# taz.de -- Wie finanziert sich der IS?: Die Kunst des Terrors | |
> Es begann mit einer Steuer auf illegale Ausgrabungen. Nun finanziert sich | |
> der IS unter anderem mit professionellem Schmuggel von Antiquitäten. | |
Bild: Bedrohte Kunst auch im Irak: Statue im irakischen Nationalmuseum in Bagdad | |
PORTSMOUTH taz | Syriens kulturelles Erbe wird von der radikalen Gruppe | |
Islamischer Staat (IS) bedroht, der eine ikonoklastische Haltung | |
unterstellt werden kann. Denn es sind bereits einige Berichte über die | |
Vernichtung wertvoller archäologischer Schätze erschienen, die an die | |
Zerstörung der afghanischen Buddhastatuen von Bamijan durch die Taliban im | |
Jahr 2001 erinnern. Dazu gehört die Zerstörung von Statuen der | |
archäologischen Stätte Ajaja nahe der syrischen Stadt Hassaka sowie die | |
Sprengung schiitischer Moscheen und Schreine in der nordirakischen Stadt | |
Mossul. | |
Doch das Bild, das sich heute in den vom IS kontrollierten Gebieten | |
abzeichnet, ist wesentlich komplexer als die erwähnten Beispiele. Heute | |
beherrscht der IS große Teile der ländlichen Gebiete Syriens, vom Osten | |
Aleppos bis zum Euphrat und weiter südlich die Städte Rakka, Deir al-Sur | |
sowie Gebiete darüber hinaus. Diese ganze Region ist außergewöhnlich reich | |
an archäologischen Stätten, die von der Frühgeschichte bis zur Blütezeit | |
des Islams im Mittelalter reichen. | |
Der IS beutet diese Stätten aus, weil sie für ihn strategisch und | |
finanziell von Vorteil sind. Der IS hat historische Stätten wie die | |
Zitadelle von Dschabar am Assad-See eingenommen und nutzt sie als | |
militärisches Hauptquartier und Kaserne mit einem sehr eingeschränkten | |
Zugang für Außenstehende. Das ist insofern naheliegend, weil historische | |
Festungen an traditionell strategisch wichtigen Orten errichtet wurden. An | |
der Bedeutung dieser Standorte hat sich bis heute nichts geändert. | |
Anfangs hat der IS die lokale Bevölkerung zu illegalen Ausgrabungen | |
ermutigt. Dabei erhielten die Anwohner einen Anteil an den Funden in Form | |
einer Steuer. Die Grundlage für die Eintreibung dieser Steuer ist das | |
islamische Gesetz der Khums. Demnach müssen Muslime zwanzig Prozent des | |
Werts des gefundenen Schatzes an den Staat abgeben. | |
## Hohe Steuern, falls Gold gefunden wird | |
Der IS fing an, dieses Gesetz als ein Mittel der Steuereintreibung | |
anzuwenden, wenn die Ausgrabung auf privatem Land stattfand – | |
vorausgesetzt, der Besitzer konnte entsprechende Landtitel vorlegen. Die | |
Höhe des abzuliefernden Betrags scheint jedoch unterschiedlich und abhängig | |
vom Ermessen der jeweiligen IS-Führer zu sein. | |
So kann die Khums beispielsweise bis zu fünfzig Prozent ausmachen, wenn die | |
Funde aus der islamischen Periode im Gegensatz zur vorislamischen stammen. | |
Und sie können sogar noch höher liegen, falls dabei Gold gefunden wurde. | |
Außerdem erlaubt der IS die kommerzielle Ausbeutung archäologischer | |
Stätten. | |
Inzwischen gibt es Vertragspartner mit eigenen Arbeitern, die auf | |
Raubgrabungen und die Ausbeutung archäologischer Artefakte spezialisiert | |
sind. Sie arbeiten mit einer Genehmigung des IS. Vertreter der | |
Dschihadistenorganisation überwachen dann die Arbeiten, vor allem, wenn | |
Bagger und Bulldozer eingesetzt werden. | |
Zusätzlich ist der IS in letzter Zeit jedoch verstärkt selbst unmittelbar | |
