# taz.de -- Das Qualitätswandern boomt: Wanderlust im Premiumsegment | |
> Mit Urkunden und Gütesiegeln werden die neuen Spitzenwanderwege | |
> ausgezeichnet. Sie kommen gut an – zur Freude der Touristikbranche. | |
Bild: Wandergruppe im Sauerland. | |
Nur gut zehn Jahre sind vergangen, und das Wandern in Deutschland hat sein | |
Vereinsimage aus dem letzten Jahrhundert weit hinter sich gelassen. | |
Toptrails, Premium- und Qualitätswanderwege, Goldsteige, Traufgänge und | |
Extratouren bereichern unsere Lande und die Landschaft. Eine neue Landlust | |
– könnte man beim Gang über die Wandermesse „TourNatur“ meinen, die | |
traditionell Anfang September in Düsseldorf stattfindet. | |
Aber die Messe wirkt auch wie eine Leistungsshow, die dieses imponierende | |
neue Netz bester Wandermöglichkeiten dem geneigten Publikum ans Herz legt. | |
Hier werden alljährlich die besten und die schönsten Wege gekürt, | |
Neuzugänge präsentiert und Urkunden vergeben. Hände werden geschüttelt. Und | |
wenn es zu ernst zu werden droht, lockert Manuel Andrack mit medialer | |
Kompetenz. | |
Andrack, der schon bei Harald Schmidt eine gute Figur machte und sich | |
inzwischen zum Wanderguru gemausert hat. Er ist das Gesicht dieser neuen | |
Zeit, in der, wie man vielleicht sagen könnte, das Wandern einfach ganz | |
„normal“ und so selbstverständlich geworden ist wie der allgegenwärtige | |
Rucksack fürs größere oder kleinere Gepäck. | |
Für den Deutschen Wanderverband, die Dachorganisation der Vereine, ist 2014 | |
ein Jubiläumsjahr. Vor zehn Jahren verlieh er auf dieser Messe erstmals das | |
Gütesiegel „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“. Das Label war das | |
Ergebnis einer groß angelegten „Qualitätsoffensive“. Und sie veränderte … | |
Wanderlandschaft tatsächlich. Dem ersten, dem „Eggeweg“, folgten | |
alljährlich weitere, derzeit sind es 112 prämierte Wege (12.950 Kilometer | |
Strecke). Und nicht nur Wege: Gütesiegel ergingen bald auch an die | |
„Gastgeber“ am Weg. | |
Die neuen Möglichkeiten des Internets nutzend verlinkte der Verband seine | |
Wege mit den regionalen Tourismusorganisationen und machte so den Weg frei | |
für die touristische Vermarktung zum Nutzen aller. Einerseits der | |
Wanderfreunde, die genussvoll und erlebnisreich in deutschen Landen wandern | |
wollten, andererseits der ländlichen Regionen, die dafür ausreichend Natur | |
und eine touristische Infrastruktur zu bieten haben. | |
Jetzt, zum Jubiläum, ging der Verband noch einen Schritt weiter und | |
promotete erstmals eine Region. Er verlieh sein Gütesiegel an ein | |
touristisches Konstrukt. Es nennt sich „Sauerland-Wanderdörfer.“ | |
## Wanderbedürfnisse erforscht | |
Aber der traditionsreiche Wanderverband hat die Wanderlandschaft nicht | |
allein verändert. Vielleicht hat „Wanderpapst“ Rainer Brämer diese | |
„Qualitätsoffensive“ ausgelöst, und zwar aus seiner speziellen | |
wissenschaftlichen Sicht heraus. Brämer, der seit den 90er Jahren | |
naturpädagogische Studien betreibt, der Wanderbedürfnisse erforscht und ein | |
Wanderinstitut gegründet hat, bemäkelte seinerzeit auch die überkommene | |
Wegeführung der Vereine und realisierte mit seiner „Projektgruppe Wandern“ | |
dann selbst neue Wanderstrecken, die „Premiumwege“. | |
Das erste Projekt, der „Rothaarsteig“ im Sauerland, eröffnet 2001, wurde | |
ein Erfolg, der viele Touristiker aufhorchen ließ. Und dem Wanderinstitut | |
Aufträge bescherte: Rheinsteig, Eifelsteig, Hochrhöner und einige andere | |
Spitzenwanderwege, von denen alle Welt schwärmt, sind überwiegend | |
Neuschöpfungen, die von der Projektgruppe um Brämer geplant und realisiert | |
wurden. Und die zudem von ihren Auftraggebern, den Touristikern, ebenso | |
professionell vermarktet wurden. | |
Wandern ist heute ein Kerngeschäft des heimischen Tourismus. Es sollte | |
niemanden verwundern, dass dafür zwei Gütesiegel im Umlauf sind. Das eine, | |
„Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“, vergibt der Deutsche Wanderverband, | |
das andere, „Deutsches Wandersiegel“, wurde vom Wanderinstitut, also im | |
Hause Brämer entwickelt. | |
## Modell des letzten Jahrhunderts | |
Ihre Qualitätsunterschiede sind gering, nur ihre Geschichte und ihre | |
Geschäftsmodelle sind verschieden. Aber beide Gütesiegel klassifizieren | |
Wege durch die Natur, die tatsächlich bemerkenswert sind. Natürlich gibt es | |
auch noch das Modell des letzten Jahrhunderts. | |
Es gibt das Vereinswandern und das Wanderabzeichen, die Wandergruppen im | |
Frühtau zu Berge und die traditionellen Wege. Auf denen es jetzt immer | |
stiller wird. Im Premiumsegment des Messebetriebs ist darüber nur wenig zu | |
erfahren – und gar nichts über das boomende Pilgern und die vielen | |
historischen Jakobswege, die in den letzten Jahren markiert wurden und | |
dieses Land auf eine wenig spektakuläre, aber menschliche Weise | |
erschließen. 70 Jakobswege sind es inzwischen. | |
Nicht vermarktbar? Zu sperrig? Man kann darüber spekulieren. Aber ganz | |
schlecht kann es nicht sein, wenn nicht jede Wanderlust in ein | |
touristisches Angebotshäppchen umgemünzt wird. | |
27 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Christel Burghoff | |
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