# taz.de -- Film über Gentrifizierung in Berlin: „Kein Schubladendenken“ | |
> Der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ nimmt Baugruppen in den Blick. | |
> Die wollte man aber nicht denunzieren, so Filmemacherin Hanna Löwe. Heute | |
> ist Premiere. | |
Bild: Für viele bleibt das leider nur ein Wunsch: Graffito in Berlin. | |
taz: Frau Löwe, Thema des Films „Verdrängung hat viele Gesichter“ ist die | |
Gentrifizierung. Warum beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Baugruppen? | |
Hanna Löwe: In Treptow begann der MieterInnenwiderstand, nachdem eine | |
Stadtteilinitiative gegen die Bebauung eines Grundstücks durch Baugruppen | |
Sturm lief und die Beteiligung ehemaliger Linker daran thematisierte. | |
Danach begannen im Stadtteil Diskussionen, inwieweit der Bau von | |
Eigentumswohnungen einen Kiez aufwertet und der Mieterhöhung preisgibt. | |
Gab es bereits die Kritik, dass im Film die Baugruppenmitglieder ihre | |
Position ausführlich darlegen können? | |
Ja, aber darauf sind wir stolz. Wir wollten keinen Film machen, der das | |
Schubladendenken bedient. Es wäre einfach gewesen, die Kämpfe der Bewegung | |
als die Position der „Guten“ darzustellen und alles andere zu denunzieren. | |
Wir müssen aber niemand herabwürdigen, um die Probleme beim Namen zu | |
nennen. | |
Gleich zu Beginn des Film verweigert eine Baugruppe die Kommunikation. War | |
das öfter der Fall? | |
Baugruppenmitglieder sehen sich vordergründig als Menschen, die niemand | |
verdrängen wollen. Ein Teil weiß aber genau, dass ihr Verhalten andere | |
verdrängt, und nimmt es billigend in Kauf. Sie verweigern Interviews, weil | |
sie die Kritik trifft. Eine Baugruppe in Treptow hat sich selber ein | |
Gentrifizierungsfrei-Zertifikat ausgestellt, obwohl ein Mitglied seine | |
Wohnung jetzt für 1.900 Euro kalt vermietet und in München wohnt. | |
Wieso kommt es im Film bei Begegnungen mit Baugruppen oft zu Diskussionen | |
über die persönliche Verantwortung? | |
Viele Mitglieder von Baugruppen wollen nur die Lösung für ihre Probleme und | |
fallen aus allen Wolken, wenn sie mit Kritik konfrontiert wurden. Sie haben | |
oft großen Rechtfertigungsbedarf. | |
Wieso sind Baugruppen sogar bei aktiven Linken zum Teil beliebt? | |
Wo Geld ist, weil eine Erbschaft auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin | |
wartet, da wird schnell mal die linke Idee dem eigenen Lebenskonzept | |
angepasst. Das gilt ja nicht nur für den Bau von Eigentumswohnungen, | |
sondern auch bei der Jobvergabe. Man geht in bestimmte Gruppen, weil dabei | |
der Job bei einer NGO, einer Stiftung oder einer Partei abfällt. | |
Mehrmals werden im Film die Füße von sprechenden Personen gezeigt, die dann | |
fast wie Hände gestikulieren. War das ein künstlerisches Stilmittel? | |
Das war nicht geplant, sondern hat sich so ergeben. Manchmal mussten wir | |
die Kamera nach unten drehen, weil Gesichtsaufnahmen unerwünscht waren. Bei | |
einem Politiker waren wir so fasziniert, wie der mit seinen Füßen redet. | |
Das musste als humoristische Einlage drin bleiben. Im Abspann zeigen wir | |
die vielen Füße einer Demonstration, das war gewollt. Die Füße | |
symbolisieren Dynamik, Bewegung, alles ist im Fluss. | |
Sind zur Filmpremiere auch die BaugruppenbewohnerInnen eingeladen? | |
Am 5. November ist im Zirkus Cabuwazi eine spezielle Kiezpremiere in | |
Treptow geplant, zu der wir auch die Baugruppenmitglieder einladen. Wir | |
hoffen auf kontroverse Diskussionen. | |
9 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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