| # taz.de -- Rechte Krawalle in Köln: Allianz der Gewalt | |
| > Neonazis feiern die Eskalation der Hooligan-Demo gegen Salafisten. Die | |
| > Polizei räumt ein, die Zahl der Teilnehmer unterschätzt zu haben. | |
| Bild: Am Sonntag in Köln. | |
| KÖLN taz | „SS-Siggi“, der alternde Vorkämpfer der rechtsextremen | |
| Borussenfront, grinst über das gesamte von künstlicher Sonne gegerbte | |
| Gesicht. Auch Patrick Wieschke, der Landesvorsitzende der NPD in Thüringen, | |
| ist mit dem Auftritt der meisten der 4.800 rechten Hooligans, die sich am | |
| Sonntag nach einem Aufruf der Online-Initiative „Hooligans gegen | |
| Salafisten“ (HoGeSa) zu einer Demonstration in Köln versammelt hatten, | |
| sichtlich zufrieden. Am Ende des Tages spiegelt sich der Breslauer Platz in | |
| den Wassermassen, mit denen es der Polizei schließlich noch gelungen war, | |
| die Gewalt des späten Nachmittags zu ertränken. | |
| „Na klar sind das alles Rechte hier. Die haben Bock auf Gewalt“, hatte | |
| Wieschke eine Stunde zuvor unweit eines Wasserwerfers gesagt. Nun steht er | |
| an einer Häuserecke, blickt genüsslich auf die Überbleibsel der Eskalation, | |
| zieht an einer Zigarette und schiebt dann hinterher: „Aber ich bin aus | |
| politischen Gründen hier.“ Mit dem Auto ist er aus Thüringen gekommen, hat | |
| nun ein paar Hools von Rot-Weiß Erfurt im Schlepptau und zwei versprengte | |
| Fans von Viktoria Frankfurt (Oder). Gemeinsam schließen sie zu der großen | |
| Dortmunder Gruppe auf, die mit einer wehenden schwarz-gelben BVB-Fahne zum | |
| Platz hinter dem Hauptbahnhof gezogen ist. | |
| Voran der hüftsteife 61-jährige Hooligan-Veteran „SS-Siggi“, der eigentli… | |
| Siegfried Borchardt heißt, dahinter die übrigen jungen Funktionäre und | |
| Anhänger der nationalsozialistisch eingefärbten Bewegungspartei „Die | |
| Rechte“, die ihre Hochburg hier in Nordrhein-Westfalen hat. „Frei, sozial | |
| und national“, skandieren sie, andere brüllen schließlich „Ausländer rau… | |
| – aber das erst später. | |
| Denn eigentlich wollten sich die Demoteilnehmer gar nicht als | |
| Rechtsextremisten zu erkennen geben. Deshalb wedelten sie zu Beginn noch | |
| mit einigen schwarz-rot-goldenen Fahnen der von ihnen verhassten | |
| Bundesrepublik und schickten über die mobile Boxenanlage der Organisatoren | |
| eine Botschaft an die reichlich versammelten Journalisten: „Liebe deutsche | |
| Presse, nicht alle, die hier stehen, gehören dem rechten Rand an.“ | |
| ## Die Antifa hatte recht | |
| Wieschke wusste, dass es eine Lüge ist, „SS-Siggi“ wusste es – und | |
| inzwischen hatte es auch die Polizei verstanden, die das Areal mit 1.300 | |
| Beamten und schwerem Gerät weiträumig schützte – 49 Beamten gingen verletzt | |
| aus den Zusammenstößen hervor, 17 mutmaßliche Gewalttäter kamen in | |
| Gewahrsam. Die rechtsmotivierten Hooligans waren von überall her gekommen, | |
| gleichwohl die meisten aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und | |
| Nordrhein-Westfalen – aber auch aus Norddeutschland, vom Bodensee, von der | |
| rechtslastigen Hooligangruppe „Rotfront“ aus Kaiserslautern. Hools aus | |
| Mannheim, Pforzheim, Essen, Düsseldorf, Duisburg, Oldenburg, Bremen, | |
| Gelsenkirchen und Dortmund. | |
| „Wir brauchen eine Bewegung, die radikal ist. Die Leute, die Spiegel und | |
| Bild lesen, haben die letzten 50 Jahre ihre Chance gehabt“, brüllt jetzt | |
| einer aus Hamburg ins Mikro auf der Bühne, vor der sich die angesichts der | |
