# taz.de -- Kolumne Blicke: Auf Dutschke hören | |
> Das kreuzbrave deutsche Politkabarett schimpft wohlfeil auf den fiesen | |
> Ami. Dabei sitzen die echten Irren hier, im Bundestag. | |
Bild: Böser Onkel Sam! | |
„Wir wagen es schon, den amerikanischen Imperialismus politisch | |
anzugreifen, aber wir haben noch nicht den Willen, mit unserem eigenen | |
Herrschaftsapparat zu brechen.“ Ich gebe zu, ich hätte nicht erwartet, | |
ausgerechnet beim doch immer etwas nett-verpeilten Rudi Dutschke einen Satz | |
zu finden, der sich so genau auf die derzeitige Situation anwenden lässt. | |
Man kann ja den Fernseher nicht mehr anschalten, ohne auf einen vom | |
deutschen Staat geförderten Kabarettisten zu treffen, der todesmutig die | |
USA als Reich des Bösen outet. Und mit nichts, so scheint es, kann man die | |
Deutschen derzeit mehr in präfaschistische [1][Schunkel- und | |
Mitklatschlaune] bringen, als wenn man dem dummen, imperialistischen Ami | |
eins mitgibt. | |
Die Sache hat natürlich Tradition. Schon die Racker um Dutschke sahen in | |
den USA das meiste Miese verkörpert. Doch zur Ironie der Geschichte gehört | |
es, dass sich von den mehr oder weniger versponnenen 68er-Forderungen nur | |
die US-kompatiblen durchgesetzt haben. | |
## Erfolg der 68er | |
Die Studirevoluzzer haben in Westdeutschland nämlich zum Glück nicht die | |
Diktatur des Proletariats verwirklicht – sonst würde mein Nachbar regieren, | |
und das wäre für alle eine Katastrophe, nicht zuletzt für ihn selbst-, | |
sondern die Ablösung einer postnazistischen Zombiekultur durch eine | |
einigermaßen freiheitlich-westliche Zivilisation ermöglicht, Pornografie | |
inbegriffen (Pornografie und „Sexarbeit“ als gesellschaftlich anerkannten | |
Zeitvertreib etabliert zu haben ist wahrscheinlich sogar der Haupterfolg | |
der 68er, mit allen Problemen, die das heute so mit sich bringt). | |
Die USA machen ja aber auch viel Mist. Vor allem ist einfach nicht zu | |
erkennen, ob ihre derzeitige (also nach 9/11, got it?!) globale Abhör-, | |
Folter-, und Drohnenmordstrategie irgendeinem handfesten Zweck dient: Wenn | |
es wenigstens um so etwas Konkretes wie Öl ginge – aber davon haben sie ja | |
seit Fracking genug im eigenen Land! | |
Wahrscheinlich ist es wirklich einfach so, wie amerikanische Freunde sagen, | |
dass die USA immer noch aufräumen müssen, was Engländer und Franzosen im | |
Nahen Osten [2][seit 1918] angerichtet haben. | |
## Die Nachwelt über Merkel | |
Der Punkt ist aber auch nicht drüben, der Punkt ist hier. Die Deutschen | |
haben in ihrer übergroßen Mehrheit eine Regierung gewählt, die Europa und | |
die Weltwirtschaft gerade an die Wand fährt. | |
Wolfgang Schäuble, ein verbittert-durchgeknallter Dr. Seltsam des | |
Kaputtsparens, steht in diesem Land der aufgeklärten US-Kritiker auf Platz | |
drei der Politikerbeliebtheitsskala. | |
Und bei Frau Merkel kann man heute schon vorhersagen, dass sie der einzige | |
deutsche Bundeskanzler sein wird, über den die Nachwelt ein schlechteres – | |
wenn nicht ein vernichtendes – Urteil fällen wird als die sich noch in der | |
bleichen Sonne des Exporterfolges sonnenden Zeitgenossen. | |
Es ist nicht die CIA oder die NSA, die deutsche Menschen und ihre | |
TV-Polit-Clowns korrumpiert. Es ist der alte Subventionsmichel, der gegen | |
Obama stänkert und vor dem eigenen Chef, vulgo „Herrschaftsapparat“, | |
kuscht: schwarze Nullen, überall. | |
17 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://seniora.org/index.php?option=com_content&view=article&id=561… | |
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot-Abkommen | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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