der Verfassung | |
| gestimmt, die eine präsidentielle Republik vorsah und Wiktor Janukowitsch | |
| zum mächtigsten Mann im Lande machte. | |
| Pünktlich zu diesem Zeitpunkt tauchte im Netz ein Video aus dem Jahr 1993 | |
| auf, dass einen jungen Oleh Ljaschko zeigte (oder zumindest jemanden, der | |
| ihm zum Verwechseln ähnlich sieht), der von seiner homoerotischen Beziehung | |
| zu einem gewissen Borja erzählt, einem einflussreichen Beamten. Den jungen | |
| Mann identifizierten seine politischen Gegner als Ljaschko. Sie hielten ihm | |
| vor, sich durch die Betten der Spitzenpolitiker geschlafen zu haben. | |
| In der Ukraine bedeutet solch ein Outing den sicheren politischen Tod. Doch | |
| der Skandal ebbte aus unerfindlichen Gründen schnell ab. 2010, im selben | |
| Jahr als Ljaschko von Timoschenkos Vaterlands-Partei ausgeschlossen wurde, | |
| gründete er seine eigene Partei – die Radikale Partei Oleh Ljaschko (RPL). | |
| ## Bedürfnis nach Populismus | |
| Der ukrainische Politologe Wladimir Fesenko geht davon aus, dass Oleh | |
| Ljaschkos Partei bei den Parlamentswahlen bis zu 16 Prozent der Stimmen | |
| erhalten werde. Vor zwei Jahren noch bekam die RPL nie mehr als 1,08 | |
| Prozent. Fesenko ist überzeugt, dass die hohe Zustimmung mit den | |
| Ereignissen in der Ostukraine zusammenhänge. „In der Bevölkerung steigt das | |
| Bedürfnis nach Populismus, das liegt am Krieg. Und Ljaschko ist das beste | |
| Beispiel dafür. Er ist ein sehr geschickter Redner und neigt zu | |
| Übertreibungen.“ | |
| Ljaschko war der erste Politiker, der überall in der Ukraine Plakate mit | |
| dem Slogan „Ich bringe die Krim zurück!“ aufhängen ließ und „Tod den | |
| Besatzern“. Er war auch der erste Politiker, der sich auf der Krim und im | |
| Osten der Ukraine im [1][Tarnanzug und mit einem Gewehr] ablichten ließ. | |
| Seit seinem überraschenden Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen im Mai | |
| reißen sich Journalisten und politische Gegner um Oleh Ljaschko. Sie werfen | |
| ihm vor, den Krieg für PR-Zwecke missbraucht zu haben. Der Facebook-Account | |
| Ljaschkos zählt 172.000 Fans. Vor wenigen Monaten teilte er auf seiner | |
| Seite mit, sein Freund Alexander Gumenjuk sei in den Gefechten umgekommen. | |
| Ljaschko selbst hätte Gumenjuk vor seinem Tod noch zum Kommandeur eines | |
| Bataillons ernannt. | |
| Auf der Beerdigung behaupteten die Verwandten des Toten jedoch, dass dieser | |
| nie mit Ljaschko befreundet gewesen sei. Die Ehefrau Gumenjuks sagte | |
| gegenüber Fernsehjournalisten: „Das ist reine PR und absolut | |
| niederträchtig. Politiker haben weder Ehre noch ein Gewissen.“ Sie stritt | |
| ab, dass ihre Familie finanziell von Ljaschko unterstützt werde. | |
| ## „Mit der Mistgabel gegen Putin“ | |
| Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen gibt sich Oleh Ljaschko stolz und | |
| patriotisch: „Jede Stimme für Ljaschko ist ein Hieb mit der Mistgabel gegen | |
| Putin.“ Laut Soziologen sind es oft junge Menschen unter 30, die an die | |
| Kompetenz des Rechtspopulisten glauben, oder Menschen mit geringer Bildung. | |
| Laut dem Politologen Fesenko laufen Exwähler der Vaterlands-Partei | |
| Timoschenkos oder der rechtsradikalen Swoboda-Partei jetzt zur Radikalen | |
| Partei Oleh Ljaschko über. „Das erhöhte Rating Ljaschkos lässt an die | |
| frühere Popularität von Swoboda denken. Damals wurde die Partei gewählt, | |
| weil die Menschen für eine radikale Opposition stimmen wollten. | |
| Für die Wähler scheint die Radikale Partei Oleh Ljaschkos eine Alternative | |
| zu sein.“ Ukrainische Politologen sind der Auffassung, dass die RPL 20 | |
| Sitze in der Rada einnehmen werde. Ljaschko selbst rühmt sich damit, dass | |
| seine Partei weder Rentner noch ehemalige Rada-Abgeordnete zu ihren | |
| Mitgliedern zählt. Ljaschko selbst nennt das „Reinigung der Macht“. | |
| Glib Kanevskiy vom Zentrum für politische Studien und Analysen ist der | |
| Meinung, dass der Einzug der Radikalen Partei Oleh Ljaschko ins ukrainische | |
| Parlament keinesfalls zur Verbesserung der Situation beitragen werde. | |
| „Diese Partei hat im Vorfeld der Wahlen nicht einmal ein Programm! Sie hat | |
| keine Werte und keine Prinzipien.“ | |
| 25 Sep 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://rpl.kiev.ua/foto-halereya/?album=all&gallery=56 | |
| ## AUTOREN | |
| Viktoria Bilasch | |
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