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# taz.de -- Gemeinschaftliches Bauen: Ich will Honig, du willst Senf
> Alleine zu bauen ist teuer. Eine Baugemeinschaft macht es günstiger –
> aber die Konflikte beginnen schon bei der Zaunfarbe.
Bild: Hier lang oder da lang? Welches Gelb?
Alles Teilbare wird heute geteilt. So läuft es bei Wikipedia, beim
Foodsharing, Carsharing, Couchsurfing, in Foren für handwerkliche
Hilfsarbeiten, in Facebookgruppen zum Werkzeugverleih oder auf
Kleidertauschpartys.
In Baugemeinschaften wollen Menschen sogar das wahrscheinlich Teuerste
miteinander teilen, was sie in ihrem Leben anschaffen: ihr zukünftiges
Wohnhaus. Gemeinschaftsprojekte dieser Größenordnung aber können auch eine
ganz eigene Rudeldynamik entwickeln.
Susanne Lang hat drei Baugruppen in unterschiedlichen Phasen besucht und
analysiert für die [1][taz.am wochenende vom 21./22. Mai] deren Motive,
Träume und Auseinandersetzungen.
Eigentum wie die Spießer und Solidarität wie die Hippies:
„Baugemeinschaften demokratisieren das Bauwesen“, schreibt unsere Autorin.
„Vor allem in Baden-Württemberg arbeiten kommunale Stadtentwickler eng mit
ihnen zusammen und vergeben Grundstücke nicht mehr automatisch an den
Meistbietenden. Eine festgelegte Fläche geht an Gruppen, die ein
schlüssiges Konzept erarbeitet haben, das ins soziale Stadtbild passt. Die
Kehrseite der alternativen Baukultur: Demokratie ist anstrengend. Die
Mitglieder einer Gruppe müssen ihre persönlichen Interessen mit denen des
Kollektivs abstimmen. Am Ende geht es nicht nur um Ideale, um eine
Wohnutopie, sondern auch um viel Geld.“
Die einen können sich eine Eigentumswohnung anders nicht leisten, anderen
geht es darum, als Gemeinschaft zu handeln.
„Da in einer Baugemeinschaft alle gleichberechtigt sind, bedeutet das: Alle
müssen sich mit den Tücken der Basisdemokratie herumschlagen. Am Anfang
steht der Traum vom Wohnen im Kollektiv. Am Ende oft ein Streit über die
Farbe des Gartenzauns. Bei einem Projekt entpuppte sich ein Mitglied nach
Bezug des Hauses als astreiner Querulant. Irgendwann zäunte er seinen
Anteil am Gemeinschaftsgarten ab.“
## Bereicherung oder Einschränkung?
Der Konflikt zwischen Basisdemokratie („Die Mehrheit will einen honiggelben
Zaun im Garten“) und Selbstverwirklichung („Ich träume aber schon immer von
einem senfgelben Zaun!“) wirft viele Fragen auf: über unser Verhältnis zu
uns selbst und zu anderen.
Wo sind die Grenzen des Wunsches, eine Gemeinschaft zu bilden? Wo ist
Teilen Bereicherung, wann wird es zur Einschränkung?
Im Kleinen sind Gemeinschaftsanschaffungen gang und gäbe: Man leiht sich
eine Bohrmaschine von einem Unbekannten im Internet aus, weil nicht jeder
Haushalt seine eigene Bohrmaschine benötigt. Wer in eine neue Wohnung
zieht, braucht nur einen Nachmittag lang ein paar Löcher zu bohren, danach
bräuchte er die Bohrmaschine vielleicht nie wieder. Ein Kauf wäre
Geldverschwendung.
Niedere Beweggründe schließen aber höhere nicht aus. Geiz oder Sparsamkeit
können recht gut mit Umweltschutz liiert sein. Wer weniger kauft, lässt
weniger produzieren und anliefern. Ebenso vereinbar ist der Sharing-Gedanke
mit Antikapitalismus oder Unabhängigkeit (zumindest vom Baumarkt).
## Iason suchte auch ein Team
Auch bei den Baugemeinschaften geht es häufig um höhere Ziele:
Umweltschutz, Klimaneutralität, Stromsparen, gemeinsam genutzte Räume und
Infrastruktur. Aber das in einer Größenordnung, in der viele Beteiligte an
ihre nervlichen Grenzen gelangen. Und an die Grenze des eigentlich für gut
befundenen Wunsches, zu teilen.
Dass Menschen sich zusammentun, um im Team etwas zu erreichen, was sie
alleine so nicht zu leisten imstande sind, ist schon Thema der Mythologie:
Der griechische Held Iason hätte ohne seine Argonauten kaum die vielen
Irrfahrten über das Meer nach Kolchis überlebt – geschweige denn das
Goldene Vlies und nebenbei eine Ehefrau gefunden.
Den Argonauten aus der griechischen Mythologie haben die Baugemeinschaften
unserer Titelgeschichte in der [2][taz.am wochenende vom 21./22. Mai] auf
der Suche nach ihren Zielen eines voraus: Sie haben keinen patriarchalen
Prinzen als Alpha-Tier, der im Zweifel alle Entscheidungen im Allgeingang
trifft. Es besteht zumindest die Chance, die Lieblingsfarbe für den
Gartenzaun im Plenum zu diskutieren. Manches aber, auch davon handelt
unsere Titelgeschichte, kann man wohl einfach nicht planen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Gemeinschaftsprojekten gemacht? Erreicht
man gemeinsam mehr, oder ist jede zusätzliche Stimme ein Hindernis? Ist
Demokratie auch in privaten Fragen immer die beste Lösung und lassen sich
alle Konflikte im Konsens lösen? Werden wir wirklich unabhängiger und
freier, wenn wir im Kollektiv handeln, oder ist sogar das Gegenteil der
Fall? Sollten wir uns wieder mehr zusammenrotten?
Diskutieren Sie mit!
Die Titelgeschichte „Da baut sich was zusammen“ lesen sie in der [3][taz.am
wochende vom 21./22. Mai 2016].
20 May 2016
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## AUTOREN
Philipp Adolphs
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