| # taz.de -- Designierter Digitalkommissar in Berlin: Oettingers „neues Ding“ | |
| > Kurz vor seiner Anhörung als EU-Digitalkommissar plaudert Günther | |
| > Oettinger in Berlin – und zwar vor allem über Energiepolitik. | |
| Bild: Günther Oettinger auf einer Pressekonferenz der OPEC im Juni 2014. | |
| Heut früh sei alles Drunter und Drüber gegangen, erzählt der junge Mann, | |
| der sich, kurz bevor Oettinger kommt, noch hektisch an einen der gedeckten | |
| Tische setzt. Jeans, das Sakko lässig über dem Hemd. Ausnahmsweise habe er | |
| heute mal die Öffentlichen genommen, „aber das ist ja immer so ein Chaos.“ | |
| „Wie sind Sie denn sonst unterwegs?“, fragt sein Tischnachbar. „Taxi. | |
| Manchmal auch Drive Now.“ Der Nachbar nickt verständig und widmet sich | |
| wieder Brötchen und FAZ. | |
| Der Capital Club, ein privater Buisinessclub am Berliner Gendarmenmarkt hat | |
| zum Frühstück mit Günther Oettinger geladen. Am Abend soll er in Brüssel | |
| dem Europaparlament beweisen, dass er der Richtige fürs Digitale ist. Im | |
| Capital Club will er erstmal beweisen, dass er der Richtige fürs | |
| Energetische war. | |
| Gekommen sind ein paar Journalisten, vor allem aber Clubmitglieder, | |
| Unternehmer und Verbandsvorsitzende, Männer mit grauen Haaren und dunklen | |
| Anzügen. Es gibt Lachs und Käse, frisch gepressten Orangensaft und | |
| Croissants. | |
| Ein Clubmitglied begrüßt Oettinger. „Ohne Sie wären die | |
| Energieverhandlungen mit Russland zerfleddert. Jetzt, dank Ihnen, sind Sie | |
| aus einem Guss.“ Nun aber, überraschend das neue Ressort. Vielleicht möchte | |
| er ja erzählen, wie das so ist, wenn man sich schnell in ein neues Thema | |
| einarbeiten muss? Möchte er nicht. Er spricht erstmal über sein altes | |
| Thema. | |
| ## Energie von gestern | |
| Deutschland, findet er, sei in Sachen Energie rückständig: Atomausstieg, | |
| Kommunen, die ihre Stromnetze zurückkaufen, eine veraltete | |
| Netzinfrastruktur – alles von gestern. Die Zukunft liege in der | |
| Europäisierung der Energiepolitik. „Raus aus dem deutschen Romantiktal.“ | |
| Früher, als Oma auf dem Hof Strümpfe gestrickt und der Vater das Feld | |
| bestellt habe, sei man autark gewesen. Aber in einer hochspezialisierten | |
| Gesellschaft sei Autarkie im Energiebetrieb nicht zu verantworten. | |
| Grenzüberschreitender Auf- und Ausbau der Netze, Europäisierung der | |
| Politik, Stärkungen des europäischen Binnenmarktes – so in etwa schwebt ihm | |
| auch seine Zukunft als Digitalkommissar vor, auf die er am Ende doch noch | |
| zu sprechen kommt: Datenschutz, auch hier sei Deutschland hintendran. Wie | |
| er dafür sorgen will, dass die deutschen Innen- und Justizministerien sich | |
| in ihrem Gezerre um die Datenschutzreform endlich einigen, darüber verliert | |
| er allerdings kein Wort. Nur so viel: Auch wir Verbraucher sind gefragt! | |
| „Wenn ich sehe, was mein Sohn ständig für einen Mist durch Whatsapp jagt – | |
| das interessiert doch keine Sau.“ Deshalb: Bitte liebe Eltern, erzieht eure | |
| Kinder zu mehr Zurückhaltung! Wenn Promis Nacktselfies von sich ins Netz | |
| stellen, frage er sich doch, wie doof die eigentlich sind. | |
| ## Datenschutz von gestern | |
| Berechtigte Frage, allerdings fragt sich die Zuhörerin an dieser Stelle, | |
| wie doof der Oettinger eigentlich ist. Hatte er nicht gerade noch gesagt, | |
| dass Rückzug in die Autarkie kein Thema sein kann? Wieso sollte genau das, | |
| nämlich Daten- und Kommunikationssparsamkeit dann die Antwort auf | |
| Hackerangriffe, Datenlecks, spionierende Geheimdienste und Unternehmen | |
| sein? Apropos Unternehmen: Größten Respekt habe er vor Google. Aber der | |
| europäische Binnenmarkt müsse stärker beschränkend eingreifen. Applaus. | |
| Zum Abschied gibt es Lobhudelei vom Clubredner: Er habe größtes Vertrauen, | |
| dass Oettinger sich fleißig ins neue Thema einarbeiten werde. In der | |
| Industrie sei das „neue Ding“ ja längst umgesetzt, in der Gesellschaft aber | |
| noch nicht angekommen. | |
| Oettinger wird viel zu tun haben in der nächsten Zeit. | |
| 29 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Anne Fromm | |
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