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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Kurz vor der Blutrache
> Nach Jürgen Trittins „Waziristan“-Vergleich stellen sich manche Grüne n…
> noch eine Frage: Was sagt Anton Hofreiter?
Bild: Kretschmann und Trittin im Berliner Velodrom
Jürgen Trittin ist zweifellos der zweitwichtigste Politiker der
Grünen-Geschichte. Einer, der aus der APO kam und zum Minister des
rot-grünen Atomausstiegs wurde – und des Kosovokriegs. Ein Mann, der sich
von der ideologischen Menschenverachtung einer kommunistischen
Splittergruppe der 70er zum Vizekanzler in Wartestellung entwickelte und
dabei sogar die empfindsame Zeit begeisterte. Nach der Bundestagswahl
schien ihm zunächst sogar der Schritt vom krachend gescheiterten
8,4-Prozent-Spitzenkandidaten zum geschätzten Elder Statesman der Partei zu
gelingen.
Doch jetzt ist seine Einschätzung in der Welt, Baden-Württemberg sei das
„Waziristan der Grünen“. Der Südwesten ist das erste Bundesland, das von
einem grünen Ministerpräsidenten regiert wird, Trittins politischem
Kontrapunkt Winfried Kretschmann. In Stuttgart, Freiburg und Tübingen
regieren Grüne. Die pakistanische Region gilt als Rückzugsgebiet der
radikalislamischen Taliban. Dort werden Frauen unterdrückt, und es wird
Blutrache praktiziert.
Nun hat Trittin seine Einschätzung gegenüber dem Spiegel zwar geäußert, sie
war aus seiner Sicht aber nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Das Magazin
sagt, es gab in diesem Fall keine Absprache, dass nicht ohne Autorisierung
zitiert werden dürfe. Diese Unklarheit ändert aber nichts daran, dass das
Wort in der Welt ist. Nun kann man sagen: Och, Trittins spezieller Humor
ist doch bekannt. Ja.
Aber mal abgesehen von der strategischen Empörung: Das finden auch
außerhalb Baden-Württembergs einige wirklich nicht mehr lustig. In der
Waziristanmetapher scheint ihnen ein politisches Weltbild des 20.
Jahrhunderts auf, in dem in festen Blöcken gedacht wurde: gut oder böse,
Freund oder Feind. Wer gegen die „Linie“ verstößt, wie der in
Regierungsverantwortung stehende Kretschmann beim Asylkompromiss, ist ein
Verräter und wird als Taliban ausgegrenzt. (Ironischerweise ist der
Minister Trittin immer ein Realo gewesen.)
Das Problem ist, dass in einer vom Waziristandenken geprägten Partei nicht
mehr politisch und inhaltlich gestritten werden kann. Die Differenz
zwischen Argumenten und Lösungsansätzen kann nur geleugnet werden oder sich
im Herabwürdigen der jeweils anderen ausdrücken. Der Rest ist
Verdruckstheit. Die Grünen, die notorisch behaupten, sie seien diskursiv,
können weder über die historische Niederlage bei der Bundestagswahl offen
sprechen noch die Gründe für die Erfolge in Baden-Württemberg und anderen
Ländern ernst nehmen.
Soeben hat – ausgerechnet – Boris Palmer mit einem angstfreien Wahlkampf
auf der Rasierklinge knapp 62 Prozent der Tübinger Wähler für die
sozialökologische Moderne gewonnen. In einem festen Weltbild liegt das
daran, dass die Schwaben alle bescheuert sind. (Und deshalb grün wählen.)
Genaueres will der realoskeptische Teil der Partei lieber gar nicht wissen.
Deshalb ist es auch nicht zukunftsweisend, nun auf die Realos zu schauen,
die sich über Trittins Vergleich empören und eine Entschuldigung fordern.
Interessanter ist: Was macht Anton Hofreiter, Trittins politischer
Ziehsohn? Die Hoffnung derer, die einen Neuanfang herbeisehnen: Ein spätes,
aber dafür klares Wort des Fraktionsvorsitzenden könnte eine Situation
entstehen lassen, in der die Partei wieder offen miteinander sprechen kann.
25 Oct 2014
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Grüne
Winfried Kretschmann
Jürgen Trittin
Weihnachten
Anton Hofreiter
Parteitag
Claudia Roth
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Sachsen
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