# taz.de -- Mauer in Palästina: Vorbild Berlin | |
> Im Westjordanland haben Palästinenser gegen Israels Mauer protestiert. | |
> Wie in Berlin ließen sie weiße Ballons in die Luft steigen. | |
Bild: Inspiriert vom Fall der Berliner Mauer: Palästinenser hackten nördlich … | |
BATTIR taz | Auf den ersten Blick haben Berlin und Battir nicht viel | |
gemeinsam. Gut 4.000 Kilometer liegen zwischen der deutschen Hauptstadt und | |
dem kleinen palästinensischen Dorf im Westjordanland. Trotzdem fühlen sich | |
dessen Bewohner verbunden mit Berlin: Seit Jahren wehren sie sich | |
erfolgreich gegen die Mauer, die die Israelis hier planen. Zum Jahrestag | |
des Mauerfalls ließen 130 Kinder gestern, wie in Berlin, weiße Ballons | |
steigen. „In Erinnerung an alte Mauern neue verhindern“, war ihr Motto. | |
Ginge es nach Israels Verteidigungsministerium, würde die Mauer an den | |
Bahngleisen von Battir stehen. Direkt daneben liegen die Terrassengärten | |
aus der Periode der römischen Besatzung. Vor wenigen Monaten erklärte die | |
Unesco die Terrassengärten zum Weltkulturerbe. Der geplante israelische | |
Mauerbau ließ die rund 3.000 Jahre alte Stätte unter die Kategorie der | |
bedrohten Denkmäler fallen. | |
Battir lässt Assoziationen an Asterix und sein kleines gallisches Dorf | |
aufkommen. Das Geheimnis seiner 6.000 Bürger ist aber kein Zaubertrank, | |
sondern der Interessenkonflikt zweier israelischer Behörden. Auf der einen | |
Seite steht das Verteidigungsministerium, das den Bau der Trennanlagen | |
möglichst rasch beenden möchte, auf der anderen die Nationale Parkbehörde, | |
die bremst. | |
Auf Klage der Umwelt- und Friedensinitiative FoEME (Friends of the Earth | |
Middle East), die Battir juristisch unterstützt, musste die Parkbehörde vor | |
Gericht Stellung beziehen. Sie positionierte sich erwartungsgemäß für den | |
Erhalt der Terrassen, die während der Errichtung der geplanten | |
Sicherheitsanlagen weitgehend zerstört werden würden. „Es ist ungewöhnlich, | |
dass eine Regierungsbehörde der anderen den Weg verbaut“, meint Gidon | |
Bromberg, FoEME-Direktor. | |
## Protest von allen Seiten | |
Nutznießer des innerisraelischen Streits sind auch die Nonnen aus dem | |
Kloster Cremisan im benachbarten Beit Dschalla, die parallel zum | |
Bürgerkomitee von Battir gegen den geplanten Mauerbau vor Gericht zogen. | |
Die letzte Anhörung vor dem obersten Gerichtshof in Jerusalem blieb ohne | |
Urteil. Die Richter entzogen sich der Verantwortung und gaben den Fall an | |
die israelische Regierung zurück. Vorläufig tut sich auch das Kabinett | |
Netanjahus schwer damit, die Lücke der Sicherheitsanlagen auf Kosten der | |
historisch wertvollen Terrassen zu schließen. | |
Gut 700 Kilometer lang sollen sich die Trennanlagen einmal rings um das | |
Westjordanland ziehen. Abgesehen von Battir und Beit Dschalla fehlen auch | |
im Norden von Jerusalem und ganz im Süden des Westjordanlands noch | |
Teilstücke in dem monströsen Bauprojekt, das der damalige Regierungschef | |
Ariel Scharon vor zwölf Jahren als Anti-Terror-Maßnahme begann. Trotz der | |
offenen Stellen, die zu Fuß leicht zu passieren sind, beharrt der | |
israelische Sicherheitsapparat darauf, dass die Anlage ihr Ziel, dem Terror | |
in Israel Einhalt zu gebieten, weitgehend erreicht habe. | |
Für die Palästinenser bedeuten Mauer und Zaun Schikanen. Viele verlieren | |
durch sie ihre Einkommensmöglichkeiten, was vor allem daran liegt, dass die | |
