| # taz.de -- Youtube-Video „Li Biladi“: Angeklickt und angefeindet | |
| > Zwei junge Syrerinnen singen in einem Youtube-Video über die Schönheit | |
| > und das Leid des Nahen Ostens. Das macht sie zu einer Internetsensation. | |
| Bild: Ihr Video ist schlicht, ihre Botschaft eindringlich – die syrischen Sch… | |
| BEIRUT taz | Es ist ein simples Youtube-Video: Die Schwestern Rihan und | |
| Faia Younan stehen vor einer weißen Wand. Sie tragen schwarze Kleider, ihre | |
| Lippen sind rot angemalt. Faia singt auf arabisch über die Schönheit von | |
| Damaskus. Rihan unterbricht und spricht langsam: „Syrien,mehr als drei | |
| Jahre irrsinniger, egoistischer und ideologischer Krieg. Drei Jahre, in | |
| denen Seelen und Herzen zerstört wurden.“ So geht das fast neun Minuten | |
| lang. | |
| Zwei hübsche junge Frauen [1][//www.youtube.com/watch?v=4GO52i0xui8:in | |
| einem Youtube-Video] – das ist nicht neu. Trotzdem wurde das Video in den | |
| vergangenen Wochen millionenfach geklickt und in sozialen Netzwerken | |
| geteilt. | |
| Faia, 22, und Rihan, 23, sind vor elf Jahren aus der syrischen Stadt Aleppo | |
| nach Europa gekommen. Rihan hat Journalismus in Edinburgh studiert, Faia | |
| Management und Wirtschaft in Glasgow. Heute leben sie in der schwedischen | |
| Kleinstadt Södertälje. Ihr Leben findet fernab vom Krieg in Syrien statt, | |
| aber es vergeht kein Tag, an dem sie nicht an ihre Heimat denken. | |
| Deshalb haben sie sich gemeinsam mit einer Gruppe junger Syrer, Libanesen, | |
| Iraker und Palästinenser entschieden, ihre Gefühle in dem Video zu | |
| verarbeiten: „Es war die Zeit, als IS die irakische Stadt Mossul | |
| eingenommen hatte, Gaza nahezu in Trümmern lag und libanesische Soldaten | |
| von Islamisten gekidnappt und geköpft wurden. Uns überkam ein Gefühl der | |
| Ohnmacht, Frustration und Hoffnungslosigkeit. Wir wollten unsere eigene | |
| Sicht der Dinge schildern“, erzählt Faia. | |
| ## Ein Lied für jedes Land | |
| „Li Biladi“ („An unsere Heimatländer“) heißt ihr Video. Die Schwestern | |
| besingen darin nicht nur Syrien, sondern Vergangenheit und Gegenwart der | |
| gesamten Region. Syrien, Palästina, Libanon und Irak, jedes der vier Länder | |
| bekommt ein eigenes Kapitel, ein eigenes Lied, einen eigenen Text. Am Ende | |
| stimmt Faia ein fünftes Lied an: „Mawtini“ („Meine Heimat“). Mit Trän… | |
| den Augen singt sie: „Meine Heimat, wann werde ich dich sicher, glücklich, | |
| triumphierend und würdevoll sehen?“ Rihan antwortet: „Ich werde dich sehen | |
| …“ | |
| Es sind vor allem junge Araber, die das Video anklicken und teilen. Was | |
| ihnen besonders gefällt, sind die Parallelen zwischen den vier Ländern, die | |
| die jungen Frauen ziehen. Rihan fasst sie in der letzten Passage mit den | |
| Worten des palästinensischen Dichters Ibrahim Touqan zusammen: „Unserer | |
| Länder, Länder des Krieges und Schmerzes, Länder der Liebe und Träume …“ | |
| Das Leid, als eine grenzüberschreitende Erfahrung, verbindet. Das zeigt | |
| sich auch in den Kommentaren zum Video. Dort solidarisieren sich | |
| Palästinenser mit Syrern, Syrer mit Irakern und Libanesen mit | |
| Palästinensern und rufen sogar, wie der User Farii, zum Schulterschluss | |
| auf: „Die wichtigste Mission in unserem Leben ist es, uns zu vereinen. | |
| Damit wir lernen, uns gegenseitig trotz religiöser, sozialer und | |
| politischer Probleme zu schätzen und zu lieben.“ | |
| Das Leid prägt die jungen arabischen Generationen, der auch Faia und Rihan | |
| angehören. Sie werden das Land ihrer Eltern nicht mehr so vorfinden, wie es | |
| einmal war. Aber, in ihrem Alter haben sie zumindest noch ein Bild davon, | |
| wie sich stabilere Zeiten, ohne tägliche Anschläge anfühlen. Ähnlich geht | |
| es den jungen Irakern, die sich an die Zeit vor der amerikanischen Invasion | |
| erinnern können. Heute sehnen sie sich nach Stabilität und einem Alltag | |
| ohne Bomben und metzelnde Gotteskrieger. | |
| ## „Wo seid ihr Bildungsbürger?“ | |
| Das Gedächtnis junger Libanesen reicht nicht bis in einigermaßen friedliche | |
