# taz.de -- Wohnen: Der Staat als Spekulant | |
> 1.700 Wohnungen will die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bis 2018 an | |
> Meistbietende verkaufen. SPD und Grüne forden: Nein. | |
Bild: Ausverkauf: BImA vertickt Berliner Wohnhäuser | |
Das mit den Transparenten hat schon mal geklappt. „Ich bitte Sie, | |
Kaufinteressenten nicht pauschal als Spekulanten zu diffamieren“, schrieb | |
die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BImA, am 3. Juni an die | |
Mieter der Katzlerstraße 11. „Ebenso sollten Sie nicht Drohungen und | |
Beschimpfungen auf Transparenten öffentlich aufhängen.“ | |
„Die sind nervös geworden“, sagt Altmieterin Barbara Tharra, die aus | |
Protest gegen den geplanten Verkauf der Häuser Katzlerstraße 10 und 11 | |
sowie Großgörschenstraße 25, 26 und 27 bereits einen Brief an | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben hat. „Wegen der Proteste | |
verzichtet die BImA jetzt sogar darauf, die Besichtigungstermine für unsere | |
Häuser öffentlich zu machen.“ | |
Es herrscht wieder Häuserkampf in Berlin, allerdings ein eher | |
ungewöhnlicher: Auf der einen Seite stehen die Mieterinnen und Mieter von | |
insgesamt 48 Wohnungen, die teilweise seit Jahrzehnten im Schöneberger | |
Süden leben. Auf der anderen steht die BImA als Bundesinstitution, die laut | |
Gesetz gehalten ist, jene Immobilien, die für den Bund „entbehrlich“ sind, | |
zum Höchstpreis zu verkaufen. Inzwischen hat sich auch die Landespolitik | |
eingeschaltet und fordert vom Bund zumindest einen Verkaufsstopp für die | |
Schöneberger Häuser. | |
„Die Grundstücke im Bundeseigentum sollten nicht mehr nur fiskalischen | |
Interessen dienen“, fordert SPD-Landeschef Jan Stöß, der am Samstag um 10 | |
Uhr an einem Kiezspaziergang gegen den Verkauf der BImA-Häuser teilnehmen | |
wird. Offenbar ist man sich in der SPD der Brisanz des Themas bewusst. | |
5.000 Wohnungen in der Stadt besitzt die Bundesanstalt, weitaus mehr, als | |
auf dem Tempelhofer Feld gebaut werden sollten. 1.700 von ihnen sollen bis | |
2018 verkauft werden. Unter ihnen sind auch die Häuser Londoner Straße 30 | |
und Themsestraße 1, 3, 4, 6, 8 und 10 in Wedding. Unter dem Punkt | |
Kaufpreisvorstellung heißt es im Prospekt: „Der Verkauf erfolgt zum | |
Höchstgebot.“ | |
Und dann ist da noch das Dragoner-Areal in Kreuzberg (die taz berichtete). | |
Auch das fast 50.000 Quadratmeter große ehemalige Kasernengelände will die | |
BImA verkaufen. Hier allerdings hat der Bezirk ein Mitspracherecht: Wenn | |
die Bezirksverordnetenversammlung den Bebauungsplan nicht ändert, dürfen | |
dort keine Wohnungen gebaut werden. | |
Diese Möglichkeit hat die Baustadträtin von Tempelhof Schöneberg, Sibyll | |
Klotz (Grüne) nicht. Seit Längerem sucht sie deshalb das Gespräch mit der | |
BImA. Im März schien sich dann ein Kompromiss abzuzeichnen. Bei einem | |
Treffen mit dem Bezirk erklärte die BImA, dass von einem | |
Höchstpreisverfahren abgewichen werden könne, „wenn eine Immobilie von | |
einer Gebietskörperschaft für Zwecke der öffentlichen Daseinsvorsorge | |
benötigt werde“. Daraufhin kam es zu Verhandlungen mit der landeseigenen | |
Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. | |
Doch die scheiterten im April. „Es gab einfach unterschiedliche | |
Vorstellungen von dem, was beim Kaufpreis möglich ist“, sagt | |
Gewobag-Vorstand Hendrik Jellema der taz. Dem Vernehmen nach lag der | |
Mindestpreis, den die Bima erzielen wollte, bei 7,1 Millionen Euro – zu | |
viel für das städtische Wohnungsunternehmen. „Wir müssen uns an dem | |
orientieren, was der Mietspiegel vorgibt und was wir als landeseigene | |
Gesellschaften im Mietenbündnis mit dem Senat beschlossen haben“, erklärt | |
Jellema. | |
Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus fordern ein neues BImA-Gesetz, das | |
es der Anstalt erlauben würde, Grundstücke auch zum Festpreis zu verkaufen. | |
Am heutigen Donnerstag werden die Grünen einen Antrag einbringen, der den | |
Senat auffordert, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu starten. „Bis | |
dahin soll es für die Berliner Häuser einen Verkaufsstopp geben“, verlangt | |
die grüne Baupolitikerin Katrin Schmidberger. | |
Dabei hoffen die Grünen auch auf Unterstützung der SPD. Neben Jan Stöß | |
werden auch die SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup und Mechthild | |
Rawert am Kiezspaziergang am Samstag teilnehmen. | |
Die Mieter in den betroffenen Häusern freuen sich über das plötzliche | |
Interesse der Politik, das es ohne ihre Proteste nicht gegeben hätte. Und | |
natürlich wollen sie bleiben. „Früher gab es hier Drogenprobleme, | |
mittlerweile ist es aber ein funktionierender Multikultikiez“, sagt Tharra. | |
„Das lassen wir uns nicht einfach so auseinanderreißen.“ | |
## ■ Kiezspaziergang: Samstag, 10 Uhr, Großgörschenstraße Ecke | |
Katzlerstraße | |
18 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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