| Menge euphorisierten Hools drängen. Das gefällt „SS-Siggi“, der wonnig | |
| applaudiert. Auch „Kategorie C“ ist da; die Bremer Hooliganband hat für | |
| diese neue Bewegung eigens einen Song getextet: „Heute schächten sie Schafe | |
| und Rinder, morgen vielleicht schon Christenkinder.“ Jubel brandet auf. | |
| Dann setzt sich die Masse in Bewegung durch die Kölner Innenstadt, kommt | |
| aber nur ein paar hundert Meter weit. Auf der Turiner Straße fliegen die | |
| ersten Flaschen aus der Menge auf Polizisten, das Echo von Böllern verfängt | |
| sich in den Häuserschluchten, auch Journalisten werden angegriffen: | |
| „Lügenpresse auf die Fresse!“ Der Krawall nimmt seinen Lauf. | |
| Der Sprecher der Kölner Polizei, Christoph Gilles, steht später neben einem | |
| von Hooligans umgekippten Mannschaftswagen und muss einräumen, dass man vor | |
| allem die Zahl der Hools deutlich unterschätzt habe. Noch wenige Tage zuvor | |
| hatte Gilles gesagt, dass er die Einschätzung der Kölner Antifa für völlig | |
| übertrieben halte: Dort war davon die Rede, dass die Veranstaltung zum | |
| größten rechtsextremen Aufmarsch werden könnte, den Westdeutschland seit | |
| Jahren erlebt hat. Die Antifa sollte recht behalten. | |
| ## Systematisch unterschätzt | |
| „Die Teilnehmer der HoGeSa-Demonstration haben sich ausgesprochen aggressiv | |
| und gewaltbereit präsentiert“, resümiert Gilles schließlich, und die | |
| Polizei habe erkannt, dass hier „ganz eindeutig rechtsextremistische | |
| Strukturen erkennbar waren“. Erst zu Monatsbeginn hatte die Zentrale | |
| Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei in Nordrhein-Westfalen | |
| eine Zahl zum „rechtsmotivierten Potenzial der gewaltbereiten Szene beider | |
| Bundesligen“ veröffentlicht: „Nach dieser Auswertung sind ca. 400 Personen | |
| der bundesweit erfassten Gewalttäter Sport dem rechtsmotivierten Bereich | |
| zuzurechnen“, heißt es in dem Jahresbericht der ZIS zur abgelaufenen | |
| Bundesligasaison 2013/2014. Dass diese Einschätzung grundsätzlich falsch | |
| ist, wird der Polizei seit Sonntag klar sein. | |
| Und so steht am Ende die Erkenntnis, dass die Sicherheitsbehörden das | |
| rechtsextreme Potenzial unter den gewaltgeneigten Fußballanhängern in | |
| Deutschland unterschätzt haben. Diese Warnung gaben viele Beobachter aus | |
| Wissenschaft und Fanarbeit schon lange aus: „Das war eine regelrechte | |
| Machtdemonstration der rechten Fußballszene“, stellt etwa Claudia Luzar | |
| fest. Die Konliktforscherin der Fachhochschule Dortmund hat in Köln etliche | |
| rechtsextrem motivierte Fans gesehen, die sie aus ihrer Forschung zwar | |
| kennt, von denen bislang aber kaum jemand etwas wissen wollte. „Die 400 | |
| rechtsmotivierten gewaltgeneigten Fußballanhänger, von der die ZIS in ihrem | |
| Bericht für ganz Deutschland spricht, gibt es schon alleine hier in | |
| Nordrhein-Westfalen.“ | |
| Ein Fanarbeiter von einem süddeutschen Bundesligisten, der sich das Treiben | |
| vom Rand aus anschaut, kommt noch in Köln zu dem Schluss, dass es wohl gut | |
| gewesen wäre, „wenn der Rettig sich das auch mal angeschaut hätte.“ | |
| Schließlich habe man bei den Verbänden, dem DFB und der DFL, dessen | |
| Geschäftsführer Andreas Rettig ist, das Problem jahrelang und systematisch | |
| unterschätzt. | |
| 27 Oct 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Olaf Sundermeyer | |
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