| Zeiten zurück. Der 15-jährige Bürgerkrieg hat den Libanon schwer getroffen | |
| und auch nach seinem Ende, 1990, halten konfessionelle und regionale | |
| Konflikte das kleine Land in Atem. Eine Bombe hier und da, die junge | |
| Generation will das Land lieber heute als morgen verlassen. | |
| Für die palästinensische Jugend liegt die glorifizierte Erinnerung noch | |
| viel weiter zurück: Seit vier Generationen leben die Palästinenser nun mit | |
| Besatzung und Vertreibung. Im besten Fall wissen die Großeltern noch, wie | |
| sich Heimat und Sicherheit anfühlt. | |
| Das Gefühl, durch diese Erfahrungen verbunden zu sein, gedeiht aber | |
| offenbar eher bei den jungen Arabern in der Diaspora. In den betroffenen | |
| Ländern selbst ist von Solidarität und Brüderlichkeit oft wenig zu spüren. | |
| Nach drei Jahren Syrienkrieg wächst im Libanon die Aggression gegenüber den | |
| syrischen Flüchtlingen. Viele Libanesen beschuldigen sie, mit den | |
| Islamisten von IS und al-Nusra in Kontakt zu stehen und deren Operationen | |
| zu unterstützen. Dazu kommt, dass die Flüchtlinge den Libanon finanziell | |
| überfordern. Auch die Palästinenser leben dort immer noch zum Großteil in | |
| Lagern auf engstem Raum und haben viel weniger Rechte als libanesische | |
| Staatsbürger. | |
| Dementsprechend scharf ist die Kritik, die Rihan und Faia von den | |
| Zuschauern entgegenschlägt, die noch in den arabischen Ländern leben. Zwar | |
| haben Rihan und Faia Familie und Verwandte in Syrien. Trotzdem betrachten | |
| sie die Lage von außen. Der User Gabriel Chabo kommentiert das Video zum | |
| Beispiel mit: „Ihr könnt eure Lieder nicht aus dem schönen Schweden | |
| singen.“ Ein anderer fragt: „Wo seid ihr Bildungsbürger? Wo sind die | |
| Reichen und Einflussreichen? Wo sind sie? Wo sind die, die zurückkommen und | |
| für ihre Überzeugung einstehen?“ Auf Facebook werfen User den Schwestern | |
| außerdem vor, dem syrischen Diktator Baschar al-Assad nahezustehen. „Auf | |
| solche Debatten lassen wir uns nicht ein“, sagten sie gegenüber der BBC. | |
| ## Ungebrochene Zuversicht | |
| Dass ihr Kommentar aus der Ferne keinen Einfluss auf die Lage vor Ort hat, | |
| wissen Rihan und Faia – das war aber auch nicht die Absicht ihres Videos. | |
| Trotz der aussichtslosen Situation, die Rihan in ihren poetischen Texten | |
| anklagt, vermittelt der ganze Aufbau – der feste Blick nach vorne und der | |
| leidenschaftliche Vortrag der populären Lieder – etwas sehr Würdevolles und | |
| eine ungebrochene Zuversicht, dass sich alles zum Besseren wandeln kann. | |
| Und ihre Botschaft der Hoffnung, sagt Faia, hätte auch viele junge Menschen | |
| in den Kriegs- und Krisengebieten berührt: „Viele haben uns geschrieben, | |
| dass das Video sie an die Schönheit ihrer Länder erinnere, die sie der | |
| Krieg vergessen lässt. Und sie verstanden haben, dass wir ihnen zeigen | |
| wollten, wie sehr wir jeden Tag, jede Minute an die Menschen in unseren | |
| Ländern denken.“ | |
| Die Schwestern möchten ihre Botschaft nicht nur an die arabischsprachige | |
| Welt richten. Sie legten viel Wert darauf, dass es Videos mit englischer | |
| Übersetzung gibt, damit auch Nicht-Araber sie verstehen. Das wirkt. Viele | |
| Menschen aus der ganzen Welt zeigen sich von der Präsentation der jungen | |
| Frauen gerührt. | |
| „Wir sehen jeden Tag so viel Blut und Gewalt in den Medien. Leider ist | |
| unser Auge schon ein Stück weit immun gegen diese Bilder und dadurch büßen | |
| wir einen Teil unserer Menschlichkeit ein“, sagt Faia. Im Video spielen die | |
| Schwestern deshalb besonders deutlich mit ihrer Mimik. Geht es um die | |
| Schönheit der Ländern, lächeln die Frauen, geht es um Krieg und Gewalt, | |
| singen sie mit schmerzverzerrtem Gesicht und voller Pathos. Wichtig ist | |
| Faia aber die Schlussszene: „Am Ende steht in unseren Gesichtern die | |
| Hoffnung geschrieben.“ | |
| 28 Oct 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Juliane Metzker | |
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