Sperranlagen zu 80 Prozent auf palästinensischem Land liegen und sich an | |
einigen Stellen bis zu 40 Kilometer ins besetzte Westjordanland fressen. | |
Viele Bauern haben durch den Bau ihr Land verloren oder können ihre Felder | |
nicht mehr erreichen. In einigen Fällen entschied der oberste Gerichtshof | |
auf Eingabe palästinensischer Anwohner und Menschenrechtsorganisationen | |
bereits für einen befristeten Baustopp oder den Abriss bereits errichteter | |
Anlagen. | |
Battirs Bürgermeister Akram Bader hofft, dass die Mauer nie entstehen wird. | |
„Heute feiern wir den 25. Jahrestag vom Fall der Berliner Mauer. So soll es | |
auch in Palästina kommen“, sagt der 54-jährige Fatah-Politiker, der seit 18 | |
Jahren Battir vorsteht. Bader weist das Argument zurück, dass die | |
Trennanlage das Leben der Israelis sicherer machen würde. Mauern würden den | |
Konflikt eher schüren als beilegen. Frieden könne einzig durch Dialog | |
erreicht werden, und genau den verhindere die Mauer. „Du kannst deinen | |
Nachbarn nicht mehr sehen, nicht mit ihm reden, wie soll so Frieden | |
entstehen?“ | |
Battir liegt genau an der alten Demarkationslinie, die bis 1967 Israel von | |
Jordanien trennte. Es gilt als friedliches Dorf, in dem es auch während der | |
beiden palästinensischen Volksaufstände kaum zu gewaltsamen Übergriffen | |
kam. Bürgermeister Bader berichtet vom Markt, zu dem an jedem Freitag | |
regelmäßig „Israelis aus Jerusalem und dem benachbarten Ora kommen“. Genau | |
so müsse friedliche Koexistenz sein, eine Trennung hingegen ermutige nur | |
zur Gewalt und Extremismus. | |
Auf Kommando lassen die Kinder ihre weißen, mit Helium gefüllten Ballons in | |
die Luft steigen. Schon in der Nacht hatten Aktivisten aus dem Dorf | |
hunderte Heliumballons entlang der Bahngleise befestigt. Die Kette der | |
weißen Punkte schwebt ein paar Meter in die Luft, verfängt sich zunächst an | |
einem Olivenbaum und macht sich dann unter dem Gejubel der Kinder auf den | |
Weg durch die Luft Richtung Israel. Auf jedem Ballon steht der Name eines | |
der Kinder, an einem Bindfaden hängt ein Gruß. | |
## Wasser für acht Familien | |
Die Landschaft ist in dieser Region ungewohnt grün. Battir verfügt über | |
reichhaltige Wasservorkommnisse und ein Bewässerungssystem, das wie die | |
Terrassen auf die Zeit der Römer zurückgeht. „Jeden Morgen kommt einer der | |
Familienältesten, um die der Großfamilie zustehende Wassermenge | |
abzumessen“, erklärt Bürgermeister Bader. Es sind acht Großfamilien, an | |
jedem Tag ist eine andere Familie an der Reihe. | |
Das Geheimnis des Erfolgs gegen den Mauerbau führt er auf die Entscheidung | |
der Unesco zurück, die die Gartenterrassen zum Welterbe erklärte, und „auf | |
unseren Weg durch die Instanzen“. Bader hält nichts von Demonstrationen, | |
sondern würde immer wieder versuchen, mit Hilfe der Richter sein Dorf zu | |
schützen. Im Moment bliebe Battir ohnehin nichts, als abzuwarten. „Wir | |
werden von der ganzen Welt unterstützt“, sagt er, „auch von Israelis.“ | |
Battir ist nicht das einzige Dorf, das gegen die Mauer kämpft: In Bir | |
Nabala, nördlich von Jerusalem, begannen Jugendliche in der Nacht zu | |
gestern ebenfalls mit dem Abriss der Mauer. Inspiriert von der deutschen | |
Geschichte hämmerten die Palästinenser über Stunden auf das Gemäuer ein und | |
rissen ein etwa ein mal ein Meter großes Loch in die Wand. | |
9 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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