in Plünderungen verwickelt. Inzwischen heuert der IS eigene Arbeitskräfte | |
an und benutzt schweres Gerät, um die Effektivität zu erhöhen. Er verfügt | |
jetzt außerdem über ein wachsendes Netzwerk von anerkannten Händlern und | |
Mittelsmännern, die direkt von ihm kaufen, sowie über verlässliches | |
Personal, das die Plünderungen koordiniert. | |
## Satellitenbilder zeigen Plünderungen | |
All dies weist auf eine Zunahme von Plünderungen und einen Ausbau des | |
Handels mit gestohlenen Antiquitäten hin. Dies spiegelt sich wider in dem | |
wachsenden Ausmaß der Beschädigung archäologischer Stätten, wie man es vor | |
Ort sowie auch durch die Auswertung von Satellitenaufnahmen feststellen | |
kann. | |
Es sind diese Aktivitäten, die die schwersten, unwiderruflichen Schäden am | |
Kulturerbe Syriens anrichten – weitaus stärkere als die selteneren, aber | |
medienwirksamen Angriffe auf Monumente, religiöse Schreine oder Statuen. | |
Die professionellen Schmuggler und Mittelsmänner bringen die gestohlenen | |
Antiquitäten über die Grenze in die Türkei, ehe sie weiterverkauft und nach | |
Europa und in den Rest der Welt versandt werden, wo sie schließlich auf | |
lukrativen Antiquitätenmärkten auftauchen. | |
Der Islamische Staat ist in alle Bereiche gesetzeswidrigen Handels mit | |
Antiquitäten involviert und profitiert davon: von ihrer Ausgrabung über | |
ihren Verkauf und den Transport aus den vom IS kontrollierten Gebieten. Der | |
Islamische Staat ist heute vermutlich die reichste radikale | |
Terrororganisation mit breit gefächerten Einnahmequellen. | |
Zweifellos sind die Plünderungen und der illegale Antiquitätenhandel | |
lukrativ, jedenfalls genug für den IS, um sich daran zu beteiligen. Diesen | |
illegalen Handel zu unterbinden, ist daher eine zwingende Notwendigkeit, | |
nicht nur, weil es sich um eine relevante Einnahmequelle für terroristische | |
Organisationen wie den IS handelt, sondern auch, weil er bleibende Schäden | |
am Kulturerbe Syriens anrichtet. | |
## Ein reiches kulturelles Erbe | |
Die Beutung des kulturellen Erbes wird nirgends deutlicher als im | |
Zusammenhang mit der nationalen Identität. Syrien hat einen ausgeprägten | |
Identitätssinn, der auf dem Konzept einer gemeinsamen Staatsbürgerschaft | |
vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Geschichte basiert, die von einem | |
langen und reichen kulturellen Erbe untermauert ist. | |
Wenn die jetzige Gewalt beendet ist, müssen die Syrer Mittel und Wege | |
finden, um die Verbindung zu den Symbolen wiederherzustellen, die sie einst | |
über religiöse und politische Grenzen hinweg miteinander verbunden haben. | |
Der Schlüssel dafür wird die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des | |
Landes sein, wie sie auch durch das kulturelle Erbe verkörpert ist. Bei dem | |
Schutz und Erhalt von Syriens Geschichte und Erbe geht es also auch darum, | |
die Zukunft sicherzustellen. | |
An dieser Stelle möchte ich die Bemühungen vieler Aktivisten würdigen, | |
deren Namen hier aus Gründen ihrer persönlichen Sicherheit nicht genannt | |
werden können. Sie arbeiten unter den gefährlichsten Bedingungen, um | |
Informationen über den Islamischen Staat zu sammeln, die in diesen Text | |
eingeflossen sind. | |
Aus dem Englischen Beate Seel | |
25 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Amr Al-Azm | |
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